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PROTEST/071: Der tödliche Lärm der Ölsuche im Mittelmeer (OceanCare)


OceanCare - News, 16. April 2014

Der tödliche Lärm der Ölsuche im Mittelmeer



Vier Jahre nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko spitzt sich die Lage im Mittelmeer dramatisch zu: Mit bedrohlich lauter Beschallung wird in immer mehr Meeresgebieten und in immer grösserer Tiefe nach Erdöl und Erdgas gesucht. Im Rahmen der Kampagne «Silent Oceans» will OceanCare zusammen mit 19 Partnerorganisationen dafür sorgen, dass unter Wasser wieder Ruhe einkehrt - damit die Meeresbewohner eine Zukunft haben.

Auf einer Infografik macht OceanCare den Ernst der Lage im Mittelmeer fassbar: Die Zahl der Orte, an denen nach Öl und Gas gebohrt wird, nimmt drastisch zu. Und damit auch das Risiko einer Katastrophe wie jener der BP-Ölbohrplattform «Deep Water Horizon», wo am Ostersonntag vor vier Jahren nach einer Explosion tausende Liter Rohöl ins Meer ausgelaufen sind. «Was viele nicht wissen: Bereits die Suche nach Öl und Gas im Meer ist für die Meerestiere lebensgefährlich», sagt Sigrid Lüber, Präsidentin von OceanCare, und warnt vor den Gefahren des Unterwasserlärms: «Die Druckluftkanonen, die für die Rohstoffsuche gebraucht werden, sind ohrenbetäubend laut. Nach extremer Beschallung durch seismische Tests stranden Wale sowie Delphine und Fischfänge brechen um bis zu 80 Prozent ein.»

Diese Angaben beruhen auf den Recherchen der Meeresschutzorganisation OceanCare. Da es keine zentrale Registrierung für Rohstoffsuche und -förderung gibt, besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.Quellen: Seismic operations in the Mediterranian region. OceanCare, 2014. Offshore oil and gas production. JRC, 2013. http://euoag.jrc.ec.europa.eu/node/63 / Allianza Mar Blava. http://alianzamarblava.org - Übersichtskarte Mittelmeer mit farbig markierten Bereichen: bereits durchgeführte oder laufende Offshore-Bohrungen, geplante Offshore-Bohrungen, bisherige und aktuelle seismische Erdöl- und Gassuche - Grafik: © OceanCare

Grafik: © OceanCare


«Silent Oceans»: Kampagnenerfolg auf EU-Ebene

In der nördlichen Adria ist im Herbst 2013 im Auftrag der kroatischen Regierung grossflächig nach Erdöl und Erdgas gesucht worden: Während fünf Monaten mit extrem lauten Schallwellen im 10-Sekunden-Takt - ohne vorher die Umweltverträglichkeit geprüft zu haben. OceanCare hat diesen Skandal im Rahmen der Kampagne «Silent Oceans» an die Öffentlichkeit gebracht. Über 9000 Menschen haben unter www.silentoceans.org bei der kroatischen Regierung gegen die Suche nach Rohstoffen vor Kroatien protestiert.

Nach intensiver Lobbyarbeit hat das EU-Parlament am 12. März 2014 entschieden, Umweltverträglichkeitsprüfungen vor der Suche nach Rohstoffen in europäischen Gewässern zur Pflicht zu machen. "Das ist ein Meilenstein im Einsatz für Stille im Meer", freut sich Lüber, "denn unter Wasser gibt es - anders als an Land - keine verbindlichen Regeln und Grenzwerte für lärmerzeugende Technologien." Aber nicht nur seismische Tests gefährden die Meerestiere. Militärsonare sind eine weitere tödliche Lärmquelle. Anfangs April sind nach Militärmanövern um Kreta Schnabelwale gestrandet. OceanCare setzt sich als UN-Sonderberaterin in allen relevanten internationalen Gremien für Lärmgrenzwerte, die Eindämmung des Lärms und den Schutz sensibler Meeresgebiete ein.

Mit «Silent Oceans» fordern die Kampagnenpartner eine weltweit verbindliche Obergrenze für Unterwasserlärm, eine global koordinierte Strategie zur Lärmreduktion, ein Verbot der Beschallung sensibler Meeresgebiete, lärmdämmende Verfahren an den Emissionsquellen, die Überwachung der Auswirkungen von Lärm in den Ozeanen und die Übernahme von Verantwortung von Lärmverursachern für die Auswirkungen ihres Handelns.

Folgen von Lärm für die Meeressäuger

In den letzten 60 Jahren hat sich der Unterwasserlärm zirka alle zehn Jahre verdoppelt, wie der Infotainment Film auf www.silentoceans.org zeigt. Doch das Meer hat weder Schallmauern noch Notausgänge - Lärm verbreitet sich unter Wasser vier bis fünf Mal schneller als an Land. Extremer Schalldruck kann die Blutgefässe der Meeressäuger bersten lassen: In Panik tauchen die Tiere blitzartig auf und sterben an den Folgen der für sie unnatürlichen Taucherkrankheit. Für viele Meerestiere ist das Gehör, was für die Menschen die Augen sind. Denn sie orientieren sich akustisch und sind für Nahrungs- und Partnersuche, Kommunikation und Gefahrenerkennung auf das Gehör dringend angewiesen. Unterwasserlärm jedoch übertönt die Rufe der Meerestiere. Nach aktuellem Wissensstand wirkt sich intensiver Unterwasserlärm auf mindestens 55 marine Arten negativ aus. Unter anderem auf das grösste Lebewesen der Welt: Innert weniger Jahrzehnte ist die Reichweite der Sonarsignale von Blauwalen von rund 2000 auf 200 km gesunken.


Unter www.facebook.com/oceancare.org ruft OceanCare Menschen zum Handeln auf. Aktuell laufen Petitionen gegen die Ölförderung in der Adria und vor den Kanarischen Inseln.


Mehr Informationen zur Kampagne Silent Oceans:
www.silentoceans.org

Mehr Informationen zum Unterwasserlärm
https://assets.oceancare.org/downloads/13_drowninginsound_germanpressready.pdf

Downloads
Infografik herunterladen
https://assets.oceancare.org/downloads/infografik_run_auf_ol_und_gas_im_mittelmeer_1.jpg

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Quelle:
News vom 16. April 2014
Herausgeber: Verein OceanCare
Oberdorfstr. 16, Postfach 372, Ch-8820 Wädenswil
Tel.: +41 (0) 44 780 66 88, Fax: +41 (0) 44 780 66 08
E-Mail: info[at]oceancare.org
Internet: www.oceancare.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2014