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PROTEST/031: Griechenland - Goldbergbau in unberührten Skouries-Bergen, Dorf leistet Widerstand (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. April 2013

Griechenland: Goldbergbau in unberührten Skouries-Bergen - Dorf leistet Widerstand

von Apostolis Fotiadis



Halkidiki, Griechenland, 29. April (IPS) - Die Stille, die über den Skouries-Bergen im Norden Griechenlands herrscht, trügt. Hier, 80 Kilometer östlich von Thessaloniki, tobt ein Krieg zwischen Dorfbewohnern und 'Hellas Gold'. Die Niederlassung des kanadischen Bergbaukonzerns 'Eldorado Gold' will Kupfer, Gold, Silber, Zink und Blei im Wert von zwölf Milliarden US-Dollar aus dem Mavri-Petra-Berg holen. Die Mehrheit der Einwohner lehnt die Aktivitäten aus Sorge um die unberührte Umwelt und den Tourismus ab.

An der Weggabelung zwischen der Ortschaft Ierissos und der Mine wurden inzwischen Sicherheitskräfte abgestellt, die sämtliche Passanten anhalten und nach ihrem Namen und dem Grund ihres Kommens befragen. Ihre Präsenz ist die Folge eines gewaltsamen Anschlags auf Bulldozer, Container und andere Arbeitsgeräte der Bergbaufirma.

Das Unternehmen hat für die Entwicklung einer riesigen Übertagemine und eines Netzwerks kleinerer Untertageminen Investitionen in Höhe von 1,2 Milliarden US-Dollar zugesagt. Darüber hinaus werben Staat und Konzern mit der Entstehung von 1.000 Arbeitsplätzen und der Wiederbelebung der griechischen Industrie in Krisenzeiten.


Übergriffe auf die Bevölkerung

Am 17. Februar waren rund 40 vermummte Männer bis zum Standort der Mine vorgedrungen, hatten vier Wächter überwältigt und Fahrzeuge und Büros der Bergbaufirma in Brand gesetzt. Am anderen Tag besuchte der Minister für Recht und Ordnung und Bürgerschutz, Nikolaos Dendias, höchstpersönlich den Ort des Geschehens und übertrug die Sicherheit der Mine einer berüchtigten Anti-Terroreinheit. Es folgten Untersuchungen und Verhöre, die ganz Ierissos in Angst und Schrecken versetzt haben.

Wie Vassilis Tzimourtos berichtet, der viele Dorfbewohner rechtlich vertritt, haben die sogenannten Untersuchungsmaßnahmen mehr mit "Verfolgung und Einschüchterung" zu tun als mit gewöhnlichen Befragungen. Ziel sei die Erlangung fabrizierter Geständnisse. Im Verlauf der Ermittlungen seien Bürger sogar verschleppt sowie zur Abgabe einer DNA-Probe und zur Einwilligung in das Bergbauprojekt gezwungen worden.

Den Betroffenen zufolge werden Gegner des Projekts wie Verdächtige behandelt. "Ich wurde stundenlang festgehalten, ohne dass meine Familie wusste, wo ich war", berichtete der 18-jährige Dorfbewohner Theofilos Bantis im Gespräch mit IPS. Es sei so lange misshandelt worden bis er eine DNA-Probe abgegeben habe.

In der Nacht des 10. Aprils drang die Polizei gewaltsam in die Häuser zweier Dorfbewohner ein, die angeblich an dem Anschlag auf die Mine beteiligt gewesen waren. Sie sollen nun bis zu ihrer Verhandlung in Gewahrsam bleiben. 'Amnesty International' hat die Regierung, die die Vorwürfe ignoriert beziehungsweise abstreitet, aufgefordert, eine unabhängige Untersuchung einzuleiten.

Die Gegner des Investitionsvorhabens begründen ihren Widerstand gegen das Minenprojekt mit drohenden Umweltschäden. Durch die Mine werde der Berg regelrecht aufgeschlitzt, ausgebeutet und verseucht. Außerdem werden den Griechen die im Anschluss an das Projekt anfallenden Säuberungsarbeiten aufgebürdet. Eine nähere Überprüfung der Verträge hat ergeben, dass die Bevölkerung des Landes keinen nennenswerten Nutzen aus dem Investitionsvorhaben ziehen wird.

Christo Pahtas, Bürgermeister der Gemeinde, der die Rohstoffe gehören, hatte die Extraktionsrechte über ein 317.000 Quadratkilometer großes Gebiet vergeben, ohne die Lizenzgebühren genauer zu spezifizieren. Derzeit darf Griechenland lediglich auf die Sozialversicherungsbeiträge für die Beschäftigten der Mine und Unternehmenssteuern rechnen.

Das mögliche Ausmaß der ökologischen Schäden durch das Projekt werden von Wissenschaftlern des Landes kontrovers diskutiert. Das staatliche Institut für Geologie und Ressourcenabbau spricht sich für das Investitionsprojekt aus, während unabhängige Forscher die Aussagen des Bergbaukonzerns, dass die angeblich 'neuen' Abbaumethoden die Umweltschäden minimieren würden, anzweifeln.


"Halbwahrheiten"

"Das, was die Firma von sich gibt, sind Halbwahrheiten", meint Georgios K. Triantafyllidis, ein Bergbauingenieur an der Universität von Thessaloniki gegenüber IPS. Der Konzern habe zwar versprochen, das Eindringen von Zyanid und Arsen in die umliegenden Wälder zu verhindern. Doch die angeblich neuen Abbaumethoden, die dafür sorgen sollten, basierten auf "wissenschaftlichen Methoden, die sich in der Praxis noch nicht bewährt haben".

Bereits durchgeführte Aktivitäten haben die Äußerungen des Multis Lügen gestraft. So ergab die chemische Analyse von Proben, die auf dem Gelände einer alten Mine entnommen worden waren, die Hellas Gold wiederum in das Produktionsnetzwerk integrieren will, dass die Arsenbelastung die erlaubten Höchstwerte um das 42.000-Fache übersteigt.

Am 17. April hat das griechische Verfassungsgericht einen Antrag der Bürger gegen die Anerkennung des Umweltministeriums der von Hellas Gold vorgelegten Umweltverträglichkeitsstudie abgewiesen.

Die lokale Bevölkerung fürchtet nicht nur um die Natur, sondern auch um die Tourismusindustrie, die derzeit die meisten Menschen in der Region beschäftigt und höchsten Einkünfte generiert.

Den Gegnern des Projekts stehen die Minenarbeiter und ihre Familien gegenüber, die sich die Chance auf eine Beschäftigung nicht entgehen lassen wollen. Aggelos Deligiobas, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Minenarbeiter, der selbst seit 26 Jahren im Geschäft ist, versichert, dass "wir alles tun werden, um unsere Jobs zu retten".

Der griechischen Regierung wird vorgeworfen, im Zuge der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise einen Ausverkauf des Landes zu betreiben. Der Fonds zur Entwicklung der Vermögenswerte der hellenistischen Republik sieht den Verkauf von staatlichem Eigentum in Höhe von insgesamt 50 Milliarden US-Dollar vor. Doch der Widerstand wächst - auch gegen den Einsatz der Sicherheitskräfte, die Gegner der Investitionsprojekte mundtot zu machen.

Im letzten September hatte die Polizei eine Gruppe von Bürgern brutal auseinandergetrieben, die eine friedliche Demonstration zu der Übertagemine organisiert hatte. Die Bilder von älteren Dorfbewohnern, die vor schwer bewaffneten Polizisten verfolgt wurden, schockierten das ganze Land.


Charme-Offensive

Auf einer Pressekonferenz am 20. März drohte Eldorado Gold damit, die Invesititionspläne aufzugeben, sollte es der griechischen Regierung nicht gelingen, die Situation vor Ort zu "stabilisieren". Parallel dazu hat das Unternehmen eine Charme-Offensive gestartet. So wurden Journalisten der größten Zeitungen und Rundfunkanstalten in diesem Monat dazu eingeladen, sich die Investitionsprojekte des Unternehmens in Griechenland und der Türkei anzusehen. Der Vorstoß wurde von der Grünen-Partei des Landes als Versuch betrachtet, die Kritik an den Bergbauaktivitäten zu zerstreuen.

Nach Angaben des Forschungsunternehmens 'Media Services SA' hat sich Hellas Gold selbst eine Imagepflege verordnet. Zwischen Januar und März 2013 investierte das Unternehmen zum Teil erfolgreich über 630.000 Euro in die Eigenwerbung. Das war mehr, als der Konzern im ganzen letzten Jahr für diesen Zwecke ausgegeben hatte. Besonders populär war offenbar eine Werbekampagne mit namentlich genannten 'Arbeitern', die den Eindruck erweckten, als seien sie die legitimen Befürworter eines Vorhabens, dass von Vandalen bekämpft wird. (Ende/IPS/kb/2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/04/greeks-fight-canadian-gold-diggers/

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IPS-Tagesdienst vom 29. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2013