Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2019
Der Kampf ist nicht vorüber!
Der Pazifik bleibt das globale Versuchsfeld für die Jagd auf die
Schätze der Tiefsee
von Jan Pingel
Die Entscheidung in Papua-Neuguinea, einem aus ökologischer und sozialer Perspektive völlig ungeeignetem Ort, das weltweit erste kommerzielle Tiefseebergbauvorhaben durchzuführen, sorgt seit Jahren für massiven Protest. Nun steht diese Mine am Meeresboden - genannt Solwara 1 - vor dem Aus. Der Widerstand in Ozeanien gegen die experimentellen Großprojekte aber lebt und braucht weiterhin internationale Unterstützung.
Geplant als Einstiegsprojekt, als Türöffner für den globalen
Raubbau an der Tiefsee steht in Papua-Neuguinea das weltweit erste
kommerzielle Tiefseebergbauprojekt vor dem Scheitern. Das kanadische
Unternehmen Nautilus Minerals, das noch in diesem Jahr das weltweit
umstrittene Projekt in Betrieb nehmen wollte, das bereits die riesigen
Maschinen ins Land brachte und das Förderschiff bauen ließ, ist
zahlungsunfähig. Ohne je in Betrieb genommen worden zu sein, ist die
lang geplante Mine am Meeresgrund vor der Küste Neuirlands aber schon
jetzt ein Symbol - in doppelter Hinsicht.
Zum einen Symbol für die imperiale, zerstörerische und ungerechte Wirtschaftsweise der Industrieländer. Die Risiken des Meeresbodenbergbaus, mit denen sich die Menschen in Papua-Neuguinea und bald auch auf den Cook Islands, den Salomonen, Tonga, Fidschi und den anderen pazifischen Inseln ausgesetzt sehen, sind unmittelbar verbunden mit den Folgen des Wirtschaftens im globalen Norden. Denn die Tiefseemineralien sollen nicht nur ein profitables Geschäft für die Unternehmen und InvestorInnen abgeben, sie werden auch angepriesen als Lösung weltweiter Ressourcenknappheit. Mit den weiterhin hohen Begehrlichkeiten nach neuen Rohstoffquellen und den geringen Erträgen aus terrestrischen Lagerstätten rücken die marinen mineralischen Rohstoffe der Ozeane und Meere zunehmend in den Fokus.
Zum anderen ist Solwara 1 ein Symbol für die Bedeutung und den Einfluss von lokalen Initiativen, indigenen Dorfgemeinschaften, Nichtregierungsorganisationen und Kirchen im Widerstand gegen Umweltzerstörung und fremdbestimmte Entwicklung in Ozeanien. Pläne zum Abbau von Mineralien am Meeresgrund und die Lizenzvergabe an Nautilus Minerals vor mehr als 10 Jahren führten in Papua-Neuguinea früh zu vielfältigen und stets anwachsenden Protesten. Negative Auswirkungen auf die Küstenökosysteme und auf die Fischgründe, die für die Ernährung der Bevölkerung unverzichtbar sind, werden befürchtet. Diesem Widerstand und dem Ruf nach einem Verbot von Tiefseebergbau schlossen sich nationale und regionale Umwelt- und Entwicklungsorganisationen genau wie Kirchen an - seit Jahren auch hier in Europa.
Tiefseebergbau - neue Bedrohung für Mensch und Natur
In den letzten 10 Jahren hat ein regelrechtes Wettrennen um die
Mineralvorkommen am Meeresgrund eingesetzt. Dutzende von
Erkundungslizenzen sind mittlerweile von pazifischen Inselstaaten an
Konzerne vergeben worden. Denn in den Ozeanen lagern am Meeresboden
große Mengen wertvoller Rohstoffe. Industrie und Politik - auch in
Deutschland - versprechen sich davon, den zukünftigen Rohstoffbedarf
für neue und alte Technologien preisgünstig zu decken. Auch wenn
international derzeit ein Regelwerk zum Abbau der Tiefseemineralien
verhandelt wird, gibt es weltweit große Bedenken, das Risiko überhaupt
einzugehen.
Dem Pazifik und insbesondere den südpazifischen Inselstaaten kommt bei diesem Wettrennen eine Schlüsselrolle zu. Ihre riesigen, exklusiven Wirtschaftszonen verfügen über wertvolle Mineralienvorkommen am Meeresgrund, auf international mühsam verhandelte Regeln muss man hier, im souveränen Gebiet der Inselstaaten, nicht warten. Ausländische InvestorInnen und Unternehmen, aber auch internationale Institutionen wie die Kommission der Europäischen Union (EU) oder die Meeresbodenbehörde der Vereinten Nationen (UN) versprechen den pazifischen Regierungen sprudelnde Einnahmen für die stets klammen Staatskassen. "Blaues Wachstum" nennt sich das Konzept, das Nachhaltigkeit und Nutzung der Meeresressourcen vereinen möchte. Tiefseebergbau aber beschädigt potenziell nachhaltige Wirtschaftszweige der pazifischen Inselstaaten wie Kleinfischerei, exportorientierte Fischwirtschaft und Tourismus und trägt so nicht zu einer nachhaltigen Entwicklung bei, sondern führt zu wirtschaftlicher Ausbeutung, Zerstörung von Lebensgrundlagen und Biodiversität.
Lokaler Protest - globale Dimension
Das Beispiel Papua-Neuguinea zeigt bereits ohne Bergbau am
Meeresgrund, dass extraktive Industrien einhergehen mit massiven
Umweltschäden, sozialen Verwerfungen, einer zunehmenden Kluft zwischen
Arm und Reich, hoher Korruption und gravierenden
Menschenrechtsverletzungen. Die negativen Erfahrungen mit Bergbau an
Land, insbesondere im Hochland, sind ein wichtiger Grund für den
vehementen Widerstand der Küstenbevölkerung gegen den geplanten Abbau
in der Tiefsee. Versprechen von Wohlstand und Fortschritt durch
extraktive Großprojekte glaubt hier kaum jemand mehr. Entwicklung,
insbesondere von außen kommend, wird zunehmend als Bedrohung
betrachtet.
Proteste in Form von Demonstrationen, gerichtlichen Klagen, Unterschriftenaktionen und politischer Lobbyarbeit führten bereits dazu, dass das kanadische Unternehmen Nautilus Minerals das geplante Abbaugebiet mehrfach verschieben musste und nun - zumindest in der Bismarcksee - vor dem Aus steht. Ein Erfolg, den sich vor allem die Alliance of Solwara Warriors (Allianz der KämpferInnen für das Meer), ein Zusammenschluss von lokalen AktivistInnen, KirchenvertreterInnen, FischerInnen und KüstenbewohnerInnen in Papua-Neuguinea mit dem Ziel, die für sie so wichtigen natürlichen Ressourcen zu schützen und Tiefseebergbau zu verhindern, auf die Fahnen schreiben können. Die Gruppe ist zu Recht stolz auf das Erreichte: Überwiegend dezentraler Protest mit kleinem Budget konnte erreichen, dass Meeresbodenbergbau als neue Industrie bereits vor dem Start als das, was es ist - als bedrohliches Experiment -, diskreditiert ist. Unterstützung und Solidarität erhalten die Solwara Warriors aus der gesamten Region, aus Australien, den USA, Kanada und Europa.
"The fight is not over" (Der Kampf ist nicht vorüber) ist ein häufiger Satz, wenn man AktivistInnen in Ozeanien dieser Tage ins Gespräch kommt. Solwara 1 in Papua-Neuguinea mag vorerst gescheitert sein, die Abbaulizenz, die das Unternehmen Nautilus Minerals unter intransparenten Voraussetzungen vom Staat erhielt, bleibt aber bestehen und droht gemeinsam mit den Maschinen an das meistbietende Unternehmen verkauft zu werden. Daher denken die Protestierenden gar nicht daran, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Ein Gegner scheint vorerst geschlagen, weitere werden kommen.
Der Widerstand hat gerade erst begonnen
Im Gegensatz zu ihrem friedlichen Image erlebt die Pazifische
Inselregion zunehmend soziale, ethnische und politische Spannungen.
Viele der Konflikte werden durch die Klimakrise und global
organisierte, rücksichtslose Ausbeutung natürlicher Ressourcen und
daraus resultierende Streitigkeiten befördert, wenn nicht erst
verursacht.
Kommerzielle Ausbeutung der Ressourcen der Tiefsee mit ihren verheerenden Folgen für KüstenbewohnerInnen droht weiterhin genau hier, im Pazifik ihren Anfang zu nehmen: Neben dem weltweit ersten kommerziellen Tiefseebergbauprojekt vor Papua-Neuguinea stehen unzählige in der gesamten Region weitere Projekte, Lizenzen und Unternehmen in den Startlöchern. Auch Deutschland hat sich bereits Lizenzen für Explorationen in pazifischen, internationalen Gewässern gesichert.
Reist man in Ozeanien umher und kommt man mit Menschen über (Tiefsee-)Bergbau, Überfischung oder die Klimakrise ins Gespräch, wird einem schnell die eigene, europäische Verantwortlichkeit und Verantwortung klar. Unmittelbare Gefahren für Ernährungssicherheit und lokale Entwicklung (nicht nur) in diesem Teil der Welt sind die Rückseite eines nach wie vor kaum gebremsten Ressourcenverbrauchs in den Industriestaaten.
Mit dieser Ungerechtigkeit finden sich die Alliance of Solwara Warriors nicht ab, und mit ihnen viele Gemeinden, Nichtregierungsorganisationen und Kirchen entlang der Bismarck-See in Papua-Neuguinea und im gesamten Pazifik. Von ihrem lauten Widerstand und kreativen Kampagnen ist es abhängig, ob es neben dem Solwara 1-Projekt und dem damit beschleunigten Einstieg in den Meeresbodenbergbau gelingt, Tiefseebergbau im gesamten Pazifik zu stoppen. Hierfür brauchen unsere PartnerInnen internationale Unterstützung vor allem aus den Ländern, aus denen das Kapital, die Technologien und der überhöhte Ressourcenverbrauch kommen und ohne die Tiefseebergbau nicht kurz davor wäre, bedrohliche Realität zu werden.
Autor Jan Pingel ist Koordinator des Ozeanien-Dialogs, er reiste
im März 2019 nach Ozeanien und traf sich mit lokalen AktivistInnen
gegen Tiefseebergbau.
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Quelle:
Rundbrief 2/2019, Seite 36 - 37
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2019
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