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NAHOST/004: Syrien - Studie sieht Zusammenhang zwischen Klimawandel und Konflikt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. März 2015

Syrien: Klimawandel und Konflikt - Studie sieht Zusammenhang

von Thalif Deen


Bild: © Caterina Donattini/IPS

Agrarbetrieb in einem syrischen Dürregebiet
Bild: © Caterina Donattini/IPS

New York, 4. März (IPS) - Wurde der seit vier Jahren andauernde Bürgerkrieg in Syrien, in dessen Verlauf bereits mehr als 200.000 Menschen ihr Leben verloren haben, zumindest teilweise durch den Klimawandel ausgelöst? Eine neue Studie des 'Lamont-Doherty Earth Observatory' der Columbia Universität in New York stützt diese These.

"Die Rekorddürre, die Syrien im Zeitraum 2006 bis 2010 heimsuchte, steht wahrscheinlich mit dem vom Menschen verursachten Klimawandel in einem Zusammenhang. Sie könnte einer der Auslöser für den Volksaufstand 2011 gewesen sein", heißt es in der Untersuchung.

Die bislang schlimmste Dürre in der Region hat die Landwirtschaft im ehemals fruchtbaren Norden Syriens zerstört. Mittellose Bauern wurden in die Städte getrieben, wo Armut, Missmanagement der Regierung und weitere Faktoren zu dem Aufstand im Frühjahr 2011 führten.


Agrarsektor eines der ersten Opfer der Klimakatastrophe

"Wir sagen nicht, dass die Dürre der eigentliche Auslöser des Konflikts war. Sie hat jedoch gewissermaßen das Fass zum Überlaufen gebracht", meint Richard Seager, ein Klimaforscher am 'Lamont-Doherty Earth Observatory' und Mitautor der Untersuchung.

Wie Doreen Stabinsky, Ökologieprofessorin am 'College of the Atlantic' im US-Bundesstaat Maine, erklärt, ist der Syrienkrieg zu komplex, um sich allein mit der Dürre und dem Zusammenbruch der Landwirtschaft erklären zu lassen. "Doch wir wissen, dass die landwirtschaftliche Produktion eines der ersten Opfer der sich derzeit vollziehenden Klimakatastrophe ist."

Der Klimawandel sei keine ferne Bedrohung, die sich erst im Jahr 2050 oder 2100 manifestieren werde, sagt Stabinsky, die zurzeit Gastprofessorin an der Universität im schwedischen Uppsala ist. Die verheerenden Auswirkungen auf die Menschen, die von der Landwirtschaft lebten, seien bereits jetzt spürbar. In der nahen Zukunft werde die weitere Entwicklung zu Massenwanderungsbewegungen innerhalb und jenseits bestimmter Staaten führen. Die Kosten für Mensch, Umwelt und Wirtschaft seien beträchtlich.

Laut der neuen Untersuchung belegen immer mehr Forschungsergebnisse, dass extreme Wetterphänomene wie steigende Temperaturen und Dürren die Wahrscheinlichkeit von Gewaltausbrüchen, von einzelnen Angriffen bis hin zu Kriegen, erhöhen.

Der Klimawandel habe dazu beigetragen, dass militärische Konflikte im so genannten 'fruchtbaren Halbmond' eskaliert seien, heißt es in dem Report. Diese Region umfasst das Gebiet der Türkei und einen Großteil von Syrien und dem Irak, wo seit etwa 12.000 Jahren Ackerbau und Viehzucht betrieben werden.

Auch in der Vergangenheit waren dort bereits Klimaverschiebungen zu beobachten. Seit 1900 haben sich der Studie zufolge die Temperaturen im 'fruchtbaren Halbmond' um ein bis 1,2 Grad Celsius erhöht. Die Niederschläge in der Regenzeit sind um etwa zehn Prozent zurückgegangen. "Dieser Trend deckt sich beinahe mit den Schemata der vom Menschen beeinflussten globalen Erwärmung und kann nicht natürlichen Schwankungen zugeschrieben wenden", so der Bericht.

Die globale Erderwärmung hat demnach zwei Auswirkungen. Zum einen schwächt sie indirekt die Winde ab, die feuchte Luft aus dem Mittelmeerraum mit sich führen. Die Niederschläge in der gewohnten Regenzeit von November bis April fallen dadurch geringer aus. Zweitens verstärkt der Temperaturanstieg die Verdunstung von Wasser im Erdreich während der heißen Sommer.

Dürren wurden in der Region in den 1950er, 1980er und 1990er Jahren beobachtet. Die extreme Trockenperiode von 2006 bis 2010 war bisher die schwerste und längste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Forscher schließen daraus, dass es ohne langfristige Klimaveränderungen nicht zu einer Dürre dieses Ausmaßes gekommen wäre.


Dürren im 'fruchtbaren Halbmond' nehmen zu

Andere Wissenschaftler haben unter anderem in Rahmen einer früheren Studie der US-Ozeanbehörde im gesamten Mittelmeerraum eine Tendenz zu langen Dürreperioden festgestellt und zumindest teilweise auf menschliches Handeln zurückgeführt. Der Weltklimarat sagt voraus, dass im ohnehin schon von Gewalt durchzogenen Mittleren Osten die Trockenheit in den kommenden Jahrzehnten weiter zunehmen wird.

Syrien ist laut der neuen Studie auch wegen des extrem hohen Bevölkerungswachstums gefährdet. Die Einwohnerzahl ist von vier Millionen in den 1950er Jahren auf 22 Millionen in der jüngeren Vergangenheit gestiegen. Der über das Land herrschende Clan von Präsident Baschar al Assad förderte zudem den Export von Agrarprodukten wie Baumwolle, deren Anbau besonders viel Wasser erfordert.

Illegale Brunnen hätten außerdem das Grundwasser in Syrien erschöpft, das in trockenen Jahren als Reserve verwendet worden sei, sagt Ko-Autor Shahrzad Mohtadi von der 'School of International and Public Affairs' (SIPA) der Columbia-Universität.

Infolge der Dürre sind die Agrarerträge, die früher ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts ausmachten, laut der Studie um ein Drittel gesunken. Im besonders hart getroffenen Norden wurden Viehherden praktisch ausgelöscht. Die Getreidepreise haben sich verdoppelt und die ernährungsbedingten Erkrankungen bei Kindern enorm zugenommen.

Etwa 1,5 Millionen Menschen sind aus ländlichen Gebieten in die Städte geflohen, die bereits durch den Flüchtlingszustrom aus den Kriegsgebieten im benachbarten Irak unter hohem Druck standen. Das Assad-Regime hat angesichts dieser schwierigen Lage kaum Arbeitsplätze und andere Hilfen anbieten können. In den überfüllten Stadtvierteln gärte die Unzufriedenheit, die sich schließlich in dem Volksaufstand entlud. (Ende/IPS/ck/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/03/syrian-conflict-has-underlying-links-to-climate-change-says-study/

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IPS-Tagesdienst vom 4. März 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2015

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