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MEER/293: Verschollen auf hoher See - Fern der Küste lebt Thioglobus perditus aus ihrem Vorratspack (idw)


Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie - 30.04.2018

Verschollen auf hoher See:

Fern der Küste lebt Thioglobus perditus aus ihrem Vorratspack


SUP05-Bakterien leben an Orten, an denen es für sie eigentlich keine Lebensgrundlage gibt. Bremer Forscher haben nun herausgefunden, dass sie dort sogar recht aktiv sind - mit möglichen weitreichenden Folgen für den weltweiten Stickstoffkreislauf. Die Bakterien reisen nämlich mit einem "Vorratspack". Zudem entzifferten die Forscher das Genom der Bakterien. Die Ergebnisse erscheinen nun im Fachmagazin Nature Communications.


Foto: © Gaute Lavik, MPIMM

Blick vom Forschungsschiff auf die Paracas-Halbinsel. Hier liegt die Ursprungsregion der Wasserwirbel, die Thioglobus perditus auf den Ozean hinausspülen.
Foto: © Gaute Lavik, MPIMM

Der Bakterienstamm SUP05 gibt Forschern einige Rätsel auf. Wieso etwa finden sich diese Mikroben im offenen Ozean, obwohl es für sie dort keine Lebensgrundlage gibt? Denn SUP05-Bakterien nutzen zur Energiegewinnung die Schwefelverbindung Sulfid, und das findet sich meist nur nahe den Küsten. Eine Forschergruppe um Marcel Kuypers vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen hat nun in Zusammenarbeit mit dem Sonderforschungsbereich 754 des GEOMAR und er Universität Kiel einige Antworten gefunden: Auf einer Ausfahrt mit dem Forschungsschiff Meteor entdeckten die Forscher im Meer vor Peru einen Vertreter dieses Bakterienstammes, der seinen eigenen Vorrat an Schwefel mit sich trägt.


Foto: © Anna Reichel, GEOMAR

Ausbringen eines Gleiters vor der Küste von Peru.
Foto: © Anna Reichel, GEOMAR

Außerdem gelang es den Forschern, das komplette Genom des Bakteriums zu entschlüsseln. Die Mikrobe hat quasi einen Personalausweis ausgestellt bekommen. Name: Thioglobus perditus, sinngemäß die auf See "verschollene Schwefelkugel". "Anhand des Genoms entwickelten wir dann eine Gensonde, mit deren Hilfe wir diese Mikrobe nun jederzeit genau identifizieren können", erklärt Cameron Callbeck, Erstautor der Studie, der mittlerweile vom Bremer MPI an die Schweizer Eawag gewechselt ist.

Thioglobus perditus wandelt Sulfid zu Sulfat um und gewinnt aus dieser chemischen Umwandlung die Energie zum Leben. So ist der Einzeller weltweit in küstennahen Auftriebsgebieten verbreitet, wo Wasserwirbel Wolken von Sulfid und episodisch auch elementarem Schwefel aus tieferen Meeresschichten emporspülen. Dort leistet Thioglobus perditus mit seinem Stoffwechsel ökologisch wichtige Dienste. Denn im Zuge der Reaktion wird nicht nur das für andere Organismen giftige Sulfid, sondern auch Kohlendioxid und Nitrat gebunden.

Nun haben die Bremer Forscher entdeckt, dass das Bakterium nicht nur küstennah aktiv ist. Immer wieder wurden SUP05-Bakterien auch weiter draußen gefunden, in Wasser ohne gelöstes Sulfid. Wie aber kann der Organismus unter für ihn unwirtlichen Bedingungen existieren? "Niemand wusste - was machen sie da? Sind sie überhaupt aktiv?", erläutert Gaute Lavik vom Bremer Max-Planck-Institut, Fahrtleiter der Meteor-Reise. Mit einem Nano-Sekundärionen-Massenspektrometer, kurz NanoSIMS, haben die Forscher erstmals Messungen an einzelnen Bakterienzellen von Thioglobus perditus vorgenommen. So haben sie Einblicke in die physikalischen und biochemischen Vorgänge darin gewonnen. Das Bakterium scheint eine Art Vorratspack an elementarem Schwefel mit sich zu führen - und es besitzt die nötige Genausstattung, um auch diesen elementaren Schwefel umzusetzen. Wenn die Strömungen Thioglobus perditus von der Küste aufs offene Meer treiben, zehrt die Mikrobe vermutlich von besagtem Vorratspack. Verschwindet der Schwefel aus dem Wasser, verschwindet auch das Bakterium.

"Offensichtlich ermöglicht die Vorratshaltung den Zellen von Thioglobus perditus, auch fernab der sulfidischen Küstengewässer aktiv zu sein, zumindest für eine begrenzte Zeit", so Mitautor Tim Ferdelman vom Bremer Max-Planck-Institut. "Das macht sie nicht zuletzt zu interessanten Akteuren im weltweiten Kreislauf von Kohlenstoff und Stickstoff, die wiederum das Klima maßgeblich beeinflussen."

Um dies besser zu quantifizieren, muss bekannt sein, welche Menge der besagten Stoffe in welchen chemischen Prozessen genau umgesetzt wird. "Im Rahmen der aktuellen Studien haben wir zum ersten Mal bestimmt, wie schnell die SUP05-Bakterien Kohlendioxid aufnehmen und dadurch wachsen", so Mitautor Tim Ferdelman.

Beteiligte Institute:
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
Institute für Allgemeine Mikrobiologie, Universität Kiel

Die Studie entstand im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB 754 "Klima-Biogeochemische Wechselwirkungen im tropischen Ozean", ein Kooperationsprojekt der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und des GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

The Collaborative Research Centre 754 (SFB 754) "Climate-Biogeochemistry Interactions in the Tropical Ocean" is funded by the German Research Foundation (DFG) since 2008. This project involves scientists from the Christian-Albrechts University Kiel (CAU), GEOMAR Helmholtz Center for Ocean Research Kiel and the Max-Planck-Institute Bremen.

Originalveröffentlichung:
Cameron Callbeck, Gaute Lavik, Timothy G. Ferdelman, Bernhard Fuchs, Harald R. Gruber-Vodicka, Philipp F. Hach, Sten Littmann, Niels S. Schoffelen, Tim Kalvelage, Soren Thomsen, Harald Schnuck, Carolin Löscher, Ruth A. Schmitz, Marcel M. M. Kuypers: Oxygen minimum zone "cryptic sulfur cycling" sustained by offshore transport of key sulfur oxidizing bacteria. Nature Communications

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.mpi-bremen.de

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder unter:
http://idw-online.de/de/news693447
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution536

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie,
Dr. Fanni Aspetsberger, 30.04.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2018

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