Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → INTERNATIONALES


LATEINAMERIKA/214: Brasilien - Goldsuche verseucht Flüsse, Böden und Lebensmittel (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Brasilien
Goldsuche verseucht Flüsse, Böden und Lebensmittel

Von Martha Raquel


100% der am Rio Tapajós im Bundesstaat Pará lebenden Indigenen sind laut einer Studie der Fundação Oswaldo Cruz mit Quecksilber verseucht.

(São Paulo, 30. März 2021, Brasil de Fato) - Die illegale Goldsuche im Amazonasgebiet vergiftet Böden und Wasser mit Quecksilber, das für die Gewinnung von Gold eingesetzt wird. Das Schwermetall kann zur Missbildung von Föten führen, Blindheit verursachen und Menschen töten. Trinkwasser, Obst und Gemüse werden mit Quecksilber belastet. Dies ist die Realität des indigenen Volkes der Munduruku, die am Rio Tapajós im brasilianischen Bundesstaat Pará leben. Einer kürzlich veröffentlichten Studie der Fundação Oswaldo Cruz zufolge sind 100 Prozent der Indigenen mit Quecksilber verseucht. Die Belastung wird in Haarproben nachgewiesen. Da es sich um ein hochgiftiges Schwermetall handelt, sind die Schäden, die durch eine Quecksilberkontamination verursacht werden, meist schwerwiegend und dauerhaft.


Vergiftungen interessieren den Staat nicht sonderlich

Die indigene Bevölkerung des Gebietes am mittleren Tapajós-Fluss, zwischen den Pará-Gemeinden Itaituba und Trairão, leidet seit mehr als 70 Jahren unter der Goldsuche. Mit den schwerwiegenden Folgen für Gesundheit und Umwelt stehen sie weitestgehend alleine da. In den offiziellen brasilianischen Statistiken spielen die Daten zur Umweltbelastung nur eine untergeordnete Rolle, dasselbe gilt für den Gesundheitszustand der Menschen. "Über Quecksilberintoxikationen wird nur am Rande berichtet. Dabei haben wir allein bei Fiocruz 500 Fälle von vergifteten Indigenen, die in den offiziellen Statistiken überhaupt nicht erscheinen", so Paulo Basta, Koordinator der Stiftungsuntersuchung. Nicht allein die Munduruku seien betroffen, sondern auch die Yanomami und die Ye'keuna. Symptome einer Quecksilber-Vergiftung sind Fieber, Zittern, allergische Haut- und Augenreaktionen, Schläfrigkeit, Muskelschwäche, Gedächtnisverlust sowie Funktionsstörungen von Nieren, Leber und Lunge. Wer wie die Menschen im Amazonasgebiet dem Schwermetall über einen langen Zeitraum ausgesetzt ist, entwickelt schwerere Symptome wie Taubheit in Armen, Händen, Beinen und Füßen, Störungen im zentralen Nervensystem oder Beeinträchtigung der Sehkraft. Bei schwangeren Frauen kann Quecksilber die Entwicklung des Fötus verzögern.


Militärdiktatur trieb den Bergbau voran

Die Anfänge der illegalen Goldsuche gehen zurück auf die Kolonialzeit. Francisco Kelvim, Koordinator der Initiative Movimento dos Atingidos por Barragens gegen den Bau von Staudämmen erklärt, mit der Goldsuche seien die ersten Siedlungskerne entstanden und in der Folge die ersten Grenzen von Brasilien abgesteckt worden. Anschließend konsolidierten sich die Bundesstaaten Rondônia, Amapá und Roraima. Während der Regierung Getúlio Vargas begannen transnationale Unternehmen, in der Branche tätig zu werden und die Grundlagen für den Bergbau im Amazonasgebiet zu schaffen. Den Anfang machte 1945 die Ausbeutung der Mangan-Vorkommen in Amapá. Mit der Militärdiktatur (1964 - 1985) intensivierte sich der Bergbau und dehnte sich auf andere Mineralien aus, nun spielten auch Gold, Diamanten und Aluminium eine wichtige Rolle. Durch die Ausschöpfung der Vorkommen und die Diversifizierung der brasilianischen Wirtschaft endete die Goldsuche im großen Stil weitgehend und beschränkte sich nur noch auf wenige Gebiete.


Präsident Bolsonaro hat das Rad zurückgedreht

Zu Beginn der Amtszeit von Präsident Lula (2003) erhielt die Goldsuche keine Förderung mehr. Per Gesetz wurde die illegale Goldgewinnung auf indigenem Gebiet verboten und stärker auf die Abgrenzung indigener Gebiete im Amazonasraum und der Schaffung von Naturschutzgebieten fokussiert. Der Staat ging in zunehmendem Maße gegen Abholzung, Brandrodungen, illegalen Bergbau und Sklavenarbeit vor. Mit der Regierung Bolsonaro habe die Unterstützung für die Umsetzung der Umweltvorschriften jedoch spürbar abgenommen, erklärt Kelvim. Die Regierung des rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro sende deutliche Anreize in Richtung Minenproduktion. "Es geht nicht nur um Anreize. Mit der Freigabe indigener Territorien im Amazonasgebiet für den Bergbau, und zwar insbesondere für die Goldgewinnung würde Bolsonaro eines seiner Wahlversprechen einlösen."


URL des Artikels:
https://www.npla.de/thema/umwelt-wirtschaft/goldsuche-verseucht-fluesse-boeden-und-lebensmittel/


Der Text ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/

*

Quelle:
poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen
Herausgeber: Nachrichtenpool Lateinamerika e.V.
Köpenicker Straße 187/188, 10997 Berlin
Telefon: 030/789 913 61
E-Mail: poonal@npla.de
Internet: http://www.npla.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2021

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang