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LANDWIRTSCHAFT/111: Bäuerliche Rechte - Widersprüche zwischen Saatgutvertrag und Sortenschutz (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2016

Umsetzung bäuerlicher Rechte
Widersprüche zwischen Saatgutvertrag und Sortenschutz

von Susanne Gura


Bei einem öffentlichen Symposium sollen am 26. Oktober 2016 in Genf die seit Langem angeprangerten Widersprüche zwischen dem Saatgutvertrag der UN-Welternährungsorganisation (FAO) und dem Sortenschutzabkommen des Internationalen Verbands zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) thematisiert werden. Damit antwortet UPOV endlich auf die Einladung der Saatgutvertragsstaaten, "mit UPOV und der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) gemeinsam mögliche Zusammenhänge zu identifizieren". WIPO wird bislang allerdings in das Symposium nicht einbezogen. In einer neuen Studie [1] der Erklärung von Bern und Third World Network werden die Widersprüche zwischen WIPO, UPOV und dem Saatgutvertrag systematisch aufgezeigt.

Das UPOV-Abkommen erlaubt, seit den 1960er Jahren auf Pflanzenzüchtungen ein geistiges Eigentumsrecht ähnlich eines Patents zu beanspruchen. Während anfangs nur wenige Industrieländer Mitglied waren, sind unter den inzwischen 74 Mitgliedern immer mehr Entwicklungsländer. 1991 wurde UPOV verschärft und schränkt nun die bäuerlichen Rechte, z. B. das Recht, Samen aus eigener Ernte als Saatgut zu nutzen, zu tauschen oder zu verkaufen, weiter erheblich ein. Saatgut ist eine wichtige Einkommensquelle für bäuerliche Familien, so dass Einschränkungen des Haushaltseinkommens auch das Recht auf Nahrung und andere Menschenrechte betreffen. Die bäuerlichen Rechte beinhalten noch weit mehr und sind in der Präambel und in Artikel 9 des Saatgutvertrags niedergelegt.

Dabei gibt es Alternativen zu UPOV 91

Um das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums der Welthandelsorganisation (im Folgenden: TRIPS-Abkommen der WTO) zu erfüllen, sind sowohl Patente als auch andere - so genannte "sui generis" - Gesetzesregelungen über geistiges Eigentum an Pflanzen möglich. Das Sortenschutzrecht ist ein solches "sui generis"-System. Es gibt in einer Reihe von Ländern Gesetzgebungen, welche sich von UPOV 91 in wesentlichen Punkten unterscheiden. Um darüber einen Überblick bereitzustellen und weitere Möglichkeiten vorzustellen, hat APBREBES (Association for Plant Breeding for the Benefit of Society - Vereinigung für Pflanzenzüchtung zum Nutzen der Gesellschaft), die einzige zivilgesellschaftliche Organisation mit Beobachterstatus bei UPOV, kürzlich ein Handbuch über WTO-kompatible Alternativen zu UPOV 91 veröffentlicht.[2] Zudem sind die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs - Least Developed Countries) per Moratorium bis vorerst 2021 generell von der Verpflichtung, geistige Eigentumsrechte zu etablieren, befreit. Dennoch sind mehrere LDCs bereits UPOV-Mitglieder. Die Frage der bäuerlichen Rechte ist daher drängend.

UPOV behindert die Erfüllung der Verpflichtungen von Artikel 9 des Saatgutvertrags

UPOV 91 behindert die bäuerlichen Rechte, Saatgut "zurückzubehalten, zu nutzen, auszutauschen und zu verkaufen". Bei geschützten Sorten dürfen LandwirtInnen Nachbau-Saatgut allein für den eigenen Anbau nutzen, aber nur bei bestimmten Anbaufrüchten, und selbst dann dürfen "zur Wahrung der berechtigten Interessen des Züchters" Nachbaugebühren erhoben werden. Dieses im Artikel 15 (2) des UPOV 91 festgelegte sogenannte Landwirteprivileg ist fakultativ; jedes Land kann selbst entscheiden, ob es dieses für bestimmte Kulturarten einräumt.

In Philippinen, Peru und Kenia ergab eine Untersuchung der menschenrechtlichen Auswirkungen, dass Saatgut durch UPOV 91-Regelungen entweder teurer oder der Zugang zu Saatgut schwieriger werden würde. Auch das informelle Saatgutsystem wäre betroffen, wenn positive Beziehungen zwischen formellen und informellen Systemen durch UPOV gekappt würden.

UPOV behindert auch die Erfüllung der Verpflichtungen von Vertragsstaaten zum gerechten Vorteilsausgleich im Saatgut-Vertrag und im Nagoya-Protokoll der Biodiversitäts-Konvention sowie in der UNErklärung über die Rechte Indigener Völker. UPOV vertritt nämlich die Position, dass Herkunftsangaben für die genetischen Ressourcen mit dem UPOV-Abkommen inkompatibel sind. Doch diese Herkunftsangaben sind ein wesentliches Mittel, um Biopiraterie zu verhindern oder aufzudecken. Artikel 5 (2) des UPOV 91 bestimmt jedoch, dass neben Neuheit, Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit keine weiteren Voraussetzungen für den Sortenschutz gelten dürfen. Außerdem gibt es bei UPOV keinerlei Mechanismen, die unrechtmäßige Aneignung vermeiden oder einen Vorteilsausgleich ermöglichen könnten.

UPOVs Instrumente und Aktivitäten tragen nicht dazu bei, den "außerordentlich großen Beitrag" anzuerkennen, "den die ortsansässigen und eingeborenen Gemeinschaften und Bauern aller Regionen der Welt, insbesondere in den Ursprungszentren und Zentren der Kulturpflanzenvielfalt, zur Erhaltung und Entwicklung pflanzengenetischer Ressourcen, welche die Grundlage der Nahrungsmittel-und Agrarproduktion in der ganzen Welt darstellen, geleistet haben und weiterhin leisten", wie es Artikel 9.1 des Saatgutvertrags vorsieht. UPOV schützt die Rechte kommerzieller ZüchterInnen, aber schadet den Interessen von bäuerlichen, lokalen und indigenen Gemeinschaften. UPOV schützt auch nicht das traditionelle Wissen über pflanzengenetische Ressourcen. Im Gegenteil, die Beschränkungen des Nachbaues, des Tauschens und Verkaufens von geschützten Sorten der bäuerlichen Rechte können der Pflege und der Weitergabe des traditionellen Wissens schaden. Darüber hinaus nahm UPOV an einigen nationalen und regionalen Prozessen (wie zum Beispiel beim Beitritt der Afrikanischen Regionalen Organisationen über Geistiges Eigentum ARIPO (African Region Intellectual Property Organization) und OAPI (Organisation Africaine de la Propriété Intellectuelle) teil, bei denen die bäuerlichen Rechte auf Teilhabe an Entscheidungen über Erhaltung und nachhaltige Nutzung von pflanzengenetischen Ressourcen einfach ignoriert wurden.

Verflechtungen mit der Weltorganisation für geistiges Eigentum

Eine Umsetzung des Artikel 9 des Saatgutvertrags durch die dafür verantwortlichen nationalen Regierungen wird durch den UPOVBeitritt erschwert. Immer mehr Entwicklungsländer werden aber zum UPOV-Beitritt gedrängt, oft als Bedingung in Freihandelsabkommen. Auch für manche Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit aus Japan, den USA oder der Europäischen Union ist der UPOV-Beitritt Kondition. Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO - Word Intellectual Property Organization) drängt überdies mit technischer Hilfe Entwicklungsländer zum UPOVBeitritt. Zum Druck hinzu kommen einseitige Informationen über den Nutzen des UPOV-Systems, so dass die Entscheidungsträger im betroffenen Land oft falsche Vorstellungen von den Folgen eines UPOV-Beitritts haben. Über bäuerliche Rechte, den Saatgutvertrag, die Bedeutung informeller Saatgutsysteme oder alternative "Sui generis"-Sortenschutzgesetze wird in der Regel nicht informiert. Die WIPO ist Gastgeber des UPOV-Sekretariats in Genf, und der WIPO-Generaldirektor Francis Gurry ist auch Generalsekretär von UPOV. Da liegt es nahe, dass die WIPO den UPOV-Sortenschutz fördert und Spielräume, die das TRIPS-Abkommen bietet, nicht propagiert.

Ähnlich wie UPOV muss auch WIPO dahingehend überprüft werden, ob ihre Instrumente und Aktivitäten das im Saatgutvertrag Artikel 9.2 (b) etablierte Recht auf gerechte Teilhabe an den Vorteilen, die sich aus der Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft ergeben, berücksichtigt. Und auch das im Artikel 9.2 (c) etablierte bäuerliche Recht auf Mitwirkung an Entscheidungen auf nationaler Ebene scheint WIPO bei ihren Aktivitäten auf nationaler und regionaler Ebene wenig umzusetzen.

Auch bei Patentgesetzen scheint WIPO bei der technischen Hilfe zur Etablierung von geistigen Eigentumsrechten einseitig vorzugehen. Das TRIPS-Abkommen gestattet, Pflanzen von der Patentierbarkeit auszunehmen. Viele WTO-Mitglieder nehmen jedoch nur Pflanzensorten von der Patentierbarkeit aus und gestatten Patente auf Eigenschaften oder Gene von Pflanzen. Als erstes wäre mehr Transparenz über WIPOs technische Hilfe nötig. Des Weiteren sollten die Auswirkungen dieser technischen Hilfe auf die bäuerlichen Rechte und auf die Ziele des Saatgutvertrags untersucht werden.

Die Unterzeichnerstaaten des Saatgutvertrags hatten 2013 nach langem Ringen in der Resolution 8/2013 beschlossen, u. a. mögliche Bereiche der Zusammenhänge zwischen UPOV, WIPO und dem Saatgutvertrag zu identifizieren, wie es diplomatisch lautete. Im Vorfeld hatte die Zivilgesellschaft eine unabhängige wissenschaftliche Kommission gefordert, die die Implementierung der bäuerlichen Rechte durch UPOV und WIPO untersucht. Dazu wird es vorerst nicht kommen, sondern nur zum öffentlichen Symposium am 26. Oktober 2016 in Genf, bislang ohne Beteiligung von WIPO.

Die neue Studie über die Zusammenhänge zwischen UPOV, WIPO und dem Saatgutvertrag diskutiert systematisch jeden Teil des Artikel 9. Das ist eine sinnvolle neue Herangehensweise. Die Ergebnisse kongruieren mit lange Bekanntem und unterstreichen den dringenden Bedarf, die Situation endlich zu ändern. Ein wichtiger Anfang hierzu ist, dass es mit dem FAO-Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft ("Saatgutvertrag") seit 2001 endlich ein Instrument gibt, das bäuerliche Rechte definiert. Deren nationale Umsetzung darf nicht durch Beitritte zu UPOV 91 verhindert werden.

Die Autorin ist Koordinatorin von APBREBES, einem internationalen Netzwerk von zivilgesellschaftlichen Organisationen.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NROs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.


1 Sangeeta Shashikant/François Meienberg (2015): International Contradictions on Farmers' Rights: The Interrelations between the International Treaty, its Article 9 on Farmers´ Rights, and Relevant Instruments of UPOV and WIPO. Third World Network and Berne Declaration.
http://www.apbrebes.org/news/newpublication-international-contradictionsfarmers-rights.

2 Carlos M. Correa mit Sangeeta Shashikant/François Meienberg (2015): Plant Variety Protection for Developing Countries. A Tool to Design a Sui Generis Plant Variety Protection System: An Alternative to UPOV 1991. APBREBES and Berne Declaration, Development Fund, SEARICE, Third World Network.
http://www.apbrebes.org/news/newpublication-plant-variety-protectiondeveloping-countries-tool-designing-suigeneris-plant.

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Quelle:
Rundbrief 2/2016, Seite 37-38
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
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Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2016

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