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LANDWIRTSCHAFT/019: Klima-smarte Landwirtschaft nützt weder Klima noch Landwirtschaft (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2012
Landwirtschaft - Da ist der Wurm drin?!

SCHWERPUNKT
Mogelpackung
Klima-smarte Landwirtschaft nützt weder dem Klima noch der Landwirtschaft

von Uwe Hoering



Nicht weniger als einen »dreifachen Gewinn« versprechen Institutionen wie Weltbank und FAO mit der »Klima-smarten Landwirtschaft«: für die Bauern, die Ernährungssicherheit und für das Klima. Doch der Vorstoß spielt vor allem der Agrarindustrie in die Hände.

»Ohne Landwirtschaft kein Abkommen« verkündete Tina Joemat-Pettersen, Südafrikas Agrarministerin kategorisch während der Klimaverhandlungen im Dezember vergangenen Jahres in Durban. Und sie war nicht allein: Bei einer Veranstaltung, der Weltbank, machten sich der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan, Jacob Zuma, Präsident des Gastgeber-Landes, und Äthiopiens Präsident Meles Zenawi stark für eine »Klima-smarte Landwirtschaft«: In Durban sollten die Vereinten Nationen ein entsprechendes Abkommen auf den Weg bringen.

Klima und Landwirtschaft - das scheint Sinn zu machen. Landwirtschaft gilt gleichermaßen als Opfer von Klimawandel wie als wesentliche Ursache. Allerdings sind sich Experten noch in vielen Fragen über die konkreten Zusammenhänge uneins: Etwa über das Ausmaß dieses Beitrags, verglichen mit fossilen Energieträgern, oder darüber, ob es nicht genau genommen die industrielle Landwirtschaft ist, die die Klimasünderin ist, während die nachhaltige, bäuerliche Landwirtschaft eher einen Ausweg verspricht.

Weitgehend unstrittig hingegen ist, dass eine Anpassung an den Klimawandel, der - man erinnere sich - wesentlich durch die CO2-Emissionen der Industrieländer verursacht ist, erfolgen muss. Wetterschwankungen, Trockenheit und Überflutung verlangen der Landwirtschaft größere Flexibilität und »Resiliance«, Widerstandsfähigkeit, ab. Doch diese Adaptation, ihre Anpassungsfähigkeit, ist nur ein Aspekt der Klima-smarten Landwirtschaft - und wenn man sich die Diskussion anschaut, bekommt man sogar den Eindruck, dass es sich um ein nachgeordnetes Anliegen handelt, auch, wenn es dabei um das Überleben von Millionen bäuerlichen Familienbetrieben geht. Den Klima-smarten Anwälten geht es hingegen eher um das Wohlergehen von Millionären.


Ein smartes Geschäftsmodell

Beispiel pfluglose Landwirtschaft: Die Theorie sagt, dass sie den Beitrag der Landwirtschaft zum Klimawandel verringern könne, indem sie verhindert, dass CO2-Emissionen aus dem Boden freigesetzt werden. Damit wäre sie berechtigt, Emissionsguthaben zu erwerben und am Emissionshandel teilzunehmen. Bislang sind es allerdings vor allem großflächige kommerzielle Betriebe in Südamerika, die diese Methode anwenden. Und statt des Pflugs setzen sie Herbizide zur Unkrautvernichtung ein, sehr zur Freude von Monsanto und anderen Agrargift-Händlern, die denn auch zu den eifrigsten Befürwortern dieser sogenannten Conservation Agriculture und ihrer Anerkennung als »Klimasmart« gehören. Den Teufel Klimawandel mit dem Beelzebub Agrargifte austreiben, und damit auch noch das Geschäft ankurbeln für Agrarindustrie und Konzerne eine wahrhaft smarte Lösung.

Mit Wäldern lassen sich bereits Emissionsguthaben erwerben. Der Verzicht auf eine Abholzung von Naturwäldern verhindert Emissionen, Aufforstung bindet Treibhausgase aus der Atmosphäre. Das UN-Waldschutzprogramm REDD+ (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation) betrachtet daher Wälder als CO2-Senken und regelt, wie mit ihnen Emissionszertifikate erworben werden können, mit denen Unternehmen in Industrieländern beispielsweise ihre Klimabilanz verbessern können. Emissionsguthaben können auch durch Aufforstung mit schnell wachsenden Baumarten erworben werden und die Bäume dann nach einigen Jahren an die Papierindustrie verscherbelt werden. »Durch dieses Schema werden Menschen aus den Wäldern vertrieben«, erklärt Winnie Overbeek von der World Rainforest Movement, »wir sagen daher ganz klar 'Nein' zu REDD+«. Ein Beispiel sind Baumplantagen der New Forests Company in Uganda, durch die über 20.000 Menschen vertrieben wurden.

Anders ist die Situation vorerst noch für Böden, sprich: für landwirtschaftlich genutzte Flächen. Ihre Funktion als Senken muss erst von den zuständigen Gremien der UN-Klimarahmenkonvention anerkannt werden. Mit der mehr oder minder vagen Aussicht, Klimaemissionen zu verringern oder Treibhausgase zu speichern, würde nach der Forst- dann auch die Landwirtschaft in den Emissionshandel einbezogen - und damit attraktiver gemacht für Investoren. Über Agrarproduktion und Bodenspekulation hinaus könnten sie damit ein Zubrot verdienen, ihre Einnahmen diversifizieren und die wirtschaftlichen Risiken verteilen.


»Window dressing« - die bäuerliche Landwirtschaft als Schaufensterpuppe

Zynischerweise wird die Klimasmarte Landwirtschaft allerdings von so bewährten Armutsbekämpfern wie der Weltbank als Förderung bäuerlicher Landwirtschaft verkauft. Dafür hat sie beispielsweise das Kenya Biocarbon Project gestartet, bei dem Tausende Bauern Maßnahmen gegen die Bodenerosion durchführen und degradierte Böden verbessern, um so mehr Kohlenstoff zu speichern. Dieses Projekt, das bis zu eine Million US Dollar kostet, soll höhere Produktivität und bessere Anpassung an den Klimawandel bringen. Soweit, so sinnvoll, werden doch organische Anbaumethoden wie Bodenbedeckende Anbaufrüchte, Gründüngung und Agroforstwirtschaft, die bislang bei der Weltbank als unproduktiv galten, gewürdigt. Allerdings soll das Projekt vor allem für die Idee der Emissionsminderung werben.

Ist der positive Beitrag zum Klimaschutz (Mitigation) schon fragwürdig, so ist er für die Bauern erst recht zweifelhaft. Die nichtstaatliche Entwicklungsorganisation IATP stellte fest, dass sich die Sache nämlich nicht rechnet. Danach würde das zusätzliche Einkommen durch Emissionsminderung über eine 20jährige Laufzeit bei etwa einem US-Dollar pro Bauern und Jahr liegen. Projekte wie beispielsweise in Kenia funktionieren nur mit Entwicklungsgeldern.

Die bekannte kenianische Aufforstungskampagne Green Belt Movement hat bereits Erfahrung mit dem Konzept. Mitte des vergangenen Jahrzehnts ließ sie sich anwerben für ein Pilotprojekt der Weltbank, wie durch Aufforstung Emissionen vermindert werden könnten. Die ländliche Bevölkerung sollte auf Brachland Bäume pflanzen und damit hunderttausende Tonnen CO2 versenken. Anfang Dezember stellte GBM jetzt einen Bericht darüber vor. Darin listet sie zahlreiche »Herausforderungen« auf: Hohe Kosten und unzulängliche Finanzierung, Schwierigkeiten, die Bevölkerung zu beteiligen und unzureichende staatliche Unterstützung. Das Verfahren, Emissions-Gutschriften zu bekommen, sei kompliziert, die Zeit, bis Einnahmen fließen, viel zu lang. Und am Ende hätten sie weniger eingenommen, als sie investiert hätten. Das Resümee: Die Projekte würden weder der Bevölkerung noch den Wäldern helfen. Den größten Nutzen hätten Experten und Berater.


Aufschub

Der Vorsitzende der Afrika-Gruppe in Durban, Tosi Mpanu-Mpanu, äußerte denn auch Zweifel, dass dieser Emissionshandel für Afrika etwas bringt. Die meisten Felder seien »zu klein, um genug Kohlenstoff einzulagern, damit sich ein Verkauf lohnen würde. Wir haben den Verdacht, dass derartige Ausgleichsmechanismen zu einer Perversion der Landwirtschaft führen können, indem Bauern nur noch anbauen, was Anreize bietet, und herkömmliche Nutzpflanzen aufgeben.« Ganz anders könnte sich die Sache allerdings für große Betriebe und private Unternehmen rechnen. Sie haben die Flächen, das Kapital und die Expertise, um eventuell die Idee der Klima-smarten Landwirtschaft wirklich zu Geld machen zu können.

Weitere Aspiranten für das Emissionsgeschäft stehen bereits Schlange: Biochar beispielsweise, die Methode, den Boden mit Holzkohle anzureichern und damit Emissionen zu verringern. Oder die industrielle Milchproduktion, von der die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft, FAO, behauptet, sie sei »Klima-effizienter« als die extensive, kleinteilige Milcherzeugung. Ölpalmen-Plantagen könnten ebenfalls als Klima-smarte Landwirtschaft anerkannt werden, da sie angeblich weniger CO2 erzeugen als bäuerlicher Wanderfeldbau. Aber auch biologische Vielfalt und Wasser werden auf ihr Potenzial für smarte Geschäftsmodelle und einen »marktbasierten« Beitrag (wie die Weltbank es nennt) zum Klimaschutz abgeklopft. Doch noch ist es nicht so weit. In Durban wurde die Entscheidung noch einmal aufgeschoben. Trotz der massiven Unterstützung durch zahlreiche UN-Organisationen aus dem Agrarbereich, internationale Entwicklungsorganisationen und der gastgebenden Regierung. Und trotz der Drohungen der USA, Australiens und Kanadas, die auf einer Paketlösung bestanden, dass es ohne Minderungsmaßnahmen auch keine Zusagen über Anpassungsmaßnahmen geben würde. Ein afrikanischer Delegierter befürchtete denn auch, »dass das Minderungsthema dazu führt, dass entwickelte Länder Afrika CO2-Märkte aufzwingen und dadurch verhindern wollen, selbst Geld für Anpassungsmaßnahmen aufzubringen«. Am Ende führte der Widerstand einiger afrikanischer Delegationen wie Ghana, Mali und Tansania und zivilgesellschaftlicher Organisationen zu einem Kompromiss: die zuständigen Gremien sollen weiter verhandeln - vom Tisch ist der Vorstoß damit noch lange nicht.

Bekenntnisse zu ökologischer Landwirtschaft und Adaption sind nur ein Vorwand. Wenn großflächige Landinvestitionen durch zusätzliche Gewinne aus dem Emissionshandel lukrativer werden, wächst die Gefahr, dass die Großen die Kleinen fressen - mehr Land Grabbing und die Ausweitung von mechanisierter Landwirtschaft und Monokulturen. »Klimaeffizienz« so Helena Paul von EcoNexus, »kann dann auch bedeuten, Kleinbauern durch industrielle Landwirtschaft zu ersetzen«. Die eigentlichen Problemverursacher in der industriellen Landwirtschaft würden am Ende sogar noch belohnt. Und Klimasünder aus dem Norden können sich einen Ablass verschaffen, indem sie Gutschriften aus Emissionsminderung kaufen, und gleichzeitig weiter sündigen.

Der Autor ist Publizist, arbeitet unter anderem zu landwirtschaftlicher Entwicklung und betreibt den Themendienst www.globe-spotting.de


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2012, Seite 12-13
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2012