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KLIMA/453: Bangladesch - Hauptstadt droht Kollaps wegen Tausender Klimaflüchtlinge (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Dezember 2015

Bangladesch: Hauptstadt droht Kollaps wegen Tausender Klimaflüchtlinge

von Sohara Mehroze Shachi



Foto: By Shoreful (eigenes Werk) [CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons

Monsun-Überschwemmungen in Dhaka
Foto: By Shoreful (eigenes Werk) [CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons

DHAKA (IPS) - Angesichts der immer intensiveren Auswirkungen des Klimawandels - Überschwemmungen, Wirbelstürme und Dürren - suchen Tausende Menschen aus ländlichen Regionen Bangladeschs Zuflucht in Dhaka. Die Hauptstadt platzt langsam aber sicher aus allen Nähten. Auf einer Fläche von weniger als 325 Quadratkilometern leben dort bereits mehr als 14 Millionen Menschen. Kanalisation, Abfallentsorgung und Verkehrsinfrastruktur stehen am Rand des Zusammenbruchs.

Es ist nicht verwunderlich, dass Dhaka in diesem Jahr vom 'Economist Intelligence Unit' (EIU) zu den Städten mit der schlechtesten Lebensqualität weltweit gerechnet wird. Als einer der größten Auslöser dieser Krise gilt der Zustrom von Klimaflüchtlingen und anderen Migranten.

Die Bewohner der Gebiete an den insgesamt 700 Kilometer langen Küsten des südasiatischen Staates geraten durch die fortschreitenden Klimaveränderungen zunehmend in Gefahr. Der Anstieg des Meeresspiegels und häufig auftretende Wirbelstürme erhöhen die Überschwemmungsrisiken. Auch die Erosion der Flussufer und das Eindringen von Salzwasser in Süßwasserquellen und Böden haben verheerende Folgen für die Bevölkerung.

"In den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten werden Millionen von Menschen nicht mehr in der Lage sein, von Landwirtschaft und Viehzucht zu leben", sagt Saleemul Huq, der in der Gruppe für Klimawandel des 'International Institute for Environment and Development" forscht. Der Ackerbau werde zudem durch ausgedehnte Dürren gefährdet, die unter anderem zu Bodenerosion führten. Kulturen, die nur bei regelmäßigen Monsunregenfällen gedeihen könnten, würden geschädigt, erklärt er.


Ungefähr 20 Millionen Klimaflüchtlinge in Bangladesch erwartet

Der Weltklimarat (IPPC) schätzt, dass der Klimawandel in den kommenden fünf Jahren etwa 20 Millionen Menschen in Bangladesch aus ihren Wohngebieten vertreiben wird. Das sind mehr als alle Einwohner von Los Angeles, Chicago und New York zusammengerechnet. Ein Großteil der etwa 500.000 Menschen, die mit ihren Familien derzeit nach Dhaka kommen, sind durch Wetteranomalien zu einem Umzug gezwungen worden.

Die Hauptstadt, die weniger als ein Prozent der gesamten Fläche von Bangladesch einnimmt, ist bei weitem nicht das gelobte Land, auf das viele hoffen. Das explosionsartige Bevölkerungswachstum und der knappe Platz haben bereits dazu geführt, dass die Immobilienpreise und Mieten in die Höhe geschossen sind.

Da die meisten Klimaflüchtlinge aus bescheidenen finanziellen Verhältnissen stammen, bleibt ihnen kaum etwas anderes übrig, als sich in überfüllten Slums ohne Gas- und Stromversorgung niederzulassen. In den Elendsvierteln Dhakas leben bereits schätzungsweise 3,4 Millionen Menschen in äußerst primitiven Verhältnissen.

Von den Folgen des Klimawandels werden die Neuankömmlinge auch in Dhaka eingeholt. Die tief gelegene Stadt am Buriganga-Fluss erlebt immer häufiger Überschwemmungen. Der Mangel an sauberem Trinkwasser und sanitären Anlagen fördert eine weite Verbreitung von Krankheiten wie Durchfall und Typhus.

Die Migranten sind nicht nur mit Gesundheitsgefahren und Umweltverschmutzung konfrontiert. Rahmat Ali, der in Dhakas größtem Slum Korail lebt, zog in die Stadt, als Salzwasser in seine Äcker eindrang. Der ehemalige Bauer arbeitet jetzt als schlecht bezahlter Rikscha-Fahrer und kommt damit kaum über die Runden. "Es ist sehr anstrengende Arbeit für wenig Geld. Für alle diejenigen, die Land und Haus verloren haben, gibt es wenige Alternativen. Wir können nicht mehr dahin zuückgehen, von wo wie gekommen sind."


Regierung wird mangelndes Handeln vorgeworfen

Die wohlhabenderen Einwohner von Dhaka zeigen immer weniger Mitgefühl mit den zahlreichen Migranten. Dieselbe Apathie werfen politische Beobachter der Regierung vor. "Die Menschen wandern in die Städte ab, weil der Staat auf die Gefahren, denen sie ausgesetzt sind, nicht reagiert", erklärt Aminul Islam, Mitglied einer Arbeitsgruppe des Ministeriums für Katastrophenhilfe, die sich mit den Ursachen der Binnenfluchtbewegungen befasst.

Bangladesch hat zwar umfassende Maßnahmen im Umgang mit dem Klimawandel beschlossen, darunter auch einen Aktionsplan zur Anpassung an die Folgen. Ein Programm, das Klimaflüchtlingen im Inland Unterstützung zusichern würde, gibt es bisher aber nicht.

Islam hingegen ist davon überzeugt, dass das Land einen langfristig angelegten Plan benötigt, der die Migrantenströme reduziert. "Klimaresistente Wohngebiete, neue Einkommenschancen und Hilfseinrichtungen für die Schutzlosen wären Anreize, mit denen die Abwanderung eingedämmt werden könnte."

Bangladesch wartet nun darauf, dass der Weltklimagipfel in Paris ein wirksames Abkommen beschließt. Auch weitere Millionen von Menschen, deren Heimatländer besonders unter dem Klimawandel leiden, hoffen auf konkrete Zusagen seitens der Industriestaaten, die den größten Teil der Treibhausgase in die Atmosphäre schicken. (Ende/IPS/kf/10.12.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/11/climate-refugees-and-a-collapsing-city/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2015

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