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KLIMA/300: Honduras - Das Meer beschwichtigen, Garífuna-Dorf setzt auf Klimaanpassung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. März 2014

Honduras: Das Meer beschwichtigen - Garífuna-Dorf setzt auf Klimaanpassung

von Thelma Mejía


Bild: © Thelma Mejía/IPS

Einer der Wege aus Holzplanken, die durch die Dünen des honduranischen Dorfes Santa Rosa de Aguán führen
Bild: © Thelma Mejía/IPS

Santa Rosa de Aguán, Honduras, 28. März (IPS) - An der Flussmündung des Flusses Aguán an der Karibikküste von Honduras leben Angehörige der Gemeinschaft der Garífuna. Sie sind fest entschlossen, ihr Naturparadies für künftige Generationen zu erhalten. Vor 15 Jahren hatte sie Hurrikan 'Mitch' das Fürchten gelehrt. Inzwischen sind sie Umweltschützer in eigener Sache.

"Wir wollen nicht, dass das Meer noch einmal so wütend wird", berichtet die Vorsteherin des Dorfes Santa Rosa de Aguán, Claudina Gamboa. "Und wir wollen auf keinen Fall erneut zur Zielscheibe einer Zerstörungswut werden, wie sie uns einst Hurrikan Mitch entgegenbrachte. So viele Häuser wurden damals zerstört."

Im Umfeld von Santa Rosa de Aguán sieht es fast genauso aus wie zur Ankunft der Garífuna in Honduras im 18. Jahrhundert. Schätzungen zufolge stellt die ethnische Minderheit inzwischen zehn Prozent der 8,5 Millionen Honduraner.

Angenommen wird, dass die Garífuna von den Sklaven abstammen, die 1635 vor der Insel Yarumei, dem heutigen St. Vincent, Schiffbruch erlitten. Die Überlebenden vermischten sich mit den dort lebenden ethnischen Kariben und Arawak und bildeten ihre eigene Sprache - das Garífuna - aus: ein Mix aus Kiswahili, Bantu, Arahuaco, Französisch, Spanisch und Englisch. Die UNESCO hat die kulturellen Ausdrucksformen dieser Volksgruppe zum 'Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit' erklärt.

1797 wurden rund 3.000 von ihnen im Zuge eines französisch-britischen Konflikts auf die Karibikinsel Roatán deportiert, von wo aus sie sich später in den Küstenregionen der Länder Belize, Honduras, Guatemala und Nicaragua verteilten. Die Zahl der honduranischen Garífuna, die sich jeglichen Assimilierungsversuchen eigensinnig widersetzten, wird auf 98.000 geschätzt. Die größte Gemeinschaft von aus Zentralamerika abgewanderten Garífuna - etwa 200.000 - lebt in New York.

Santa Rosa de Aguán wurde 1886 gegründet. Wer von der honduranischen Hauptstadt aus die Ortschaft besuchen will, muss zwölf Autostunden lang über unbefestigte Sandpisten rumpeln, um sich dann 565 Kilometer nordwestlich von Tegucigalpa entfernt vom Festlanddorf Dos Bocas mit dem Boot auf die Sandbank im Delta des Aguán übersetzen zu lassen.


Dünen wiederhergestellt

Im Rahmen eines dreijährigen Projekts wurden die eingeebneten Dünen wiederhergestellt und begrünt. Die Gelder kamen vom Kleinkreditprogramm der Globalen Umweltfazilität (GEF). Auch die Schweizer Entwicklungsbehörde leistete Unterstützung. 40 Freiwillige, in der Mehrheit Frauen, zogen anfangs von Tür zu Tür, um die lokale Bevölkerung von der Notwendigkeit zu überzeugen, Umweltschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen zu ergreifen,

"Zuerst hielt man sie für verrückt. Doch ich habe ihnen immer wieder gesagt: 'Hört nicht auf damit, macht weiter'", berichtet Atanasia Ruíz, die ehemalige stellvertretende Bürgermeisterin der Ortschaft und Überlebende von Hurrikan Mich. "Inzwischen konnten wir die Menschen überzeugen, und die Schutzvorkehrungen haben sich bewährt. So sind die Winde nicht mehr so stark."

Wie sie und Gamboa betonen, verstehen die Menschen nun, warum es so wichtig ist, die natürlichen Küstensysteme zu schützen. Jung und Alt seien bemüht, ihren Anteil zu leisten. "Es ist rührend zu sehen, wie sich ältere Frauen unserer Stadt bücken, um Müll für Recyclingzwecke einzusammeln", sagt Ruíz.

Die Dünen sind natürliche Wellenbrecher, sofern sie gesund sind. Das war zum Zeitpunkt von Mitch nicht der Fall. "Als das Meer durchdrehte, zahlten wir den Preis. Der Hurrikan machte hier alles platt. Es war wirklich furchtbar", berichtet Gamboa. Viele Menschen seien seither fortgezogen. "Doch diejenigen von uns, die geblieben sind, können uns und unser Dorf nur selbst schützen."

Die Ankunft des Wirbelsturms Ende Oktober 1998 hatte 11.000 Honduranern das Leben gekostet. 8.000 werden bis heute vermisst. Hinzu kommen horrende Sach- und Infrastrukturschäden. In Santa Rosa de Aguán hatten sich die Wellen zu fünf Meter hohen Monstern aufgetürmt und Dutzende Einwohner in den Tod gerissen. Mehr als 40 Leichen wurden geborgen, andere wurden nie gefunden.


Recycling eingeführt

Um die Dünen nachhaltig zu schützen, wurden für Fußgänger breite Wege aus Holz verlegt, die Betonreste der zerstörten Häuser entfernt und Bauarbeiten innerhalb des Ökosystems verboten. Im Rahmen des GEF-Projekts wurde zudem die Mülltrennung und -wiederaufbereitung eingeführt.

Die 'Aguaneños' begrüßen Besucher stets mit einem freundlichen 'buiti achuluruni', (Garífuna für 'willkommen'). So auch die 18-jährige Lícida Nicolasa Gómez, die überall im Dorf 'Alondra' genannt wird. Auch sie hatte sich an der Umsetzung der lokalen Klimaanpassungsmaßnahmen beteiligt. "Es war für mich eine Ehre, an dem Dünenschutz- und Recycling-Projekt mitzuwirken", betont sie. "Mit der Zerstörung der Dünen ist es nun vorbei."

Wie sie weiter berichtet, befindet sich an einer Seite des Gemeindezentrums ein Wandbild aus Plastik- und Metallresten, Fliesenstückchen und Kronkorken, Es soll die die Menschen darin erinnern, "was für ein Dorf wir haben wollen". Es ist im Grunde ein Lobgesang an die Schönheit der Garífuna. Zu sehen sind Menschen, die im Einvernehmen mit der Natur fischen, Maniok stampfen und Kochbananen ernten.

Bild: © Thelma Mejía/IPS

Das Wandbild aus Plastik- und Metallresten, Kronkorken und Fliesenstücken am Gemeindezentrum des honduranischen Dorfes Santa Rosa de Aguán
Bild: © Thelma Mejía/IPS

Für die Siedlung, die zwischen Fluss und Meer errichtet wurde, bedeuten Überschwemmungen die größte Gefahr. Hurrikan Mitch hat die Menschen für dieses Klimaphänomen noch anfälliger gemacht, wie Hugo Galeano vom GEF-Kleinkreditprogramm unterstreicht.

Der 80-jährige Ricardo Morales stimmt ihm zu. Wie er sagt, "ist unser Dorf auch trotz der Wiederherstellung der Dünen weiterhin den Unbilden des Wetters ausgesetzt. Das Projekt hat zwar dazu geführt, dass Wind und Meer nicht mehr so tief in das Dorf vordringen. Doch bedarf es noch weiterer Maßnahmen, um es klimaresistenter zu machen."

Die Garífuna wollen dieses Ziel weiterverfolgen und ihre Ortschaft zu einem Vorreiter in Sachen Klimaanpassung machen. Denn, so erklären viele: "Wir wollen verhindern, unserem Dorf irgendwann einmal 'ayo' (Garífuna für 'Wiedersehen') sagen zu müssen". (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2014/03/un-paraiso-hondureno-que-quiere-volver-enojar-al-mar/
http://www.ipsnews.net/2014/03/honduran-paradise-doesnt-want-anger-sea/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 28. März 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. April 2014