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KLIMA/234: Nepal - Gletscherschmelze bedroht Himalaja-Bewohner (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Juni 2013

Nepal: Gletscherschmelze bedroht Himalaja-Bewohner

von Amantha Perera


Bild: Amantha Perera/IPS

Die Gletscherschmelze im Himalaja wird auf den Klimawandel zurückgeführt
Bild: Amantha Perera/IPS

Jhirpu Phulpingkatt, Nepal, 4. Juni (IPS) - Die Einwohner des Dorfes Jhirpu Phulpingkatt, das an den Ausläufern des Himalaja etwa 100 Kilometer von Nepals Hauptstadt Katmandu entfernt liegt, befinden sich im Alarmzustand. Je stärker sich der Klimawandel auf die hohen Berge in ihrer Umgebung auswirkt, umso mehr fürchten sie, per SMS zum Verlassen ihrer Häuser aufgefordert zu werden.

Die Ängste sind nicht unbegründet. Experten von der Universität Mailand fanden heraus, dass die Schneegrenze in der Everest-Region im Nordosten von Nepal in den vergangenen 50 Jahren um 180 Meter zurückgegangen ist. Die Gletscher schrumpften im selben Zeitraum um 13 Prozent.

Aus Anlass des 60. Jahrestags der ersten Everest-Besteigung richteten sich kürzlich alle Augen auf den höchsten Gipfel des Himalaja, den 8.848 Meter hohen Mount Everest, dessen Gipfel durch die Grenze zwischen China und Nepal geteilt wird. Statt Feierstimmung machte sich jedoch Panik breit, als auf Fotos nackter Felsen unter den schwindenden Eisschichten sichtbar wurde.

Sudeep Thakuri, der das italienische Forscherteam leitete, sieht die steigenden Temperaturen als wahrscheinlichen Grund für das kontinuierliche, verstärkte Abschmelzen der Gletscher. In diesem Jahr wurden im Durchschnitt bereits 0,6 Grad Celsius mehr als in früheren Jahren gemessen. Inzwischen haben sich an vielen Stellen große Gebirgsseen gebildet, die zur Gefahr für die in den Schluchten lebenden Menschen werden können.


Millionen Kubikmeter Wasser binnen Stunden freigesetzt

Lawinen, Erosion, hoher Wasserdruck und sogar Schneestürme könnten dazu führen, dass massenhaft Gletscherwasser in Richtung der Täler stürzt. "Binnen weniger Stunden könnten Millionen Kubikmeter Wasser freigesetzt werden. Dies würde zu katastrophalen Überschwemmungen führen", warnt 'Germanwatch' in einer Studie.

Die so genannten Gletscherläufe sind an sich nichts Ungewöhnliches. Im vergangenen Jahrhundert hatten Wissenschaftler mindestens 50 Mal registriert, dass eisige Seen Dämme brechen ließen. Einer der verheerendsten Vorfälle ereignete sich 1954, als der Sangwang-Cho-See in Tibet überlief und die Städte Gyangze sowie Xigaze in 120 beziehungsweise 200 Kilometer Entfernung überflutete.

Experten warnen nun davor, dass sich die Gebirgsseen rascher denn je füllen und sich neue Seen in alarmierender Geschwindigkeit bilden. "Wenn sich die Klimaerwärmung wie vorhergesagt fortsetzt, wird sich der Schwund des Gletschereises voraussichtlich beschleunigen", sagt Pradeep Mool, Programmkoordinator am Internationalen Zentrum für Integrierte Bergentwicklung (ICIMOD) in Katmandu. Damit steige auch das Risiko von Gletscherläufen.

Nach Erkenntnissen von ICIMOD gibt es mehr als 20.000 Gletscherseen in der Region Himalaja-Hindukusch, die sich von Afghanistan im Westen bis nach Myanmar im Osten erstreckt. Im Dudh-Kosi-Flussbecken im Osten Nepals liegen 278 Gletscher, von denen manche um 74 Meter jährlich zurückgehen. Wie Mool erklärte, haben sich in dem Gebiet 34 Seen gebildet, davon 24 erst in jüngster Zeit. Zehn von ihnen werden als potenziell gefährlich eingestuft.

Auch Erdbeben sind laut dem Experten eine ernsthafte Bedrohung. "Die Himalaja-Hindukusch-Region ist von großer seismischer Instabilität. Erdbeben könnten größere Auslöser für Gletscherläufe werden."

Aus den vergangenen 500 Jahren ist in der Seti-Khola-Region demnach mindestens ein Gletscherlauf dokumentiert, der durch Erdstöße ausgelöst wurde. Dadurch häufte sich Schutt in einer Höhe von 50 Metern in der westlichen Region Pokhara an.

Nach Ansicht von Takhuri hängt der gute Zustand von Gletschern in der Zukunft von der Klimaentwicklung ab. Weitere konkrete Forschungsergebnisse würden benötigt, um mögliche Folgen abzuschätzen.


Frühwarnsystem nicht flächendeckend

Die Bewohner von Jhirpu Phulpingkatt sehen aber bereits jetzt ausreichende Hinweise für eine mögliche Katastrophe. An den steilen Bergwänden, die zumeist von Vegetation bedeckt sind, zeigen sich tiefe Einbuchtungen, die durch Erdrutsche nach heftigen Regenfällen verursacht wurden.

Das kleine Kraftwerk am Ufer des Bhote-Koshi-Flusses besitzt ein Warnsystem, das die Anwohner rechtzeitig über Überschwemmungen informieren soll. Der Chef des Kraftwerks, Janak Raj Pant, weist allerdings darauf hin, dass es für eine Flucht nur ein Zeitfenster zwischen sechs und zehn Minuten gebe. Die Warnungen könnten zudem nicht über die zehn Kilometer entfernte Grenze hinausgehen. Und viele Gletscherseen, die das Dorf und andere Orte in Tibet gefährden könnten, würden durch das Warnsystem nicht erfasst. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.agu.org/news/press/pr_archives/2013/2013-20.shtml
http://germanwatch.org/de/startseite
http://www.icimod.org/
http://www.ipsnews.net/2013/06/the-himalayas-are-changing-for-the-worse/

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IPS-Tagesdienst vom 4. Juni 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2013