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KLIMA/219: KlimaKompakt 76 - Klimawandel zurück auf der politischen Agenda (GW)


Germanwatch e. V.

KlimaKompakt Nr. 76 / Februar 2013

- Editorial
Klimawandel ist zurück auf der politischen Agenda
- Studie analysiert Fortschritte bei Klimaschutzgesetzen
Mehr Dynamik in Entwicklungsländern
- Artikel beleuchtet sicherheitspolitische Aspekte des Klimawandels
Neue Dynamik in der Klimadiplomatie durch John Kerry?
- Weltwirtschaftsforum sieht Klimawandel als eines der größten Risiken
Auf Kollisionskurs wie bei einem "Supersturm"



Editorial

Klimawandel ist zurück auf der politischen Agenda

Ein Bericht des Weltwirtschaftsforums (WEF) sieht den Klimawandel als eines der größten Risiken. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer haben in den letzten Jahren, gerade auch unter dem Eindruck dieses Risikos, Gesetze zum Klimaschutz verabschiedet. In den USA wird hoffentlich der rhetorischen Wiederauferstehung des Klimathemas auch entschlossenes Handeln Obamas und des neuen Außenministers John Kerry folgen. Doch wo steht Deutschland? Dass die Bundeskanzlerin bei ihrer Rede auf dem WEF in Davos den Begriff "Nachhaltigkeit" nur im Kontext eines fortgesetzten Wirtschaftswachstums benutzte, Klimawandel und Energiewende aber ignorierte, ist enttäuschend. Manche Koalitionspolitiker sind darum bemüht, die Axt an das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu legen und mit einer oft unehrlichen Kostendiskussion das notwendige grüne Wachstum auszubremsen. Zudem steht die Bundesregierung durch die Position des Wirtschaftsministers der dringend notwendigen Reparatur des EU-Emissionshandels im Wege. Und das zu einem Zeitpunkt, wo weniger entwickelte Länder mit diesem Instrument ihren Klimaschutz ausbauen wollen. Mit einem "Klimaschutzgesetz", das das von allen Parteien mitgetragene 40%-Reduktionsziel bis 2020 fest verankert, könnte Deutschland ein Signal setzen und politisches Vertrauen zurückgewinnen. Es ist noch nicht zu spät, im Wahljahr 2013 klimapolitische Akzente zu setzen.

Sven Harmeling


Studie analysiert Fortschritte bei Klimaschutzgesetzen
Mehr Dynamik in Entwicklungsländern

Eine neue Studie des Parlamentariernetzwerkes "Global Legislators' Organisation" (GLOBE) bewertet Fortschritte bei der Klimaschutzgesetzgebung in 33 Ländern.

Germanwatch dokumentiert Auszüge aus der Studie.

"Der begrenzte Fortschritt in Industrieländern im Jahr 2012 steht im Gegensatz zu den Fortschritten in vielen Entwicklungsländern. Bedeutende Fortschritte erzielten Bangladesch, Brasilien, Chile, Kolumbien, El Salvador, Kenia, Indien, Indonesien, Mexiko, Pakistan, Südkorea und Vietnam [...]. Andere Länder, darunter China und Südafrika, machten kleinere Fortschritte.

Mexiko ist möglicherweise das Vorzeigeland im Jahr 2012, mit der Verabschiedung seines "Allgemeinen Gesetzes zum Klimawandel" (General Law on Climate Change (GLCC)) und der Vorreiterrolle seiner Gesetzgebung zur Vorbereitung einer Umsetzung von REDD+. Das GLCC legt einen gleichwertigen Fokus auf Emissionsminderung und Anpassung an den Klimawandel und setzt so Mexikos Ziel, die Treibhausgase bis 2020 um 30% gegenüber einem "Business As Usual"-Szenario zu senken, in nationale Gesetzbebung um. Dies erfordert zudem die Schaffung institutioneller Strukturen, um das Gesetzes umzusetzen.
Südkorea verabschiedete ein Gesetz zur Einführung eines landesweiten Emissionshandelssystems bis 2015.
In Afrika bereitete Kenia eine Verordnung für die Schaffung einer Instanz für Klimawandel [...] vor, die im Parlament behandelt und wahrscheinlich Anfang 2013 verabschiedet werden soll. Im November 2012 ebnete ein öffentliches Anerkennungsverfahren den Weg für die Zustimmung der Regierung und den Start eines ergänzenden "Aktionsplans für Klimawandel" mit klaren Maßnahmen für Anpassung und Emissionsminderung (darunter NAMAs), eine kohlenstoffarme Entwicklungsstrategie, Wissensmanagement und Entwicklung von Kapazitäten, Finanzmechanismen und die Schaffung eines institutionellen Rahmens zur effektiven Koordination.
In Asien verabschiedete Bangladesch die Verordnung zur Schaffung einer Instanz für nachhaltige und erneuerbare Energieentwicklung [...], die die Nutzung und Produktion von grüner Energie fördern soll. Indien veröffentlichte seinen zwölften Fünf-Jahres-Plan [...]. Der Plan beinhaltet Empfehlungen der "Low Carbon Expert Group", darunter Maßnahmen, um heimische Energiequellen zu fördern und zu diversifizieren sowie um die Energieintensität von Produktionsprozessen zu senken. Pakistan verabschiedete seine Nationale Klimawandel-Strategie im September 2012. Vietnam stimmte im Juni 2012 formal seinem Nationalen REDD+-Aktionsprogramm zu, mit dem Emissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft durch die Festlegung eines gesetzlichen Rahmens für REDD+-Pilotprogramme und -Aktivitäten reduziert werden sollen. [...]
In Lateinamerika legt Brasiliens neuer Waldkodex [...] fest, dass (u. a.) Landbesitzer im Amazonas 80% des ursprünglichen Waldes als gesetzlich geschütztes Waldgebiet beibehalten müssen. Chile verabschiedete zwei Gesetze bezüglich erneuerbarer Energien, eines davon unterstreicht das Ziel Chiles, bis 2020 20% der vorhandenen Elektrizitätsproduktion aus erneuerbaren Quellen zu erzielen. [...]"

Quelle:
http://www.globeinternational.org/images/climate-study/3rd_GLOBE_Report.pdf


Artikel beleuchtet sicherheitspolitische Aspekte des Klimawandels
Neue Dynamik in der Klimadiplomatie durch John Kerry?

Ein jüngst im "National Journal" in den USA erschienener Artikel beleuchtet den Klimawandel als Sicherheitsthema. Die Autorin sieht darin eine besondere Chance für den neuen US-Außenminister John Kerry, der Klimadiplomatie neuen Schwung zu verleihen.

Germanwatch dokumentiert Auszüge aus dem Artikel.
"Der kommende Außenminister versteht das Sicherheitsrisiko, das vom Klimawandel ausgeht. Er ist in der einzigartigen Lage einen Prozess diplomatisch auszuhandeln.

Über Jahrhunderte nährten die Gletscher des westlichen Himalajas den Indus, der die Berge herab durch Indien nach Pakistan fließt, wo er das Land durchquert und ins Arabische Meer fließt. In beiden Ländern ist der Fluss eine wichtige Wasserquelle für Viehhaltung, Bewässerung und Trinkwasser - unentbehrlich für das Leben und die Lebensgrundlage von Millionen Menschen.
Doch während der Klimawandel die globalen Temperaturen steigen lässt, schwinden die Gletscher, die den Indus nähren. Viele Forschungsberichte deuten an, dass der Wasserpegel des Flusses in den kommenden Jahrzehnten um bis zu 40% sinken könnte. Schon jetzt schlagen indische Entscheidungsträger vor, das Wasser für ihr eigenes Land aufzustauen. Dies könnte das Leben von Millionen Indern retten, das von Millionen Pakistanis jedoch gefährden. Pakistan fehlt es an ökonomischen, politischen oder konventionellen militärischen Druckmitteln, um an Indien Vergeltung zu üben, sollte dies passieren - nur bei den Atomwaffen ist es seinem Nachbarn ebenbürtig. [...]
Dies ist genau die Art von Ereignis, auf die John Kerry, [...] in seinem Bestätigungsverfahren im Senat verwies, als er den Klimawandel eine "lebensbedrohliche Angelegenheit" für die nationale Sicherheit nannte. Kerry, ein Veteran des Vietnamkriegs, ist schon lange als "Klimafalke" bekannt, der seinen Kampf gegen den Klimawandel als Mittel einordnet, um das Potenzial weltweit aufkeimender Konflikte, die eine Gefahr für die amerikanische Sicherheit darstellen, einzudämmen.
In einer leidenschaftlichen Rede im Senat im August verglich Kerry die potenzielle Bedrohung durch den Klimawandel mit der Gefahr eines Krieges. "Ich glaube dass die Situation, der wir [mit dem Klimawandel] gegenüberstehen, genau so gefährlich ist wie jede andere reale Krise, über die wir reden: im Iran, Syrien und anderen Krisenherden", sagte er.
Er bekam für diese Ansicht viel Schelte der Republikaner, von denen viele die Wissenschaft vom menschengemachten Klimawandel anzweifeln, über jegliche Verbindung zur nationalen Sicherheit spotten und sagen, dass die Lösung der globalen Erwärmung die falsche Priorität für den höchsten Diplomaten des Landes sei. Funktionäre des Verteidigungsministeriums und der Geheimdienste weisen jedoch darauf hin, dass die Verbindung zwischen Klimawandel und nationaler Sicherheit eindeutig, bedrohlich und dringlich ist. Zahlreiche nationale Sicherheitsexperten bekräftigen dies und betonen, es sei höchste Zeit, dass der höchste außenpolitische Beamte der Nation die Thematik auch entsprechend behandle. [...]
Rund um den Globus trägt der Klimawandel zu steigenden Meeresspiegeln, stärkeren Dürren sowie Nahrungs- und Wasserknappheit bei. Schon jetzt sind Landstriche in Afrika und dem Nahen Osten zu unfruchtbar für den Anbau geworden und Wissenschaftler warnen, dass im kommenden Jahrhundert noch Schlimmeres bevorsteht, wenn die Erde sich weiter erwärmt. [...]
Die Frage ist jedoch, was der höchste amerikanische Diplomat tatsächlich in Bezug auf den Klimawandel tun kann. Obwohl kein einzelner Beamter oder eine Nation das Problem im Alleingang lösen kann, ist Kerry in der einzigartigen Lage, einen Prozess diplomatisch auszuhandeln.
In Frankreich werden die Nationen der Welt 2015 ein globales Abkommen unterzeichnen, das sie rechtsverbindlich dazu verpflichtet, ihre erderwärmende Umweltverschmutzung zu reduzieren. Die Welt legt den Erfolg des Abkommens zum großen Teil in die Hände der Amerikaner. Wenn die USA handeln und ihre CO2-Emissionen senken - sei es durch Gesetze oder, was wahrscheinlicher ist, durch Obamas Exekutive und Vorschriften der US-Umweltschutzagentur - wird das Land gut aufgestellt sein, um ein weltweites Abkommen auszuhandeln.
Während der Außenminister nicht die US-Umweltschutzagentur beeinflussen kann, so kann er, als einer der ersten im Kabinett, dem Präsidenten im Stillen raten in punkto Emissionsregulierung zu handeln. An den Rest der Welt kann Kerry, so sagt Charlie Ebinger, ein Energie- und Außenpolitikexperte vom Brookings Institut, "einen Weckruf senden. Er kann klarstellen, dass die USA die moralische Führungsrolle in dieser Angelegenheit übernehmen wird."

Quelle: Coral Davenport, "A Rising Threat"
http://www.nationaljournal.com/magazine/why-john-kerry-should-treat-climate-change-as-a-national-security-issue-20130131


Weltwirtschaftsforum sieht Klimawandel als eines der größten Risiken
Auf Kollisionskurs wie bei einem "Supersturm"

Im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums 2013 in Davos verwies der Bericht "Global Risks 2013" auf den Klimawandel als eines der wichtigsten globalen Risiken.

Germanwatch dokumentiert Auszüge aus dem Bericht.

"Fünf Jahre nach der Finanzkrise sind makroökonomische Befürchtungen weiterhin in den Köpfen der Entscheidungsträger. Dies wird bestätigt durch Daten des quartalweise erscheinenden Zuversichtsindex des Weltwirtschaftsforums sowie der Globalen Risikowahrnehmungsumfrage, in der die Befragten den systembedingten finanziellen Kollaps als das wichtigste wirtschaftliche Risiko von systemischer Bedeutung für die nächsten zehn Jahre bewertet haben.
Die gleichen Befragten identifizierten das Scheitern der Anpassung an den Klimawandel und steigende Treibhausgas-Emissionen als Teil der globalen Risiken, die am ehesten innerhalb des nächsten Jahrzehnts Realität werden könnten. [...]
Aus der Umfrage ergibt sich ein eindeutiges Bild: Wie bei einem "Supersturm" befinden sich zwei wichtige Systeme auf Kollisionskurs. Das resultierende Wechselspiel zwischen der Belastung der wirtschaftlichen und ökologischen Systeme wird unvorhersehbare Herausforderungen für die globale und nationale Widerstandsfähigkeit darstellen.
Werden Länder in der Lage sein, mit den komplexen Herausforderungen, die sich in sehr unterschiedlichem zeitlichem Rahmen entfalten, gleichzeitig umzugehen? Ein Zyniker mag argumentieren, dass jeder zukünftige Umweltschaden sogar einen stimulierenden Effekt auf die Wirtschaft haben könnte - aus dem selben Grund wird BIP-gesteuerte Wachstumspolitik angeprangert, da hierbei der Wiederaufbau nach einem schweren Erdbeben das langfristige BIP ankurbeln kann. Diese Sichtweise ignoriert jedoch zwei Gegebenheiten. Erstens leben mehr Menschen in Stadtgebieten als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit - diese Ballung wird zunehmen und wahrscheinlich zu umweltbezogenen Schäden in historischer Höhe führen. Zweitens kann der existierende Schuldenstand einiger großer Volkswirtschaften untragbar werden. [...]
Diese fortdauernde weltwirtschaftliche Fragilität lenkt uns weiterhin von langfristigen Lösungen ab, indem sie die Verfügbarkeit von öffentlichen Mitteln begrenzt und größere Zurückhaltung beim Gebrauch knapper Mittel für strategische Investitionsprojekte erzeugt. [...]
Manche vom Klimawandel betroffene Menschen mögen es in Erwägung ziehen, die Kosten von bisherigen Verursachern von Treibhausgasemissionen zurückzufordern. Obwohl das alaskische Dorf Kivalina - das vom Klimawandel "vernichtet" zu werden droht - mit seinem Versuch erfolglos war, Öl- und Kohleunternehmen auf 400 Millionen US$ zu verklagen, könnten zukünftige Kläger mehr Erfolg haben. Die amerikanische Tabakindustrie hätte vor 50 Jahren auch nicht erwartet, dass sie im Jahr 1997 368 Mrd. US$ für gesundheitsbezogene Schäden bezahlen würde. Für manche Unternehmen könnte die Investition in Emissionsminderungsmaßnahmen sowohl als unternehmerisches Risikomanagement verstanden werden, als auch als eine Minderung eines globalen Risikos."

Quelle:
World Economic Forum: Global Risks Report 2013.
http://reports.weforum.org/global-risks-2013/


Redaktion:
Sven Harmeling (V.i.S.d.P.), David Eckstein, Christoph Bals, Gerold Kier, Daniela Baum

Herausgeber:
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Diese Veröffentlichung wurde mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erstellt. Für den Inhalt dieser Veröffentlichung ist allein Germanwatch verantwortlich. Der Inhalt kann in keiner Weise als Standpunkt des Zuschussgebers angesehen werden.

Diese Ausgabe finden Sie auch auf der Germanwatch-Website unter:
http://www.germanwatch.org/de/6295

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Quelle:
KlimaKompakt Nr. 76, 8. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2013