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KLIMA/073: UN-Gremium fordert sofortige Aussetzung von Kohlekraft-Projekten im Rahmen des CDM (FUE)


Forum Umwelt & Entwicklung - Pressemitteilung vom 11. Juli 2011

UN-Gremium fordert die sofortige Aussetzung von Kohlekraft-Projekten im Rahmen des CDM


11. Juli 2011, Marrakesch, Marokko. In einer letzte Woche veröffentlichten Stellungnahme fordert ein Panel technischer Experten der UN die sofortige Aussetzung von Kohle-Projekten im Rahmen des Clean Development Mechanisms (CDM), nachdem eine Untersuchung aufdeckte, dass die gegenwärtigen Richtlinien zu Millionen von fiktiven Emissionsgutschriften führen könnten. Das CDM Executive Board wird bei seinem Treffen, das heute in Marrakesch beginnt, eine Entscheidung fällen.

Das CDM-Methodologie-Panel schlägt vor, dass das CDM Executive Board die superkritische Kohle-Methodologie (ACM0013) aussetzt, und zwar mit der Begründung, dass sie stark überhöhte Baseline-Emissionen zugrunde legt. Diese überhöhten Baselines könnten zu einer ernsthaften Überschätzung der Emissionsreduktionen aus diesen Projekten führen und zu einer Zuteilung von Emissionsgutschriften, die gar nicht die tatsächlich erfolgten Reduktionen widerspiegeln. Die Untersuchung des CDM-Methodologie-Panels zeigt, dass die gegenwärtigen CDM-Zuteilungsrichtlinien den Kraftwerksbetreibern ermöglichen, veraltete Informationen zur Ermittlung der Baseline-Emissionen zu verwenden, in denen die Effizienz-Verbesserungen ignoriert werden, die im Laufe der Zeit bei neuen Kraftwerken mit fossilen Brennstoffen erfolgt sind.

Umweltverbände treten bereits seit längerer Zeit dafür ein, dass superkritische Kohle-Projekte nicht in den CDM gehören, und sie fordern dringend eine Aussetzung der superkritischen Kohle-Methodologie.

"Die gegenwärtigen Zuteilungsrichtlinien vergleichen die Leistung neuer Kohlekraftwerke mit Kraftwerken, die bis zu zehn Jahre früher gebaut wurden", erklärt Anja Kollmuss von CDM Watch. "Das ursprüngliche Ziel der Methodologie war, nur die effizientesten Kohlekraftwerke zu begünstigen, die gegenwärtige Berechnung von Baseline-Emissionen leistet jedoch genau dieses nicht. Stattdessen ermöglicht die Methodologie den Kraftwerksbetreibern und den am Projekt Beteiligten, Emissionsgutschriften für fiktive Emissionsvermeidungen zu beanspruchen, die keinerlei Verbesserungen im Vergleich zu den ohnehin in diesem Sektor schon üblichen Praktiken bringen."

Vorsichtige Schätzungen auf der Basis von Daten der IEA deuten darauf hin, dass den Projekten um bis zu 25-50% überhöhte Emissionsgutschriften zugeteilt werden könnten. Das CDM-Methodologie-Panel stellt in seiner Stellungnahme[1] fest: "Schlimmstenfalls kann die Umsetzung eines Projekts, das für sich in Anspruch nimmt, Emissionsreduktionen erreicht zu haben, tatsächlich zu einer Zunahme von Emissionen geführt haben."

Die Baseline-Schlupflöcher, die das Methodologie-Panel gefunden hat, werfen auch ein Schlaglicht auf den grundsätzlich fehlenden Zusätzlichkeit dieser Kohle-Projekte. Neuere Daten über die übliche Praxis zeigen, dass es sich in der großen Mehrzahl der Fälle bei der superkritischen Kohletechnologie bereits um eine Mainstream-Technologie handelt.

"Stark steigende Kohlepreise sind ein starker Anreiz für die Betreiber von Kohlekraftwerken, eine effizientere Technologie zu verwenden", erklärt Steve Herz vom Sierra Club. "Mit mehr als 500 superkritischen Anlagen am Netz, was mehr als 20 Prozent der weltweit betriebenen Anlagen entspricht, ist die superkritische Kohletechnologie bereits heute die Technologie der Wahl. In anderen Worten: Nicht nur bietet die Baseline-Methodologie Schlupflöcher, sondern solche Projekte sind auch nicht zusätzlich."

Und nicht zuletzt wird durch die Projekte weiterhin Kohle verbrannt - der CO²-intensivste Brennstoff der Welt. Die finanzielle Unterstützung von Kohleprojekten untergräbt grundlegend die Klimaschutzziele des CDM. Hinzu kommt, dass Kohle während des Abbaus ungeheure Umwelt- und soziale Schäden verursacht, zu Jahrzehnten neuer CO2-Emissionen führt, und in den betroffenen Kommunen für unzählige Luft- und Wasserverschmutzungen sorgt. Es ist zynisch zu behaupten, dass solche Projekte zu einer sauberen, nachhaltigen Entwicklung führen, was ja das zweite, oft übersehene Mandat der CDM ist.

"Durch die Zuteilung von Emissionsgutschriften an neue Kohlekraftwerksprojekte könnten hunderte Millionen Dollar an die fossile Brennstoff-Industrie verschwendet werden - und dies zu einem Zeitpunkt, wo die Welt dringend ihre knapp gewordenen Klimaressourcen in echte, auf erneuerbaren Energien basierende Lösungen investieren muss", sagte Alyssa Johl vom Center for International Environmental Law.

Da nun eindeutige Beweise vom eigenen technischen Gremium der UN vorliegen, ist es unerlässlich, dass das Executive Board die gegenwärtige Methodologie aussetzt. Bei vier bereits genehmigten Projekten und weiteren 32 Projekten im Bewilligungsprozess, drohen hunderte Millionen von Pseudo-Emissionsgutschriften im Wert von Milliarden Euros unverhoffter Gewinne, die Integrität der CDM infragezustellen.

Sie können die Information Note über ACM0013 bei
http://cdm.unfccc.int/Panels/meth/meeting/11/050/mp50_an09.pdf herunterladen.


[1] Methodology Panel Note:
http://cdm.unfccc.int/Panels/meth/meeting/11/050/mp50_an09.pdf


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Quelle:
Pressemitteilung, 11.07.2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2011