Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

KLIMA/030: Niger - Bevor die nächste Dürre kommt, Herden der Nomaden nachhaltiger schützen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Dezember 2010

Niger: Bevor die nächste Dürre kommt - Die Herden der Nomaden nachhaltiger schützen

Von Ousseini Issa


Ekrafane, 6. Dezember (IPS) - Bacharou Gorel hat die Dezimierung seiner einst stattlichen Rinderherde immer noch nicht verwunden. Während der schweren Dürre des vergangenen Jahres verlor der Viehzüchter aus Ekrafane im Nordosten Nigers 249 Tiere. Nur 52 überlebten. Weil rechtzeitige Hilfe ausblieb, verendeten in dem Sahelland 2009 mindestens acht Millionen Rinder. Jetzt arbeitet man an Plänen für ein Präventionsmanagement, um für ähnliche Katastrophen besser gerüstet zu sein.

"Meine Rinder sind verhungert und verdurstet, weil man uns nicht rechtzeitig geholfen hat", erklärte Gorel gegenüber IPS. Auch sein Nachbar Hamado Sambo klagte: "Von meinen 50 Rindern sind mir nur neun geblieben. Selbst wenn es keine weiteren Versorgungskrisen gibt, wird es mindestens zehn Jahre dauern, bis meine Herde wieder ihre frühere Größe erreicht", stellte der Viehzüchter verbittert fest.

Nach Angaben des Experten Harouna Abarchi von der Vereinigung zum Wiederaufbau der Rinderzucht in Niger (AREN) blieb im vergangenen Jahr keine Region des westafrikanischen Landes von massiven Verlusten des Rinderbestands verschont. "In Tillabérie im Westen und in Maradi im Zentrum waren die Herden ebenso betroffen wie die im östlichen Diffa", berichtete der Vertreter der in der Hauptstadt Niamey ansässigen Nichtregierungsorganisation.

Noch haben die Experten des für Tierzucht zuständigen Ministeriums die gemeinsam mit der UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO) ermittelten endgültigen Zahlen über die Verluste nicht vorgelegt. Abarchi beziffert sie anhand einer von AREN durchgeführten Schätzung auf 60 bis 70 Prozent.

Der wissenschaftliche Experte Sahabi Barthé aus dem Ministerium für Viehzucht schätzt die Verluste noch höher ein und spricht von mindestens 80 Prozent. "Man hat den nomadisierenden Viehzüchtern zu spät geholfen, ihre Bestände zu schätzen", kritisierte er. "Die Zählung begann erst im Juni 2010, als die Tiere bereits völlig erschöpft waren", berichtete er. Nach der letzten landesweiten Viehzählung hatte es 2007 in Niger etwa 34 Millionen Stück landwirtschaftliches Nutzvieh gegeben, darunter zehn Millionen Rinder.

Mit den Verlusten ihrer Rinder büßten die Nomadenfrauen auch einen erheblichen Teil der bescheidenen Einkünfte ein, die sie mit dem Verkauf von Milch und Milchprodukten erzielen. "Es gibt einfach keine Milch mehr", klagte Maïmouna Ag Zeïdi aus dem westlichen Abala. Schon im Januar 2009, bei Beginn des sich ankündigen Notstands, hätte man in den Weidegebieten Futtervorräte anlegen müssen, kritisierte der Viehzuchtexperte Yahaya Touraoua, der als Berater für die Hilfsorganisation 'Oxfam Novib' in Niamey arbeitet.


Mehr Futterdepots und Brandschutzschneisen

Um in Zukunft einem Futternotstand vorzubeugen, empfehlen Herdenbesitzer und technische Experten Präventionsstrategien. So sollten noch vor Beginn einer Viehzählung mehr Vorratslager angelegt werden, die Futter verkaufen. Viehzüchter Bilal Adamou aus Abala forderte die Behörden und ihre Partner auf, solche Depots landesweit überall dort anlegen müssten, wo sie gebraucht werden. "Selbst wenn man die Herden rechtzeitig verkleinert, kommt man nicht über die Runden, wenn es kein Futter zu erschwinglichen Preisen gibt."

Abarchi zufolge ist der Futterbedarf Anfang 2009 auf 16.000 Tonnen geschätzt worden. Trotzdem habe die Regierung ihre Partner nur um 10.000 Tonnen gebeten.

Neben dem Futtermangel sieht der Aktivist Touraoua in den verheerenden Buschbränden ein weiteres Problem, das die Versorgungslage der Herden verschlechtert. "Seit Ende der diesjährigen Winteraussaat im November haben Buschfeuer landesweit insgesamt 300.000 Hektar Weideland vernichtet", berichtete er und berief sich auf offizielle Zahlen.

Brandschutzgräben und andere Barrieren sollen Abhilfe schaffen, wie der Regierungsbeamte Barthé ankündigte. "Mit Unterstützung verschiedener Geber hat die Regierung mit der Anlage von Schutzgräben in von Feuer bedrohten Weidezonen begonnen", sagte er. Zudem werden die Herdenbesitzer aufgefordert, ihre Futtervorräte besser zu schützen. "Wir haben uns zusammengetan und ziehen Schneisen, die das Feuer daran hindern sollen, sich in Weidegebieten auszubreiten", berichtete Adamou aus Abala.

Handarbeit reiche nicht aus, kritisierte Oxfam-Berater Touraoua. Sämtliche Landgemeinden müssten mit Traktoren ausgestattet werden, die diese Arbeit übernehmen, damit sich die Futtervorräte nachhaltig vor Feuer schützen lassen", erklärte der Fachmann.


Hoffen auf offene ECOWAS-Grenzen

In den Gebieten der nomadisierenden Hirtenvölker müsse zudem mehr für die Schulbildung der Kinder und für die Alphabetisierung der Frauen getan werden, forderte der Aktivist. Hadjo Adaye aus Ekrafane gab zu bedenken: "Diese Initiativen erreichen nicht jeden, denn wir ziehen viel umher."

Eine Verbesserung der Lage einheimischer Nomandenvölker erhofft sich der Regierungsbeamte Abarchi nicht zuletzt von der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS). "Wir plädieren für die Umsetzung der Vertragstexte über die freie Bewegung von Mensch und Tier im ECOWAS-Gebiet", sagte er. "Dann nämlich werden unsere Hirten auf der Suche nach Weideland für ihre Tiere auch über die Grenzen in Nachbarlände ausweichen können", betonte der Beamte. (Ende/IPS/mp/2010)


Links:
http://www.fao.org
http://www.oxfamnovib.nl/
http://www.ipsinternational.org/fr/_note.asp?idnews=6250


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 6. Dezember 2010
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2010