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KLIMA/026: Kopenhagen II - gibt es im Dezember ein neues Klimaabkommen? (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 158 - Oktober/November 2010
Die Berliner Umweltzeitung

Weltklimagipfel in Cancun
Kopenhagen II - gibt es im Dezember ein neues Klimaabkommen?

Von Felix Eick


Nachdem letztes Jahr Kopenhagen zu Brokenhagen wurde und somit kein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll zustande kam, treffen sich Umweltpolitiker im Konferenzsaal sowie Aktivisten und Demonstranten vor dem Veranstaltungsgebäude nun erneut vom 29. November bis 10. Dezember im mexikanischen Cancun. Das Ziel des Weltklimagipfels bleibt letztlich das gleiche. Es soll eine Lösung für den außer Kontrolle geratenden Klimawandel gefunden werden. Inzwischen ist wohl klar, dass global an einem Strang zu ziehen ist, um die CO2-Emissionen zu reduzieren, das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen und das ökologische Defizit zurückzuführen.

In Kopenhagen zeigte sich vor allem, dass kein Konsens der Entwicklungsländer mit den Industrieländern zu finden war. Das liegt sicherlich auch daran, dass sich diese beiden Parteien intern nicht einig sind. Daher lässt sich das Problem nicht mit dem Terminus "Nord-Süd-Konflikt" beschreiben. Die Problematik ist weiter gefächert. Diese vielen Einzelinteressen zusammenzuführen und in einem verbindlichen Papier zu formulieren, ist die Aufgabe der beabsichtigten "Roadmap" für ein verbindliches Klimaabkommen als Kyoto-Nachfolge. Im Gegensatz dazu steht das unverbindliche Abschlussabkommen von 2009 in der dänischen Hauptstadt.

Die festgeschriebenen Punkte waren: Schutz der Regenwälder, finanzielle Unterstützung der Industriestaaten für die Schwellenländer, CO2-Reduktionsverpflichtungen, die Klimaanpassung allgemein und ein globaler Know-How-Transfer. Obwohl es sich nur um ein unverbindliches Abkommen handelt, ist ein Kontrollsystem eingerichtet worden.


Schlechte Voraussetzungen für Klimaverhandlungen

Die Voraussetzungen für einen Weltklimagipfel sind schlechter geworden. Die Menschen glauben weder an die Fähigkeit ihrer sie vertretenden Politiker noch an ein Gelingen des Gipfels. Auch die mediale Aufmerksamkeit lässt logischerweise nach, beziehungsweise in den Medien wird von vornherein negative Stimmung den Gipfel betreffend verbreitet. Die Finanzkrise belastet die Staatshaushalte, wodurch die Finanzminister der Welt meinen, die in Kopenhagen zugesagten Verpflichtungen erst recht nicht einhalten zu können. Diese Kausalkette lässt sich fortführen, denn daraufhin verlieren die Entwicklungsländer vollends das Vertrauen in die Industrienationen, die größten CO2-Emittenten. Denn sie sollten als Vorbilder vorangehen.

Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind sich untereinander nicht einig. Während Deutschland noch mit recht ambitionierten Vorgaben vorangeht, beteiligen sich vor allem die südosteuropäischen Länder kaum.

Besonders fatal ist die Forderung führender Ökonomen aus dem "Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen" nach einer Politik der Adaption statt einer Politik, die sich bemüht, Kohlendioxid in möglichst großem Maßstab einzusparen. Sie sind der Meinung, es sei besser, die Politik daran anzupassen, dass es eben diese hohen CO2-Emissionen gibt, anstatt beispielsweise die Energiepolitik weg von der Kernkraft hin zu erneuerbaren Energieträgern verstärkt zu implementieren. Es ist nicht akzeptabel, sich mit der globalen Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung abzufinden.

International besteht mit den USA und China erst recht kein Einvernehmen im Umgang mit dem Klimawandel. Es geht ums Geld! Bei der Umstellung auf eine nachhaltige Politik fürchten die führenden Industrienationen ökonomische Verluste. So haben die USA bis heute kein Klimaschutzgesetz und keinen nationalen Emissionshandel, was für 2010 erwartet wurde.


EU muss Vorbild beim Klimaschutz sein

Die EU muss im Klimaschutz vorangehen und für China und die USA Vorbild sein. Sonst könnten sich viele Schwellen- und Entwicklungsländer an den Falschen orientieren beziehungsweise immer die Ausrede haben, dass nicht einmal die größten Emittenten den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren. Die großen Klimakonferenzen wie Kopenhagen und Cancun geben ihnen, aber auch den umweltschutzfeindlichen Staaten wie USA und China, zusätzlich die Möglichkeit, sich voll und ganz auf die Gipfel zu konzentrieren. Wenn eine Konferenz scheitert, können sie sich auf das Versagen des Kollektivs berufen. Da sie keine eigenen Klimaschutzstrategien verfolgen, ist ein Scheitern von Cancun umso schlimmer und der Druck von außen umso höher.

Auch wenn es immer heißt, die internationalen Klimaschutzbemühungen seien erfolgreicher, wenn sie im Rahmen der UN organisiert sind, ist es doch das Wichtigste, ein gewisses Eigeninteresse an der Erholung des Weltklimas zu schaffen. Die Notwendigkeit von nachhaltiger Entwicklung muss von der Weltgemeinschaft eingesehen werden. Unternehmen, Regierungen und die Bevölkerung müssen selbst die Umstellung auf erneuerbare Energien, Energieeffizienz, ökologische Verbraucherpolitik und auf eine Politik, welche nicht in erster Linie auf Wirtschaftswachstum setzt, wollen. Der Einfluss der Lobbyisten und Wirtschaftseliten muss abnehmen. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass die deutschen Atomkonzerne mehr Einfluss auf die energiepolitische Zukunft Deutschlands haben als Verfassungsorgane wie der Bundesrat oder das Volk.

Wirtschaftswachstum ist immer noch wichtiger als Klimaschutz. Das ist der bei weitem schlechteste und für Cancun ungünstigste Ausgangspunkt. Besonders bedenklich ist dieser Umstand in Bezug auf die Schwellenländer, insbesondere die "BRICK-Staaten" (Brasilien, Russland, Indien, China, Kasachstan). Von diesen Ländern, die zum Teil sogar Megadiversitätsländer (Staaten mit großer Artenvielfalt) sind, ist ein enorm hoher Ausstoß von Kohlendioxid zu erwarten, da sie allesamt Wachstumsraten von fünf bis zehn Prozent vorzuweisen haben. In Cancun muss also vor allem auch auf diese Nationen ein Hauptaugenmerk gelegt werden.

Wie allerdings ein kollektives System der Klimarettung gefunden werden kann, ist nicht klar.

Jemand, der zu viel von Cancun erwartet, wird sich wohl im Nachhinein vor Enttäuschung von den Klippen von Acapulco stürzen.

Dennoch wäre es völlig falsch, den Mut zu verlieren. Es ist wichtig, sich auch über kleinere Erfolge zu freuen. Zudem kann die geringe Erwartungshaltung an Cancun auch gerade die Chance für die mexikanische Stadt am Pazifik sein. Weniger als in zwei Wochen Kopenhagen kann in Cancun nicht herauskommen. Hierin liegt möglicherweise die große Chance, ein Kopenhagen II zu verhindern und klimapolitisch doch einen möglicherweise entscheidenden Schritt vorwärts zu kommen.

Offizielle Internetseite: cc2010.mx/en/index.htm


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Schmelzen die Hoffnungen auf erfolgreiche Klimaverhandlungen in der Sonne Mexikos dahin?


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Quelle:
DER RABE RALF - 21. Jahrgang, Nr. 158, Oktober/November 2010, S. 14
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2010