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KLIMA/017: UNO-Klimagipfel in Cancun - ein zweites "Kopenhagen"? (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 47 vom 26. November 2010
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

UNO-Klimagipfel in Cancun - ein zweites "Kopenhagen"?

Von Hans-Peter Brenner


Ein gutes Jahr nach dem Scheitern des UNO-Klimagipfels in Kopenhagen tendiert die - auch medial gesteuerte - Erwartungshaltung gegenüber dem Folgegipfel im mexikanischen Badeort Cancun gegen Null. Dort sollen vom 29. November bis 10. Dezember die Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen für das 2012 auslaufende Klimaschutzprotokoll von Kyoto beginnen.

Die Presseagenturen und andere bürgerliche Medien betonen das Misstrauen zwischen den Teilnehmerstaaten und internationalen Organisationen sowie den "fehlenden politischen Willen, den Klimaschutz aus der Sackgasse zu holen." Der letzte Vorbereitungsgipfel Ende September im chinesischen Tianjin war tatsächlich kein gutes Omen. Am Ende warfen sich besonders die USA und China gegenseitig Untätigkeit vor. Im offenen Streit zwischen den beiden größten Emissionsstaaten des klimaschädlichen CO2 drückten sich die großen Differenzen zwischen den kapitalistischen Industrienationen und den so genannten "Entwicklungsländern" und "Schwellenländern" über die Frage aus, wer mehr für den Kampf gegen die Erderwärmung sollte. Aber auch die innerimperialistischen Widersprüche waren nicht zu übersehen: hie die wegen ihrer "Bremserrolle" international fast schon geächteten USA, dort die vordergründig auf "strengere" Regeln drängenden imperialistischen Staaten der EU.

Nach dem misslungenen Vorbereitungstreffen von Tianjin sei in Cancun ein "Rückfall" zu befürchten, warnte Martin Khor, Direktor des "Third World Network", einer Nicht-Regierungsorganisation (NGO) von Globalisierungskritikern des Südens. Und auch Huang Huikang, verantwortlicher Klimapolitiker im chinesischen Außenministerium, beklagte stellvertretend für viele industriell weniger entwickelte Staaten: "Wir verlieren Zuversicht und Vertrauen."

Angesichts dieser frucht- und sinnlosen Debatte liegt es nahe, wie der Klimadirektor von Greenpeace, Wendel Trio, von einem "Kindergarten" zu sprechen. Aber es geht wahrlich nicht einfach um "psychologische" Mechanismen, mit denen die Stagnation in Sachen internationaler Klimapolitik zu erklären ist.


Profit geht vor Umwelt

Hatte der mächtige Block der EU sich - voran die BRD mit ihrer "Klima-Kanzlerin" - vor dem Kopenhagen Gipfel in den Jahren 2008 und 2009 eine gewisse Zeit als internationaler "Klima-Vorreiter" aufgespielt, so ist spätestens seit dem Klima-Gipfel der EU Mitte 2010 bereits ein Wandel zu verzeichnen. Diese Kehrtwende wurde besonders auf Druck der deutschen Regierung und Monopole vollzogen. Deutschland, als "Wirtschaftslokomotive und Automobilnation Nr. 1" - blockte auf dem EU-Klima-Gipfel Vorschläge selbst von Umwelt- und Klima-Experten der eigenen Administration ab, die verbindlichere Maßnahmen wie eine zügigere Umstellung der Automobilkonzerne auf die Produktion umweltfreundlicherer Antriebssysteme vorsahen.

Und jetzt - wenige Tage vor dem Cancun-Gipfel - legen die mächtigen imperialistischen EU-Staaten nach: Um Länder wie China und andere kleine und industriell schwach entwickelte Staaten zu ihnen genehmen Preisen und Liefermengen für die "seltenen Rohstoffe" zu zwingen, die im Bereich der Hochtechnologie für sie unverzichtbar sind, wird ihnen mit dem Entzug von "Handelsprivilegien" gedroht. Die Europäische Kommission will sich über die Europäische Investitionsbank (EIB) unmittelbar in die Förderprogramme und -konzepte dieser Staaten einmischen. Aus einem internen Strategiepapier, das EU-Industriekommissar Antonio Tajani eigentlich offiziell erst im Dezember vorstellen wollte, zitiert die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung' vom 20.11.: "Der Umweltschutz dürfe der Förderung von wichtigen Rohstoffen nicht automatisch im Wege stehen ... Das gelte auch für die 'Natura-2000'-Schutzgebiete."

'Natura-2000', dieses Netz besonders ausgewählter und gefährdeter Gebiete, unterliegt international der Konvention über biologische Vielfalt (CBD, Rio 1992) zum Schutz der biologischen Vielfalt von Arten und Lebensräumen.

Auf dem Europäischen Rat im Jahr 2001 in Göteborg hatten die EU-Mitgliedstaaten außerdem beschlossen, bis zum Jahr 2010 den weiteren Verlust an biologischer Vielfalt zu stoppen ("2010-Ziel"). Darüber setzt die EU sich - wie in anderen Fragen der Umwelt- und Klimapolitik - im Interesse des Monopolkapitals massiv hinweg.


UNO dämpft die Erwartungen

Und der Veranstalter selbst? Die Chefin des UN-Klimasekretariats, Christiana Figueres, warnte zwei Wochen vor dem Start des Klimagipfels auf einer Pressekonferenz in Bonn vor "zu großen Hoffnungen". Der Gipfel von Kopenhagen habe gezeigt, dass es unrealistisch sei, "in einem Schritt" zu einem umfassenden Klimaschutzabkommen zu kommen.

Positiv sei aber, dass viele Staaten auf nationaler Ebene versuchten, den Klimaschutz voranzutreiben.

Figueres lobte in diesem Zusammenhang besonders das Beispiel Chinas. Der neue 5-Jahres-Plan beinhalte viele Anstrengungen für mehr Energieeinsparungen und den Ausbau der erneuerbaren Energien, erklärte sie. Kleine Länder wie die Malediven oder Costa Rica unternähmen auf nationaler Ebene aber ebenfalls "erstaunliche Anstrengungen". Dennoch äußerte sie mit Blick auf den großen Klimagipfel starke Skepsis. Der Hauptunterschied zwischen dem gescheiterten Gipfel von Kopenhagen und dem bevorstehenden in Cancun werde voraussichtlich "nur das Wetter" sein.


Der Klima-Flop von Kopenhagen

Man erinnere sich: Das Kyoto-Protokoll als wichtigstes Instrument der UNO zur Eindämmung von klimaschädlichen Treibhausgasen läuft Ende 2012 aus. Letztes Jahr scheiterte der Gipfel von Kopenhagen über neue verbindliche Reduktionsziele vor allem am Widerstand der entwickelten kapitalistischen Staaten.

Die Vertreter von über 120 Ländern einigten sich lediglich auf die Begrenzung des Anstiegs der globalen Durchschnittstemperatur auf unter zwei Grad. Über den Weg und über die nötigen verbindlichen Maßnahmen gab es keine Einigung. Die uz sprach damals (25.12.09) von einem "Gipfel der Verantwortungslosigkeit", von "Wut und Enttäuschung" über den "Mini-Konsens" von Kopenhagen und gab folgende Kritik von Teilnehmern wider: "Im Konferenzgebäude selbst waren deutlich härtere Töne zu hören: 'Verbrechen', 'Verrat an unserer Zukunft' - das waren die Urteile vor allem von Vertretern der kleineren und ärmeren Staaten und von Ländern mit sozialistischer oder antiimperialistischer Orientierung wie Venezuela, Kuba und Bolivien."

Seither hat sich die Klimabilanz weiter verschlechtert und sind die dramatischen Folgen des von der kapitalistischen Produktionsweise verursachten beschleunigten Klimawandels deutlich wie nie zuvor. Die riesigen Brände in Russland und die Überschwemmungskatastrophe in Pakistan mögen zwar fast schon wieder aus dem Massenbewusstsein verschwunden sein, aber der Klimawandel schreitet unerbittlich fort. Auch im gemäßigten Klima Mitteleuropas häufen sich ungewöhnliche Wetterextreme mit Hitzewellen, plötzlichen sintflutartigen Regenfällen und Tornados. Und der feuchte Herbst ließ die Winzer in Rheinland-Pfalz laute Klagelieder anstimmen, wonach der Klimawandel jetzt auch in den hiesigen Regionen seine negativen Folgen zeige.

Ob "Cancun" der befürchtete Flop wird, kann auch uns nicht egal sein. Deswegen muss man aber nicht zum Wein-Liebhaber werden.


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"Unsere Generation erlebt ... eine dramatische Zuspitzung der ökologischen Krise. Der Klimawandel beschleunigt sich. Bereits jetzt ist absehbar, dass es vor allem die verarmten, durch die transnationalen Konzerne und Neo-Kolonialismus ausgeplünderten Staaten und Regionen des "Südens" sind, die am meisten unter den Umweltkatastrophen zu leiden haben. Armut, Unterentwicklung und Klimaschäden bedingen sich auf verhängnisvolle Weise. Doch der Klimawandel macht um Europa und die Bundesrepublik Deutschland keinen Bogen.
Es bestätigt sich die Marxsche Einschätzung, die wir im Programm unserer Partei aufgreifen: "Das kapitalistische Profitprinzip ist zu einer Gefahr für den Fortbestand der menschlichen Zivilisation geworden. Die kapitalistische Produktion ... untergräbt: die Erde und den Arbeiter." (Karl Marx: Das Kapital, Bd. 1)"

Aus: Politische Resolution des 19. Parteitags der DKP


"Wir orientieren angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen in der heutigen Situation auf: ...
... die Bewahrung und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen der Gattung Mensch und den Kampf gegen die Hauptverursacher, die vom kapitalistischen Profitprinzip und den Großkonzernen verursachte Deformierung der Produktivkraftentwicklung, der künstlichen Beschleunigung des Klimawandels und der Ausplünderung der natürlichen Ressourcen zum Zwecke der besseren Kapitalverwertung.
Wir qualifizieren und entwickeln unsere Aussagen und Einschätzungen zur Ökologie und zur Klimathematik weiter, koordinieren unsere innerparteilichen Kompetenzen, entwickeln die schon bestehenden umwelt- und klimapolitischen Ansätze weiter, engagieren uns in entsprechenden Initiativen und Bewegungen."

Aus dem Beschluss des 19. Parteitags der DKP: "Aufgaben und Orientierungen der DKP"


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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 42. Jahrgang, Nr. 47,
26. November 2010, Seite 3
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2010