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KATASTROPHEN/124: Umweltkatastrophen im Bergbau (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1077, vom 11. Dez. 2015 - 35. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Umweltkatastrophen im Bergbau


Der Bergbaubranche, die Rohstoffförderung und -verarbeitung gelten als die weltweit größten Umweltverschmutzer. So kommt es beispielsweise immer wieder zum Bersten riesiger Absetzteiche, in denen die Bergbauunternehmen mehr oder weniger giftige Schlämme ablagern. Leider hat der WASSER-RUNDBRIEF schon viel zu oft über Katastrophen im Gefolge der Havarien von Absetzteichen berichten müssen:

So informierte der WASSER-RUNDBRIEF Nr. 546 über das Bersten eines riesigen Absetzteiches in Rumänien im Febr. 2000. Die abfließenden Zyanidschlämme vergifteten die Theiss und die Donau. Schon 1998 war der Absetzteich eines Bergbauunternehmens in Andalusien gebrochen und hatte den Guadalquivir vergiftet (s. RUNDBR. 463/1). Vielen LeserInnen sind sicher auch noch die berstenden Absetzteiche einer Aluminiumfabrik in Ungarn in Erinnerung. Im Herbst 2010 hatte der "Rotschlamm" aus den Absetzteichen einen ganzen Landstrich verwüstet.

Der vorliegende RUNDBR. greift zwei weitere Megakatastrophen im Metallbergbau auf. In Brasilien hat der Schlamm aus dem gebrochenen Absetzteich einer Erzmine im Nov. 2015 in einem rund 700 Kilometer langen Flussabschnitt jegliches Leben erstickt. Und bereits im letzten Jahr hatte der Bruch eines Absetzteiches in einer total jenseitigenn Region von British Columbia Flüsse und Seen vergiftet. Viele ähnliche Katastrophen in abgelegenen Regionen von Dritt-Welt-Staaten werden in unseren Medien erst gar nicht erwähnt. Klärschlammlawine in Brasilien - die größte Flusskatastrophe des Landes Als am 05.11.2015 - vermutlich infolge eines leichten Erdbebens - zwei von drei Dämmen eines Absetzbeckens des Bergbauunternehmens Samarco brachen, wurden binnen kurzer Zeit 50 Millionen Tonnen Klärschlamm freigesetzt. Diese Schlammlawine traf kurze Zeit später das zwei Kilometer entfernt liegende 600-Seelen-Dorf Bento Roudrigues.

Die Bilanz dieser Havarie nennt 13 Tote, 16 Verletzte, bis dato 10 Vermisste und 2000 Obdachlose. Der Schlammstrom bahnte sich seinen Weg über einen Seitenfluss in den Rio Doce (dt. "süßer Fluss") und kontaminierte dort 666 Flusskilometer. 200.000 Menschen, die vom Fluss als Süßwasserquelle abhängen, sind nun auf die Versorgung durch Tanklaster angewiesen. Der Biologe Marcos Freitas der Universität in Rio de Janeiro nennt den Rio Duce einen "biologischen Friedhof", der Schlamm habe jegliches Leben im Fluss ausgelöscht. Am 20. November 2015 erreichte der Schlamm den Atlantik und bedroht dort nun das empfindliche Ökosystem mit seinen wertvollen Korallenriffen. Die Regierung geht davon aus, dass es mindestens 25 Jahre dauern wird, bis sich die Natur wieder erholt hat. [Falls man die Erfahrungen mit der Sandoz-Katastrophe von 1986 am Oberrhein auf den Rio Doce übertragen kann, wird die Regeneration des Flusses deutlich schneller von Statten gehen.] Noch ist nicht bekannt, ob der Schlamm im Fluss endemische Arten vollständig ausgerottet hat. In einem Land wie Brasilien, in dem immer noch Waldrodung und verseuchte Flüsse trauriger Alltag sind, spricht man nun von der größten Umweltkatastrophe in der Geschichte des Landes. -am-


Rio Doce-Desaster: Höhepunkt einer zweifelhaften Unternehmenspolitik

Der Betreiber des Absetzbeckens, die Firma Samarco, ist der profitabelste Eisenerzproduzent der Welt. Von den 2,5 Mrd. Euro Umsatz im Jahr 2014 konnte fast die Hälfte als Profit verbucht werden. Samarco ist ein Joint Venture des australischen BHP Billiton, dem größten Bergbauunternehmen der Welt, und des brasilianischen Vale, dem drittgrößten Bergbauunternehmen. Vor allem für Vale ist die Havarie von Bento Roudrigues nur der Höhepunkt einer zweifelhaften Unternehmenspolitik. Im Jahr 2012 wurde dem Unternehmen von EvB (Erklärung von Bern) und Greenpeace Schweiz das Public Eye, der alljährliche Schmähpreis für das schlechteste Unternehmen, verliehen. Das Public Eye wird Unternehmen verliehen, die durch ihre "sozialen und ökologischen Vergehen die Kehrseite einer rein profitorientieren Globalisierung zeigen" (EvB). So machte sich Vale in den vergangen Jahren in Dutzenden Ländern gravierender Arbeitsrechtsverletzungen schuldig und fördert den seit Jahrzehnten in der Öffentlichkeit heftig kritisierten Bau des Wasserkraftwerks Belo Monte im Amazonasgebiet (s. RUNDBR.1075/1-2).

In den ersten Tagen nach der Katastrophe beschworen Unternehmenssprecher, dass die Schwermetallgehalte im Schlamm für die Gesundheit der Menschen ungefährlich seien. Samarco erklärte, dass der Schlamm hauptsächlich aus Silizium bestehe und somit keine Gefahr darstelle. Laut VANIA SOMAVILLA, der Direktorin für Gesundheit und Sicherheit von Vale, seien zwar erhöhte Schwermetallkonzentrationen festzustellen, aber diese würden nicht aus dem Schlamm stammen, sondern seien bereits im Fluss gewesen und lediglich erodiert worden. Dem widersprachen der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und Umwelt, JOHN KNOX und der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und gefährliche Substanzen und Abfälle BASKUT TUNCAK in einer öffentlichen Mitteilung. Sie werfen den Betreibern und der Regierung vor, nicht genug zu unternehmen, um den Schaden zu begrenzen. Es sei der "falsche Moment, jetzt in die Defensive zu gehen", warnte JOHN KNOX. Es sei nicht akzeptabel, dass es drei Wochen gedauert habe, bis eine Risikoabschätzung zum Unglück vorlag, kritisiert BASKUT TUNCAK. - am-


Im Schlamm der Korruption

Mittlerweile hat Samarco für eine Entschädigung die Zahlung von 240 Mio. Euro zugestanden - viel zu wenig, so auch die Meinung der Regierung. Der Bundesgeneralanwalt LUÍS INÁCIO ADAMS bereitet nun eine Klage gegen Samarco vor - mit der Forderung einer Schadensersatzzahlung von 5 Mrd. Euro über einen Zeitraum von 10 Jahren. Die brasilianische Umweltministerin IZABELLA TEIXEIRA sieht vor, das Geld in einen Umweltfond fließen zu lassen, der für die Sanierung des Rio Doce und die Entschädigung der betroffenen Bevölkerung genutzt werden soll. Der Anwalt MAURICIO GUETTA der Umweltrechtsorganisation Instituto socioambiental warnte, dass das brasilianische Rechtsystem im Bereich der Entschädigungszahlungen fortschrittlich sei, es jedoch oftmals an der Umsetzung mangele - ganze 97 Prozent der verhängten Bußgelder würden nicht gezahlt werden. Gründe für diesen Missstand zeigen sich auch in der neu gegründeten Parlamentskommission, die sich mit Umweltauflagen im Bergbausektor beschäftigen soll - der größte Teil der Kommissionsmitglieder erhielt bereits Wahlkampfspenden von eben jenen Bergbauunternehmen, über die sie nun entscheiden sollen. Es bleibt zu beobachten, ob die brasilianische Regierung in der Lage ist sich und ihr Land vom giftigen Schlamm der Korruption zu befreien. -am-



Mehr Infos zur Rio Doce-Katastrophe ...
... gibt es auf folgenden Homepages [1]

Raute


BC: Goldmine vergiftet den "saubersten Tiefwassersee der Welt"

Im kanadischen British Columbia (BC) hat sich am 4. August 2014 eine der schlimmsten Bergbaukatastrophen des Landes ereignet. Der Damm der Mount Polley Goldmine war gebrochen. Es strömte eine riesige Masse an giftigen Schlämmen und giftigen Abwässern in den daneben liegenden Polley Lake. Dessen Pegel stieg darauf hin um 150 Zentimeter. Von dort aus breitete sich die giftige Brühe in den Hazeltine Creek Fluss und dann über weitere Abflüsse in den Quesnel Lake. Dieser See galt bis dahin als sauberster Tiefwassersee der Welt. Der Hazeltine Creek Fluss ist eigentlich nur ein sehr kleiner Fluss mit einer Breite von zwei Metern, doch durch die 4,5 Millionen Kubikmeter Schlamm und die 10 Millionen Kubikmeter Abwasser erreichte er eine Breite von 40 Metern. Es wurde ein striktes Trinkwasserverbot verordnet, da Abkochen und Chloren gegen Arsen, Blei und Nickel nicht hilft Der regionale Notstand wurde daraufhin ausgerufen. Die Kritik an der Goldfirma Imperial Metals wurde nun natürlich lauter, obwohl sie über die Jahre bereits einige Kritik erfahren hatten. Ihr nicht vorhandener Notfallplan wurde öfters kritisiert, genauso wie ihre schlechte Informationspolitik gegenüber den First-Nation-Gemeinschaften. Die giftige Schlammflut hatte verheerende Wirkung auf die Tierwelt. Vor allem bei den Lachsen wurden Schädigungen durch den Schwermetall haltigen Schlamm vermutet. Der Präsident der Goldabbaufirma, Brian Kynoch, entschuldigte sich bei der Öffentlichkeit und hat seine Arbeiter mit der (wohl eher nur symbolischen) Reinigung des Gebietes beauftragt. -ss-


Das Mount Polley-Goldminen-Desaster ...

... ist in den hiesigen Medien so gut wie gar nicht vorgekommen. Dafür gibt es im Internet einige beeindruckende Dokumente: Für einen Blick vor Ort und von oben wurde dieses Video per Hubschrauber gefilmt:
http://www.youtube.com/watch?v=bGc6oHHPNGo

Die buchstäbliche Schneise der Verwüstung, die man sich anschauen sollte - damit man sich gegenwärtig wird, zu welchen Katastrophen die Gier nach Gold führt. - Für einen Vorher/Nachher Vergleich der Verwüstung: [2]

Weitere Informationen: [3]

[1]
http://www.nzz.ch/panorama/ungluecksfaelle-und-verbrechen/brasiliens-toter-fluss-1.18648108
https://de.wikipedia.org/wiki/Rio_Doce#cite_note-3
http://derstandard.at/2000026833481/Der-Rio-Doce-in-Brasilien-ist-ein-biologischer-Friedhof
http://infograficos.oglobo.globo.com/brasil/entenda-o-acidente.html
http://www.spiegel.de/panorama/brasilien-schlammlawine-begraebt-dorf-nach-unglueck-im-bergwerk-a-1061416.html
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/samarcos-giftschlamm-unfall-brasilien-fordert-milliardenbetrag-nach-bergwerks-dammbruch/12652034.html
http://www.handelsblatt.com/panorama/aus-aller-welt/bhp-und-vale-in-der-krise-fataler-dammbruch-schockt-brasilien/12554958.html
http://www.sueddeutsche.de/panorama/brasilien-klage-gegen-samarco-1.2759631
https://de.wikipedia.org/wiki/Dammbruch_von_Bento_Rodrigues
https://www.evb.ch/medien/medienmitteilung/public_eye_2012_schmaehpreise_gehen_an_barclays_und_vale/
www.ohchr.org/en/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=16803&LangID=EA

[2] http://en.wikipedia.org/wiki/Mount_Polley_mine_disaster#mediaviewer/File:Mount_Polley_Mine_dam_breach_2014.jpg

[3] http://www.cbc.ca/news/canada/british-columbia/mount-polley-mine-spill-minister-reveals-plans-for-2-reviews-1.2739488
http://www.theglobeandmail.com/news/british-columbia/bc-further-rescinds-water-use-ban-near-mount-polley-mine-spill/article20024690/
http://www.huffingtonpost.com/joel-reynolds/now-showing-pebble-mines_b_5659533.html


Ein umfangreiches Dossier über die ökologischen und sozialen Schäden im Gefolge des weltweiten Goldabbaus können reguläre AbonnentInnen des BBU-WASSER-RUNDBRIEFS als pdf-Dokument kostenlos via nik@akwasser.de anfordern.

*

Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1077
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2016

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