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KATASTROPHEN/071: Kiribati - An den Überschwemmungen ist nicht immer der Klimawandel schuld (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Oktober 2013

Kiribati: Angst vor dem Untergang - Doch an den Überschwemmungen ist nicht immer der Klimawandel schuld

von Christopher Pala


Bild: © Christopher Pala/IPS

Gebrochener Deich im Pazifikstaat Kiribati
Bild: © Christopher Pala/IPS

Tarawa, Kiribati, 2. Oktober (IPS) - Regierungsbeamte im kleinen pazifischen Inselstaat Kiribati machen in aller Regel den Anstieg des Meeresspiegels infolge des Klimawandels für Überschwemmungen verantwortlich. Doch nach Ansicht von Wissenschaftlern sind die Probleme vorwiegend hausgemacht oder auf das natürliche Klimaphänomen 'El Niño' zurückzuführen.

Der Staatspräsident von Kiribati, Anote Tong, spricht auf internationalen Klimakonferenzen immer wieder von der Gefahr, dass das Hauptatoll Tarawa untergehen könnte. Die rund 103.000 Einwohner von Kiribati führten einen täglichen Kampf gegen den steigenden Meeresspiegel, erklärt er. Das US-Magazin 'The Nation' hat sogar für ein Interview mit Tong, der als inoffizieller Sprecher der Koralleninseln im Pazifischen und Indischen Ozean gilt, den Titel 'Interview mit einem ertrinkenden Präsidenten' gewählt.

"Eine ganze Insel ist verschwunden, ein Dorf musste evakuiert worden. Unsere Süßwasserquellen werden kontaminiert und unsere Ernten gehen zurück", beklagte Tong im Gespräch mit IPS. Sein Land sei dem Klimawandel ausgeliefert. Die Zeit für die Umsiedlung der Bevölkerung werde knapp.

Eine wissenschaftliche Studie jedoch kommt zu dem Schluss, dass der südliche Teil von Tarawa, wo mehr als die Hälfte der Einwohner von Kiribati lebt, an Landmasse gewonnen hat. Nachdem Riffe mit Sand aufgeschüttet wurden, ist Süd-Tarawa innerhalb von 30 Jahren um fast 20 Prozent gewachsen. Der zumeist unbewohnte Norden des Atolls ist der Untersuchung zufolge weder geschrumpft noch größer geworden. Einem weiteren Bericht zufolge verhält es sich mit 27 weiteren Pazifik-Atollen ähnlich.

Tetabo Nakara ist ein ehemaliger Umweltminister Kiribatis. Er begründet seinen Rücktritt vor einigen Jahren damit, von Präsident Tong dazu gezwungen worden zu sein, die Umsiedlung der Bewohner und nicht Veränderungen der Küstenbewirtschaftung in den Vordergrund seiner Politik gestellt zu haben.


Besonders starker Anstieg des Meeresspiegels im Zentralpazifik

Klimawissenschaftlern zufolge hat sich der Meeresspiegel in der nahe am Äquator gelegenen zentralpazifischen Region seit 1950 so rasch erhöht wie nirgendwo sonst auf der Welt. Allein in den vergangenen 20 Jahren wurde ein Plus um 5,9 Zentimeter gemessen. Der Grund ist die zunehmende Erderwärmung durch Treibhausgase wie Kohlenmonoxid und Methan, die auch die Meereswassertemperaturen erhöht. Da warmes Wasser mehr Raum einnimmt als kaltes, kommt es vermehrt zu Überschwemmungen. Als zweiter Grund wird die Gletscherschmelze in Grönland und der Antarktis genannt, durch die Süßwasser in die Meere gelangt.

Tongs Berater in Klimafragen, Andrew Teem, zeigt ausländischen Besuchern gern die Schäden, die die Regierung auf den Anstieg des Meeresspiegels zurückführt. So ist am Rand des Dorfes Eita einer der vielen Deiche gebrochen. "Wir haben diesen Deich vor einigen Jahren gebaut, um die Wellen zurückzuhalten", erklärte er. "Während eines Sturms wurde er jedoch beschädigt. Seitdem wird die Lücke immer größer."

Teem wies außerdem darauf hin, dass die Bikeman-Lagune einst reich mit Kokospalmen bewachsen war. Inzwischen ist sie nur noch eine schmale Sandbank, die kaum am Horizont zu erkennen ist und bei einer Flut vollständig überspült wird.

15 Flugminuten entfernt befindet sich die Insel Abaiang. Dort liegt das Dorf Tebunginako, dessen Einwohner 2005 ihre etwa 100 Häuser einen halben Kilometer von der Küste entfernt wiederaufbauen mussten. Zuvor war eine Sandbank, die eine Süßwasserlagune schützte, vom Meer weggespült worden. Mehrere Häuser und Anbauflächen wurden weggespült. Zahlreiche auf der Internet-Plattform YouTube gepostete Videos zeigen die Katastrophe.


Mangelhaft konstruierte Dämme gebrochen

Experten sind sich allerdings sicher, dass diese Ereignisse wenig mit dem Klimawandel zu tun haben. Der Deich in Eita war gebaut worden, um ein tiefliegendes Mangroven-Gebiet zu schützen, das mit Korallensand aufgefüllt worden war, um als Baugrund für zugezogene Inselbewohner zu dienen. Allerdings war dieser Deich, wie viele andere auch, mangelhaft konstruiert; er reflektierte die Wucht der Wellen so ungünstig, daß diese seine Basis aus Sand wegspülten.


Inselerhaltender Sandnachschub unterbunden

Die kleine Insel Bikeman verschwand, weil ein Damm zwischen zwei Teilen eines Atolls angelegt worden war. Er verhinderte, dass weiterhin Sand aus dem Meer angespült werden konnte. Ohne diesen Nachschub wurde der Sand allmählich von den Wellen weggespült. An anderen Orten der Lagune wurden die Strände dadurch größer.

Erosion plagt auch die Dorfbewohner von Tebunginako. Wissenschaftler fanden heraus, dass ein in der Nähe befindlicher Durchlass ein Jahrhundert zuvor verschwunden war und der Nachschub an Sand dadurch ausbleibt.

Die Flutkatastrophe von 2005 wurde durch das Klimaphänomen 'El Niño' verursacht, das durch Veränderungen im Strömungsverlauf wärmeres Wasser in den Pazifik leitet. Mit dem Klimawandel wird dieses Phänomen nicht in Verbindung gebracht. El Niño habe dazu geführt, dass sich der Meeresspiegel in Tarawa in dem Jahr um mehr als 15 Zentimeter erhöht habe, sagte der Klimaexperte Simon Donner von der Universität in British Columbia. Dieser Stand sei seitdem nicht wieder erreicht worden.

"Ein Besuch in Tarawa kann den falschen Eindruck erwecken, dass es dort aufgrund des Klimawandels ständig zu Überflutungen kommt", sagte er. "Sicherlich steigt der Meeresspiegel dort an, aber die Menschen begehen oft grundlegende Fehler, wenn sie aktuelle Ereignisse nur durch den Klimawandel erklären."

Der Weltklimarat IPCC sieht einen weltweiten Anstieg der Meerespegel zwischen 25 Zentimetern und einem Meter bis zum Jahr 2100 voraus. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs11625-013-0210-z#page-1
http://www.ipcc.ch/
http://ict.sopac.org/VirLib/ER0053.pdf
http://www.ipsnews.net/2013/09/a-drowning-president-speaks-out/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 2. Oktober 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Oktober 2013