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KATASTROPHEN/060: Nepal - Katmandu einsturzgefährdet, Gebäude sollen bebensicher werden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Juli 2013

Nepal: Katmandu einsturzgefährdet - Gebäude sollen bebensicher werden

von Naresh Newar


Bild: © Naresh Newar/IPS

Mehr als 90 Prozent der Gebäude in Nepals Städten sind nicht erdbebensicher
Bild: © Naresh Newar/IPS

Katmandu, 16. Juli (IPS) - Sainik Raj Singh hat einen verantwortungsvollen Job. Er leitet die Abteilung für die Einhaltung der Baubestimmungen und Erdbebensicherheit von Lalitpur, einer zehn Kilometer von der nepalesischen Hauptstadt Katmandu entfernten Gemeinde. In dieser Funktion muss er schon mal hart gegen Bausünder vorgehen. "Man macht sich viele Feinde, wenn man den Baufirmen auf die Finger sieht", räumt er ein. "Doch wird es höchste Zeit, dass die Vorschriften streikt eingehalten werden." Denn Nepal ist auf Naturkatastrophen bisher nur ungenügend vorbereitet.

Singh hat ein mulmiges Gefühl, wenn er die zahlreichen Gebäude sieht, die in Katmandu illegal errichtet wurden. Das Netzwerk 'GeoHazards International' (GHI) stuft die nepalesische Hauptstadt Katmandu als weltweit bebengefährdetste Stadt der Welt ein. Sie liegt auf der so genannten Indischen Platte, die ständig weiter gegen die Tibetische Platte drängt. Deshalb muss hier verstärkt mit seismischen Aktivitäten gerechnet werden, die neben Beben auch Erdrutsche und Brände auslösen können.

Auch Moira Reddick, die Koordinatorin des 'Nepalesischen Konsortiums für Risikoverringerung (NRRC) ist beunruhigt. "Ich fürchte mich davor, dass wir einen Punkt erreichen könnten, an dem wir uns fragen, warum wir früher nicht mehr getan haben."

In Katmandu mit rund 1,5 Millionen Einwohnern herrscht Alarmstufe Rot. Die Nationale Gesellschaft für Erdbeben-Technologie (NSET) geht davon aus, dass mehr als 90 Prozent der Häuser in den Städten des südasiatischen Himalaja-Staates mit insgesamt rund 30,9 Millionen Einwohnern einem Beben nicht standhalten würden.


Häuser ohne Architekten gebaut

Laut NRRC kommen in Katmandu jährlich rund 3.000 Gebäude hinzu, die unsachgerecht konstruiert worden sind. Dem Konsortium gehören Regierungsbehörden, Geber, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und Vertreter der Vereinten Nationen an. Ein Erdbeben der Stärke 8,0 auf der Richter-Skala könnte demnach binnen Sekunden 100.000 Menschen töten, 300.000 verletzen und mehr als eine Million obdachlos machen. Es gelte umgehend Maßnahmen zur Katastrophenprävention umzusetzen.

Die nepalesischen Baubestimmungen waren 1994 eingeführt worden, nachdem sechs Jahre zuvor 721 Menschen bei einem schweren Erdbeben im Osten des Landes ums Leben gekommen waren. Zahlreiche Häuser, die nicht bebenfest waren, wurden zerstört. Fast ein Vierteljahrhundert später wird das Gesetz allmählich befolgt.

Die Regierung unterstütze die Kommunen aktiv bei der Umsetzung der Baubestimmungen, erklärt Singh. Zunächst müsse sichergestellt werden, dass Wohnhäuser, Schulen und Geschäftsgebäude einem Erdbeben jedweder Stärke standhalten könnten, sagt er.


Haiti als warnendes Beispiel

Das Beben der Stärke 7,0, das im Jahr 2010 in dem Karibikstaat Haiti etwa 200.000 Menschen in den Tod riss, 1,5 Millionen ihrer Bleibe beraubte und 70 Prozent aller Häuser zum Einstürzen brachte, war ein Warnsignal, das auch Nepal erreichte. In Haiti wurden rund 250.000 Wohn- und 30.000 Geschäftsgebäude dem Erdboden gleichgemacht. Auch in dem Karibikstaat waren viele eingestürzte Häuser ohne Architekten oder Ingenieure gebaut worden.

In Nepal sorgt man sich auch um die Sicherheit der Kinder. Die mehr als 33.100 staatlichen Schulen in dem Land bestehen aus fast 82.100 Baueinheiten. Nach Angaben von NSET müsste die Hälfte davon neu gebaut werden. Allein in Katmandu gibt es über 2.000 Schulen, von denen 60 Prozent einem Erdbeben nicht standhalten könnten. Somit sind die Leben von rund 100.000 Schülern in Gefahr.

Wie NSET kürzlich herausfand, sind die Gebäude deshalb so anfällig, weil sie mit traditionellen Materialien wie Lehm- oder Bruchstein, Ziegel und Schlamm-Mörtel gebaut wurden. Auch die schlechte Wartung der Häuser und die dünnen Dächer wurden bemängelt.


Hohes Sterberisiko für Schulkinder

Laut GHI ist die Gefahr für ein Schulkind in Katmandu, bei einem Erdbeben zu sterben, etwa 400 Mal höher als die eines Schülers im japanischen Kobe, wo sich 1995 ein verheerendes Erdbeben ereignet hatte.

In diesem Sommer hat NSET mit Unterstützung der Asiatischen Entwicklungsbank damit begonnen, 50 besonders erdbebengefährdete staatliche Schulen nachzurüsten. Eisenträger und Pfeiler werden zwischen den Stockwerken eingezogen, Fundamente sowie Wände und Böden verstärkt. Die Maßnahmen werden sich wahrscheinlich noch bis Ende des Jahres hinziehen. Mit Hilfe der Weltbank führt NSET nun eine schnelle Überprüfung aller Schulen und der 125 großen Krankenhäuser in Nepal durch. Ziel ist es, möglichst viele Gebäude nachzurüsten.

Pradeep Koirala, der im Innenministerium für das Katastrophenmanagement zuständig ist, leitet unter anderem ein neues rund um die Uhr besetztes Zentrum für Katastropheneinsätze (NEOC), das Büros in allen 75 Distrikten Nepals einrichten will. NEOC soll die erste Anlaufstelle bei Erdbeben und ähnlichen Notsituationen sein. Von dort aus soll humanitäre Hilfe aus dem In- und Ausland inklusive der Verteilung von Hilfsgütern koordiniert werden. Das Zentrum ist auch mit einem Frühwarnsystem ausgestattet. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.geohaz.org/about/index.html
http://un.org.np/coordinationmechanism/nrrc
http://www.nset.org.np/nset2012/
http://www.moha.gov.np/en/divisions/national-emergency-operation-center-25.html
http://www.ipsnews.net/2013/07/quakes-could-collapse-kathmandu/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 16. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juli 2013