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GENTECHNIK/171: Mexiko - Die Maya verteidigen ihr Territorium gegen Gensoja (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Mexiko
Die Maya verteidigen ihr Territorium gegen Gensoja

Von Ana de Ita (*)


(Mexiko-Stadt, 26. Dezember 2016, la jornada) - Am 13. Dezember beantragte der mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto beim Verfassungsgericht, das Dekret des Gouverneurs von Yucatán [1], mit dem der Bundesstaat zur gentechnikfreien Zone deklariert wird, für ungültig zu erklären. Das am 26. Oktober veröffentlichte Dekret war eine Antwort auf verschiedene einstweilige Verfügungen und Widerstandsaktionen: von Maya-Gemeinden, Imker*innen, indigenen, kleinbäuerlichen, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, gesellschaftlich engagierten Akademiker*innen und Wissenschaftler*innen sowie der Bevölkerung allgemein, die aus vielerlei Gründen keine gentechnisch veränderten Organismen (GVO) wollen.

Die Maya-Bevölkerung hat sich traditionell der Landwirtschaft, der Imkerei, dem Sammeln sowie der Bewirtschaftung und dem Schutz des Urwaldes gewidmet. Die Milpa der Maya, die Mischkultur im Maisfeld, ist ein Beispiel für die kleinbäuerliche Vielfalt und Wissenschaft. Ihre Erfahrung in der Bienenzucht (mit stachellosen und stachelbewehrten Bienen) hat die Maya in die Gruppe der wichtigsten Honigexporteur*innen gebracht. Ein Großteil davon ist der in die europäischen Märkte ausgeführte Biohonig. Die Halbinsel Yucatán ist zudem eine der am besten bewahrten Regionen, dort befinden sich 32 Naturschutzgebiete. Aber 2012 erhielt Monsanto die Erlaubnis für den jährlichen kommerziellen Anbau von glyphosatresistenter Gensoja auf insgesamt 253.000 Hektar Land in sieben mexikanischen Bundesstaaten, einschließlich umfangreicher Areale in Campeche, Yucatán und Quintana Roo.


Agroindustrie verlangt nach Soja

Bereits 2007 hatte die mexikanische Bundesregierung beschlossen, beim durch den Freihandelsvertrag NAFTA zerstörten Soja-Anbau wieder Boden gutzumachen - nun allerdings mit Gensoja. Mexiko war bei der Soja nie ein vollständiger Selbstversorger. Früher wurden auf einer Fläche von 300.000 Hektar 500.000 Tonnen produziert. Auf der Halbinsel Yucatán gab es keinen entsprechenden Anbau. Doch die agroindustrielle Nahrungsmittel- und Viehwirtschaft verlangt immer mehr Soja. Mexiko importiert mehr als 90 Prozent, hauptsächlich aus den USA. Das Landwirtschaftsministerium legte das Programm Pro Ölpflanzen auf. Es ist ein Versuch, die Milpa der Mayas - angeblich unproduktiv - umzuorientieren, obwohl sie der Landbevölkerung die Subsistenz erlaubt. Pro produzierter Tonne Soja gab es eine Subvention von 1.500 Pesos, außerdem wurde die Versorgung mit Soja-Saatgut garantiert.

Das Gesetz über die Biosicherheit einmal verabschiedet (2005) und mit den Subventionen in Reichweite, begannen viele der Mennoniten-Siedlungen und andere Akteur*innen auf der Grundlage von Landpachtung mit dem Gensoja-Anbau. Dabei wandten sie ein Technologie-Paket an, das die intensive Anwendung von Agrargiften einschloss. Die Ablehnung von nach Europa verschifften Containerladungen, die mit transgenen Pollen verseuchten Honig enthielten, ließ die Alarmglocken schrillen. Die Maya-Gemeinden und die Imker*innenvereinigungen beschlossen, sich ihres Lebensstils, ihrer Arbeit, Geschichte, Identität und ihres Territoriums nicht berauben zu lassen. Sie begannen, sich auf rechtlichem Weg gegen den Anbau von Gensoja zu verteidigen.

Auf der Halbinsel Yucatán verteilt sich die Maya-Bevölkerung auf drei Bundesstaaten und die Verteidigung hat unterschiedliche Wege genommen. In Yucatán und Campeche wurden die Anträge auf einstweilige Verfügungen akzeptiert, obwohl der Soja-Anbau [illegal und partiell] weiterging. Die Kläger*innen machten die fehlende Befragung der indigenen Bevölkerung, einen Angriff auf das Recht auf eine gesunde Umwelt und die Nicht-Beachtung des Vorsorgeprinzips geltend. Letzteres, obwohl Regierungsinstanzen wie die Nationale Kommission für die Erforschung und Nutzung der Biodiversität, die Nationale Ökologiebehörde und die Nationale Behörde für Naturschutzgebiete in ihren Gutachten zu dem Schluss kamen, den kommerziellen Anbau von glyphosatresistenter Soja nicht zu erlauben. Den einstweiligen Verfügungen folgten die Einsprüche von Monsanto, Landwirtschafts- sowie Umweltministerium und die angeordneten Befragungsprozesse. In Quintana Roo wurde eine einstweilige Verfügung nicht akzeptiert. Die Gemeinden und Bienenzüchtervereinigungen der Mayas, zusammengeschlossen im Regionalen Maya-Rat des Westens von Bacalar, begannen ein weiteres Gerichtsverfahren, in dem sie fordern, Monsanto die erteilte Erlaubnis für die Aussaat von Gensoja zu entziehen.


Druck auf Gemeinden bis hin zu Todesdrohungen

Die Fälle wurden vor die Interamerikanische Menschenrechtskommission und die UNO gebracht. Die Befragungen der indigenen Bevölkerung in Campeche und Yucatán sind von zahlreichen Regelverstößen geprägt worden. Auf die Gemeinden, ihre Führung und Berater*innen wurde Druck ausgeübt, bis hin zu Todesdrohungen. Das Landwirtschaftsministerium hat sich der Aufgabe gewidmet, die Vorzüge der Gensoja zu preisen statt unbefangene Information anzubieten. Bei den Befragungsversammlungen wurde die Anwesenheit der Mennonit*innen zugelassen, um die Maya einzuschüchtern. Die Aussaat von Gensoja ist ein Instrument, der Maya-Bevölkerung ihr Territorium und ihre Zukunft zu entreißen. Vor diesem Hintergrund war das Dekret des Gouverneurs von Yucatán, den Bundesstaat frei von Gentechnik zu erklären, eine gute Nachricht in einem feindseligen Klima, in dem die Bundesregierung, Bundesstaatsregierungen und Parlament systematisch den Multis zugeneigt sind. Und Präsident Peña Nieta beantragt, getreu seinen Herren, das Veto des Verfassungsgerichtes.

(*) Direktorin des Studienzentrums für den Wandel im Mexikanischen Landbau (Ceccam)
(http://ceccam.org/)


Anmerkung:
[1] https://www.npla.de/poonal/yucatans-pri-gouverneur-erklaert-den-bundesstaat-per-dekret-fuer-gvo-frei/


URL des Artikels:
https://www.npla.de/poonal/die-maya-verteidigen-ihr-territorium-gegen-gensoja/


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Januar 2017

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