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GENTECHNIK/014: Welthunger und Gentechnik - US-Konzern Monsanto in der Kritik (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 175 - August/September 2013
Die Berliner Umweltzeitung

Welthunger und Gentechnik
US-Konzern Monsanto in der öffentlichen Kritik

von Volker Voss



Ressourcenschonend, mit den eigenen Produkten für eine nachhaltige Landwirtschaft sorgen und durch Ertragssteigerung den Hunger auf der Welt bekämpfen, so stellt sich Monsanto, der "weltweit führende Anbieter technologiebasierter Produkte zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität" der Öffentlichkeit vor. So schön diese Werbeslogans auch klingen mögen, so wenig glauben sie ihre Kritiker. Denn es geht hier um Gentechnik und ihre Auswirkungen auf die Umwelt. Am 25. Mai war weltweiter Protesttag gegen den 1901 im US-Bundesstaat Missouri gegründeten amerikanischen Konzern unter dem Motto: "March Against Monsanto". Insgesamt beteiligten sich rund um den Globus etwa zwei Millionen Menschen an vielfältigen und fantasievollen Aktivitäten.

Das amerikanische Unternehmen ist auf dem Gebiet der Biotechnologie weltweit Marktführer. Mitkonkurrenten sind unter anderem Bayer, BASF und Syngenta. Monsanto hat sich mittlerweile rund 90 Prozent der Patente auf gentechnisch veränderten Organismen, wie beispielsweise Raps, Soja, Mais und Baumwolle gesichert. Weitere Produkte aus dem Hause Monsanto sind der Süßstoff Aspartam, das Wachstumshormon BST, das als hochgiftig gilt und trotzdem zur Steigerung der Milchproduktion bei Rindern eingesetzt wird, sowie das im Vietnam-Krieg eingesetzte Herbizid Agent Orange als chemischer Kampfstoff. Von Kritikern wird befürchtet, dass Monsanto in absehbarer Zeit die gesamte Nahrungsmittelkette mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln kontrolliert und so hoch gefährliche, genmanipulierte Pflanzen für Mensch, Tier und Umwelt verbreitet.

Gesundheitliche Folgen

Bei der Gentechnik geht es nicht um Züchtung, sondern, laut Gentechnikgesetz, um "einen Organismus, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie es unter natürlichen Bedingungen oder durch kreuzen nicht vorkommt." "Die Folgen für die Gesundheit von Menschen und Tieren sind unübersehbar", so das Umweltinstitut München. Genpflanzen seien in erster Linie für die industrialisierte Landwirtschaft bestimmt, was die Entstehung lebensfeindlicher Monokulturen nach sich ziehe. Darauf reagieren Umweltschützer seit Jahren mit Aktionen sowie Klagen bis vor den höchsten Gerichten. Beispielsweise ist der Gentechnik-Mais "MON810" von Monsanto aufgrund seiner Gefährlichkeit bereits in mehreren Ländern verboten. "Für die Landwirtschaft in Europa haben sich die Heilsversprechen der Gentechnik-Industrie bisher nicht erfüllt", äußerte Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner gegenüber der taz. Ohnehin ist in mehreren Ländern der Anbau von Gen-Pflanzen untersagt.

Gentechnisch veränderte Pflanzen werden in den USA bereits seit 30 Jahren hergestellt, so Dr. Christoph Then, Geschäftsführer von Testbiotech e.V. in einem Gutachten über den kommerziellen Anbau von Gen-Pflanzen in den USA: "Die US-Landwirte hatten zunächst Vorteile beim Anbau herbizidressistenter Pflanzen. Diese anfänglichen Vorteile (Arbeitszeitersparnis, geringere Aufwendungen an Spritzmitteln bei der Unkrautbekämpfung) haben sich jedoch ins Gegenteil verkehrt. Da sich die Unkräuter an den Anbau der gentechnisch veränderten Pflanzen angepasst haben, steigen sowohl die Mengen an Spritzmitteln als auch der Arbeitsaufwand deutlich". Dadurch würden Boden und Umwelt noch mehr vergiftet. Monsanto wiegelt ab: "Vorbehaltlich der Bewertung dieser neuen Studie, bestätigen zahlreiche weltweite Studien von unabhängigen Wissenschaftlern die Vorteile und Unbedenklichkeit gentechnisch veränderter Pflanzen". Gelobt werden die höheren Erträge auf Biotechflächen bei Sojabohnen, Mais, Baumwolle usw.

In 42 Ländern, überwiegend in Europa, existieren bereits gentechnikfreie Regionen. In Deutschland sind es 190, vorwiegend in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Brandenburg. In Ungarn dürfen seit Jahren keine Gen-Pflanzen angebaut werden. 2011 wurden dort transgene Pflanzen, nachdem sie von den Behörden entdeckt wurden, zerstört.

Monsanto weiter: "Saatgut mit gentechnisch verbesserten Merkmalen findet derzeit keine Akzeptanz in Landwirtschaft und Öffentlichkeit in Deutschland und Europa." Die EU-Kommission hat beschlossen, eine Langzeitstudie zu gesundheitlichen Folgen der Gentechnik durchzuführen. Dazu werde insbesondere Monsanto-Reis getestet.

Importstopp

Internationale Märkte reagieren sensibel: In einigen Ländern wurde im Frühjahr ein Importstopp von amerikanischem Mais angeordnet, nachdem in Oregon eine ungenehmigte Genweizensorte entdeckt wurde, von der Monsanto behauptet, die Tests damit vor neun Jahren eingestellt zu haben. Zudem wurde im Juni in Washington eine Petition auf Zulassung einer Sammelklage gegen Monsanto eingereicht, weil der Konzern es in diesem Zusammenhang unterlassen habe, Bauern und ihre Ernten gegen die Verunreinigung mit nicht genehmigtem genverändertem Saatgut zu schützen. Die finanziellen Verluste dadurch sind hoch.

Schwere Vorwürfe erhebt die französische Autorin Marie-Monique Robin in ihrem Buch "Mit Gift und Genen. Wie der Biotech-Konzern Monsanto unsere Welt verändert". Ungeachtet der Behauptungen und Versprechen von Monsanto, mit weniger Arbeits- und Maschineneinsatz höhere Erträge zu ermöglichen, nehme das bäuerliche Einkommen wie in allen industrialisierten Ländern ab. Die Gründe dafür seien vielfältig. Die Preise für Saatgut und Pflanzenschutzmittel seien enorm gestiegen, die Erträge jedoch nicht gewachsen. Außerdem sei der Export nach Europa und Asien zum Teil sogar vollständig zusammengebrochen.

Nur dank massiver Erhöhung staatlicher Subventionen könnten die amerikanischen Farmer heute noch überleben. So werde mit staatlicher Unterstützung oder illegalem Anbau in Argentinien, Brasilien und Paraguay die traditionelle Landwirtschaft weitgehend zerstört. Riesige Monokulturen von Soja treibe die einheimische Bevölkerung in Armut und Hunger (Soja wird in den USA und in Europa an Milch- und Schlachtvieh verfüttert). Die Folgen seien Landflucht, Vergiftung der Landbevölkerung und Missbildungen bei Kindern. In anderen Ländern würden einheimische Saatguthersteller vom Konzern aufgekauft und die nicht manipulierten Baumwollsorten durch genmanipulierte Varianten ersetzt.

Erfolge bei der Verhinderung von Gentechnik in Europa könnten durch das geplante Freihandels- und Investitionsabkommen EU-USA (TTIP), das unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der Parlamente ausgehandelt wird, zunichte gemacht werden, erklären zahlreiche deutsche NGOs, Umweltverbände und Lebensmittelschützer in einem gemeinsamen Statement. Demnach sprechen sich US-Lobbygruppen gegen die zu langsame Zulassung von Gentechnik-Lebensmitteln hier aus. Ebenso wird das Verursacherprinzip, wonach Risiken, die von Produkten oder Technologien ausgehen, vorausschauend vermieden werden, als Handelshemmnis gesehen. Genauso werden bestehende oder geplante Regelungen nach diesem Prinzip angezweifelt. Es sollen schlicht Verbraucherschutzstandards auf US-Niveau gesenkt werden.

Es hängt wohl eher vom politischen Willen ab, Hungersnöte auf der Erde zu beseitigen. So müssten die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme, wie gerechte Verteilung, Verschwendung und rücksichtslose Spekulation mit Lebensmitteln gelöst werden.



Weitere Informationen:
www.umweltinstitut.org
www.keine-gentechnik.de
www.occupy-monsanto.com

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Quelle:
DER RABE RALF - 23. Jahrgang, Nr. 175 - August/September 2013, Seite 10
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. August 2013