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GLOBAL/064: Sorge um 'Mutter Erde' verbindet - Indigene kommen geeint nach Rio (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Juni 2012

Umwelt: Sorge um 'Mutter Erde' verbindet - Indigene kommen geeint nach Rio

von Stephen Leahy



Uxbridge, Kanada, 13. Juni (IPS) - Indigenenführer aus aller Welt werden zum Kari-Oca-II-Treffen vom 14. bis 22. Juni in Rio de Janeiro erwartet. In einem von brasilianischen Ureinwohnern errichteten Dorf fünf Kilometer vom 'Rio+20'-Tagungsort entfernt wollen sie ihre für die Nachhaltigkeitskonferenz bestimmten Botschaften und Empfehlungen vorbereiten.

Viele haben sich zu Fuß oder in Kanus aufgemacht, um am Indigenengipfel teilnehmen zu können. Andere reisen in Bussen an. "Wir kommen stellvertretend für tausende indigene Gemeinschaften aus ganz Südamerika", erklärte der Waorani-Führer Moi Enomenga, bevor er in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito den Bus nach Rio bestieg, um seine neuntägige Reise nach Rio anzutreten. Die Waorani sind ein Amazonasvolk im Osten Ecuadors, einer Erdölförderregion.

"Seit Jahren sind unsere Völker gespalten. Nun werden wir uns einen", versicherte Enomenga, Präsident der Ureinwohnerorganisation 'Quehueri'ono'. Damit auch jeder die Stimme von Mutter Erde aus dem Dschungel vernehmen könne, werde sie nach Rio getragen.

Kari-Oca II ist die zweite Weltkonferenz der Indigenen Völker über Territorien, Rechte und nachhaltige Entwicklung: Kari-Oca bedeutet in der Tupí-Guaraní Sprache 'Haus des weißen Mannes'. So hatten die indigenen Völker, die einst in dem Gebiet des heutigen Rio de Janeiro lebten, die von Portugiesen erbauten Siedlungen genannt. Die erste Kari-Oca-Konferenz fand 1992 parallel zum historischen Erdgipfel in der gleichen Stadt statt.

Zur Kari-Oca-II-Konferenz werden 600 indigene Teilnehmer aus aller Welt erwartet. "Die Situation, in der sich die indigenen Völker befinden, ist kritisch", meinte Enomenga. "Nirgendwo werden die Rechte der indigenen Völker beachtet. Ob in Indien, Afrika oder Südamerika - überall ist die Jagd nach Öl und anderen Ressourcen in vollem Gange."


"Wir brauchen einen Wandel"

"Wir können nicht so weitermachen wie in den vergangenen Jahren", sagte Hortencia Hidalgo Cáceres, eine Aymara aus Chile, die dem Indigenen Frauennetzwerk Lateinamerikas und der Karibik für Artenvielfalt (RMIB) angehört. "Wir brauchen einen Wandel."

Cáceres zufolge wird man der Weltgemeinschaft die Vision einer besseren Zukunft vor Augen führen, die auf indigenen Werten und Prinzipien des 'buen vivir', des 'guten Lebens', basiert. Im Gegensatz zu dem westlichen Konzept eines 'besseren Lebens' - wonach Wirtschaftswachstum Fortschritt bedeutet und den Weg aus der Armut weist - meint 'buen vivir' ein Leben im Einklang mit der Natur, das materielles, soziales und spirituelles Wohlbefinden für alle Mitglieder vorsieht und nicht zu Lasten anderer Teile der Gesellschaft geht.

Ohne die Einhaltung dieser Prinzipien wird die 'grüne Wirtschaft', zu der sich die internationale Gemeinschaft nach Einschätzung vieler Experten auf der Rio+20-Konferenz bekennen könnte, den "falschen Beitrag zur Lösung der Umweltkrise und sozialen Ungerechtigkeit leisten", sagte Cáceres.

Für Casey Box von der Nichtregierungsorganisation 'Land is Life' ist das, was die indigenen Völker zur nachhaltigen Entwicklung beitragen können, von unschätzbarem Wert. Land is Life ist ein internationales Bündnis aus indigenen Gemeinschaften und Organisationen mit Sitz in den USA, die die Gelder für die Kari-Oca-Karawane von Ecuador über die Anden durch Bolivien, Paraguay und den Süden Brasiliens und den Indigenengipfel zusammengebracht hatten. "Ohne das traditionelle Wissen und Ressourcenmanagement der indigenen Völker werden sich die Rio+20-Ziele nicht erreichen lassen."

Zur Rio+20-Nachhaltigkeitskonferenz werden etwa 50.000 Teilnehmer einschließlich 130 Staats- und Regierungschefs erwartet. Sie ist eine Folgekonferenz des historischen Erdgipfels in Rio de Janeiro vor 20 Jahren, aus dem drei größere Abkommen hervorgegangen sind: die Klima-, Artenvielfalts- und Wüstenkonvention. Der erste, auch damals schon parallel verlaufende Kari-Oca-Gipfel, an dem 700 Indigene teilgenommen hatten, war die Geburtsstunde einer internationalen Bewegung für die Rechte indigener Völker.


Für manche Ureinwohner ist Öl das Blut der Erde

Von ihrer Anwesenheit in Rio und der Möglichkeit, ihre Anliegen vorzubringen, erhoffen sich Enomenga und andere Ureinwohner einen größeren Respekt gegenüber indigenen Werten. "Es gibt zwei unkontaktierte Völker in der Nähe meines Wohnortes, doch werden sie von der Ölindustrie bedroht", berichtete der Waorani-Führer. "Sie sind mit der Ausbeutung der Erdölreserven nicht einverstanden. Für sie sie ist die Entnahme des Öls aus dem Boden so, als ob man ihnen ihr Blut abzapft."

Die indigenen Delegierten sind fest entschlossen, gegen die Initiativen in ihren Ländern zu protestieren, die sie für schädlich halten. Gloria Ushigua, Vorsitzende der Vereinigung der Zápara-Frauen, nennt als ein Beispiel das ecuadorianische Projekt 'Socio Bosque', das vom ecuadorianischen Umweltministerium mit dem Ziel durchgeführt wird, die Entwaldung zu stoppen. Tatsächlich jedoch verursache es vielen Menschen vor Ort große Probleme, kritisierte sie.

Die Zápara leben im östlichen Teil der Provinz Pastaza im Amazonas-Regenwald im Osten Ecuadors. "Ich hoffe, dass ich in Rio von der Geschichte meines Volkes berichten und über Territorialrechte diskutieren kann", sagte Ushigua.

Auch nach Kari-Oca II und Rio+20 werde man in den jeweiligen Gemeinschaften mit dem Kampf gegen die Ausbeutung indigener Territorien weitermachen, versicherte Enomenga. "Unsere Botschaft ist eindeutig. Sie lautet 'Lasst alles in der Erde'." (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://www.landislife.org/
http://www.ipsnews.net/2012/06/indigenous-message-to-rio20-leave-everything-beneath-mother-earth/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2012