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FISCHEREI/044: Mauritius - Kleine Fischer fürchten EU-Fangflotte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. August 2012

Mauritius: Kleine Fischer fürchten EU-Fangflotte

von Nasseem Ackbarally

Lallmamode Mohamedally - Bild: © Nasseem Ackbarally/IPS

Lallmamode Mohamedally
Bild: © Nasseem Ackbarally/IPS

Port Louis, 14. August (IPS) - "Schauen Sie dort hinten, das Blaue, das ist eines der europäischen Fischerboote, die uns in unserer Existenz bedrohen", sagt Lallmamode Mohamedally. Er zeigt auf ein Fangschiff, das in Les Salines festgemacht hat, um seine Ladung zu löschen. Der Hafen liegt in der Nähe von Port Louis, der Hauptstadt von Mauritius.

Mohamedally ist Fischer und hat einen harten Tag hinter sich. Er war in den Lagunen des Inselstaates im Indischen Ozean unterwegs, doch die Ausbeute war gering. Umweltverschmutzung und Tourismus haben die Fischbestände in Küstennähe stark reduziert.

Nach Aussagen lokaler Fischer hat ein zwischen der EU und dem Inselstaat im Februar geschlossenes Abkommen die Situation drastisch verschlechtert. Es erlaubt europäischen Booten, über einen Zeitraum von drei Jahren 5.500 Tonnen Fisch pro Jahr aus den Gewässern von Mauritius zu ziehen. Als Gegenleistung erhält das afrikanische Land jährlich 660.000 Euro.


"Diese großen Schiffe plündern unsere Fischgründe"

Von Seiten der insgesamt 3.500 Fischer ist zu hören, dass sie gegen die hochmoderne EU-Fangflotte keine Chance haben. Die Fischer von Les Salines sind sogar der Meinung, dass die 86 Schiffe europäischer Unternehmen, die hier tätig sind, ihnen die Lebensgrundlage nehmen. "Diese großen Schiffe plündern unsere Fischgründe", sagt Mohamedally.

Viele verlangen den Abzug der europäischen Fangflotte. Mohamedally zufolge würde es schon reichen, wenn die EU-Boote die gleichen Fangpraktiken anwenden würden wie taiwanesische oder japanische Unternehmen. "Nur Langleinen-, keine Wadennetze", sagt er. "Diese Schiffe fangen alles - große und kleine Fische", beklagt er.

Doch die Behörden argumentieren, dass das Abkommen mit der EU die einzige Möglichkeit sei, aus Mauritius' exklusiver und 2,3 Millionen Quadratkilometer großer Meereswirtschaftszone (EEZ) Kapital zu schlagen.

Die kleinen lokalen Fischereiunternehmen sind nicht in der Lage, Fisch in großen Mengen zu fangen. Von einer Fangmenge von 5.500 Tonnen Fisch, wie sie Mauritius der EU zugesichert hat, können die 34 Fischer von Les Salines somit nur träumen. Derzeit macht der Fischereisektor von Mauritius nur ein Prozent des nationalen Bruttoinlandsproduktes aus. Die lokale Fischproduktion des ganzen Landes beläuft sich auf 5.100 Tonnen im Jahr.

Mohamedally meint dazu, dass in der Vergangenheit in den küstennahen Gewässern Fisch reichlich vorhanden war. Reichte es aus, drei bis vier Seemeilen aufs Meer hinaus zu fahren, müssen es heute 15 Seemeilen sein. Trotzdem bleiben die Netze oft genug leer.

"Werden wir in fünf Jahren noch Arbeit haben? Wir haben einen sehr schlechten Tausch gemacht", meint Mohamedally in Anspielung auf die 660.000 Euro im Jahr, die die EU Mauritius für die Fischereirechte bezahlt.

Judex Rampol, Vorsitzender einer lokalen Fischervereinigung, ist wütend. "Das sind Peanuts", sagt er gegenüber IPS. "Wenn die lokalen Fischer in der Lage wären, so weit draußen im Meer zu fischen, könnten sie etwa 15 Millionen Euro durch den Verkauf von 5.500 Tonnen Fisch erwirtschaften", sagt er.

Doch Fischereiminister Nicolas Von-Mally argumentiert, dass Mauritius Hilfe braucht, um die reichen Fischgründe auszubeuten. "Würden wir uns allein auf unsere Fischer verlassen, würden viele Fische an Altersschwäche sterben", sagt er und fügt hinzu, dass der von den EU-Schiffen gefangene Thunfisch in Fabriken in Mauritus eingedost werde, bevor er nach Europa gelange.

Wie Von-Mally weiter betont, ist Thunfisch eine wandernde Art. Würden die Schwärme nicht in den Küstengewässern von Mauritius gefangen, wanderten sie in die Küstengewässer der Malediven und Seychellen ab. "Wir dürfen diese Einkommensmöglichkeit nicht ungenutzt verstreichen lassen", betont er.

Dazu meint jedoch Bahim Khan Taher von 'Taher Seafoods', einem kleinen lokalen Fischereiunternehmen: "Sehr gerne würden wir die Fischbestände in der EEZ bergen. Wir brauchen aber modere Fangschiffe, das nötige Equipment und finanzielle Anreize. Erhielten wir nur ein kleines bisschen Hilfe von unserer Regierung, könnten wir ebenso gut auf hoher See fischen. Das würde unsere Fischexporte erheblich steigern."


Überfischung befürchtet

Das Abkommen mit der EU beunruhigt nicht nur die lokalen Fischer, sondern auch Umweltschützer. Der Ozeanograph und Umweltingenieur Vassen Kauppaymoothoo ist einer von ihnen. "Die EU-Schiffe sind hier, weil die Fischgründe in anderen Meeren von portugiesischen, französischen und spanischen Fangflotten leer gefischt wurden. Der Indische Ozean ist das einzige Meer, das bislang noch nicht überfischt ist." Eine EU-Fangquote von 5.500 Tonnen im Jahr werde dies ändern.

Dass Mauritius nicht der in Lage sei, seine eigenen Meeresschätze zu heben, dürfe nicht bedeuten, dass man dies anderen erlaube, sagt Kauppaymoothoo und weist darauf hin, dass Marokko seine Küstengebiete für ausländische Schiffe gesperrt hat, um zu gewährleisten, dass genügend Fisch für die eigene Bevölkerung vorhanden ist.

Doch dem Leiter der EU-Delegation in Port Louis, Alessandro Mariani, zufolge wird das Abkommen mit der Europäischen Union in Mauritius 5.500 neue Arbeitsplätze schaffen. Es werde zudem keinen Wettbewerb zwischen der EU-Fangflotte und den lokalen Fischern geben, da die Fanggebiete der großen EU-Boote und der kleinen Fischer weit auseinander lägen. Die EU-Boote seien 15 Seemeilen von der Küste entfernt im Einsatz, die kleinen Fischer bis zu drei Seemeilen. "Außerdem fangen wir ganz anderen Fisch", sagt er.

Mariani versichert, dass die EU für das Problem der Überfischung sensibilisiert sei und die Fangmenge die Empfehlungen von Wissenschaftlern berücksichtige. Der Wissenschaftsausschuss der Kommission für Thunfisch im Indischen Ozean habe im Oktober 2011 bestätigt, dass der Indische Ozean nicht überfischt sei. "Wir schießen uns doch nicht ins eigene Knie. Wir wollen doch, dass der Fisch in unseren Meeren auch für künftige Generationen reicht", so der EU-Vertreter.

Mariani und Von-Mally weisen den Vorwurf zurück, wonach die EU Druck auf den Inselstaat ausgeübt hat, um das Abkommen durchzusetzen. "Das stimmt einfach nicht. Die EU und Mauritius sind Partner, und wir haben Entscheidungen immer im Einvernehmen getroffen", so Mariani. (Ende/IPS/kb/2012)


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http://www.ipsnews.net/2012/08/mauritian-fishers-want-eu-vessels-out-of-their-seas/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2012