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FRAGEN/005: Südafrika - Zukunft ohne Kohle (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 4, August/September 2013

Zukunft ohne Kohle



Südafrika braucht Energie. Der Strom wird überwiegend in Kohlekraftwerken erzeugt; denn Kohle gibt es reichlich, die Förderung ist billig. Bis 2050 will Südafrika die Stromproduktion verdoppeln. Gleichzeitig soll der CO2-Ausstoß um ein Drittel gesenkt werden.


Im Juni 2013 hat sich die Koordination Südliches Afrika (KOSA) in Königswinter in einer Tagung mit dem Thema Südafrika, der Klimawandel und die Rolle Deutschlands auseinandergesetzt. "Mit Kohle in die Zukunft" lautete der Titel. Mit Akteuren aus Südafrika und Deutschland wurden Strategien und Handlungsmöglichkeiten diskutiert und Allianzen initiiert, um auf eine gemeinsame Zukunft hinzuwirken.

Aus Südafrika angereist war Bobby Peek von der Organisation groundWork. Sie hat ihren Sitz in Pietermaritzburg und arbeitet landesweit. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen Fragen von Klima und Energie. So befasst sich eine Kampagne mit Abfall und toxisch belasteten Müllhalden in unmittelbarer Nähe von Wohngegenden. Sie unterstützt Arme, die Müll sammeln und so ihren Lebensunterhalt verdienen, und setzt sich für deren Rechte ein. Eine andere Kampagne befasst sich mit Gesundheitsproblemen, die durch die Umweltverschmutzung verursacht werden.

Eine zentrale Kampagne hat sich zum Ziel gesetzt, "dass wir uns von Kohle als Energiequelle verabschieden", so Bobby Peek. "Wir kooperieren mit Menschen, die sich für eine Stromversorgung für alle engagieren. Südafrika leidet unter dem Erbe der Apartheid, als Arme - vor allem in schwarzen Gemeinden - keinen Zugang zu den vorhandenen Ressourcen hatten. Noch immer fehlt vielen die Basis für einen menschenwürdigen Lebensstandard." Über dieses Thema sprach Monika Scheffler von KOSA ausführlich mit Bobby Peek.

Monika Scheffler: Strom für alle und Abschied von der Kohle - das ist ein gewaltiger Spagat in einem Land, dessen Stromerzeugung fast vollständig von Kohle abhängt.

Bobby Peek: Mit Kohle werden 90 Prozent des Stroms in Südafrika erzeugt. Doch vier Millionen Haushalte kochen ohne Strom und zwei Millionen benutzen Paraffin. Wir haben uns gefragt: Warum ist das so? Wir haben herausgefunden, dass der günstige Kohlestrom die Großindustrie versorgt, nicht jedoch die kleinen Dorfgemeinschaften und Haushalte. Vor allem ist uns aufgefallen, dass die Kohleverstromung stark zentralisiert ist. Wenn wir in die Dörfer gehen, dann sagen wir den Leuten: "Fordert andere Formen der Energieversorgung." Dabei geht es nicht nur um Dezentralisierung und demokratische Kontrolle; es geht auch um neue Arbeitsplätze. Arbeitsplätze, die bessere Bedingungen bieten als die in den Kohlegruben, die die Gesundheit ruinieren, die einen Lohn bieten, von dem man nicht leben kann. Die vielen Proteste in Südafrika weisen auf dieses Problem hin.

Monika Scheffler: Die Kohleindustrie setzt dagegen: Höhere Löhne bedeuten das Aus der Kohleförderung.

Bobby Peek: Das stimmt nicht. Schauen wir uns die südafrikanische Wirtschaft an. Sie wird seit etwa 15 Jahren als ein Komplex von Bergbau und Energie bezeichnet. Dabei bezieht man sich auf die Apartheidwirtschaft, als Kohle billig im Tagebau abgeteuft und Belastungen wie Wasser- und Luftverschmutzung auf die Umwelt der Menschen abgewälzt wurden. Die Kohle wurde auf billigste Art verbrannt. Doch die Bevölkerung musste unter dem giftigen Ausstoß der Kohlekraftwerke leiden, damit die Gold-, die Platin- und andere Großindustrien billig mit Strom versorgt werden konnten. Transnationale Konzerne machten Profit. Auch heutzutage profitieren davon immer noch viele weiße Südafrikaner sowie eine kleine Schicht neureicher Schwarzer. Sie bereichern sich wegen des billigen Arbeitsmarktes. Dagegen arbeiten wir. Das wollen wir ändern. Wir brauchen eine Wirtschaft, die sich für Menschen und Arbeitsplätze in Südafrika einsetzt und nicht eine globale Ökonomie bedient.

Monika Scheffler: GroundWork ist Teil einer internationalen Umweltbewegung. Glauben Sie wirklich, dass die Mehrheit der Südafrikaner sich um die Umwelt kümmert?

Bobby Peek: Man darf Umwelt und Entwicklung nicht voneinander trennen. In der südafrikanische Verfassung heißt es, dass jeder ein Recht auf eine Umwelt hat, die ihn nicht schädigt. Es heiß nicht, ein Recht auf saubere Umwelt, sondern auf eine verträgliche. Und dieses Recht soll nach der Verfassung in einem Prozess im Rahmen der Entwicklung des Landes verwirklicht werden. Das führt Entwicklung und Umwelt zwingend zusammen.

Die Regierungen weltweit - darunter die südafrikanische - möchten uns glauben machen, dass dies zwei unverbundene Stränge sind. Einer über die Entwicklung des Landes und einer über die Umwelt. Nur: So ist das nicht. Wenn Dorfgemeinschaften kein sauberes Wasser haben, werden sie krank; dann sterben ihre Kinder. Auch wenn sie keinen Strom haben, leiden sie unter verschmutzter Luft - wegen der Kohle, die sie zuhause verbrennen. Dadurch sterben Kinder früh, andere werden krank. Für uns ist Umwelt der Schlüssel zur Entwicklung. Ohne saubere Luft und sauberes Wasser sterben die Menschen.

Monika Scheffler: Gibt es eindeutige Belege für einen direkten Zusammenhang zwischen Kohle und Gesundheit?

Bobby Peek: Wir haben Belege für diese Zusammenhänge. Wir sind zum Beispiel im Jahr 2000 in Kliniken in Sasolburg gefahren, um genaue Informationen zu erhalten. In Sasolburg wird seit Jahrzehnten Kohle verflüssigt. Nach unseren Erkenntnissen leiden dort 40 Prozent der Erkrankten in den Kliniken unter Atemproblemen - das ist nur ein Beispiel. Es lässt sich nachweisen, dass Kohle zu gesundheitlichen Problemen und teilweise verfrühtem Tod führt. Wenn Kohle Menschen in Europa tötet, warum sollte es in Südafrika anders sein? Warum sucht die südafrikanische Regierung nach Belegen für einen Zusammenhang? Der besteht schon lange, wir müssen ihn nicht mehr beweisen.

Monika Scheffler: Ist die Luftverschmutzung in Südafrika wirklich so schlimm?

Bobby Peek: Südafrika hat eine sehr traurige Geschichte bezüglich der Luftverschmutzung. Dem Apartheidregime war die Verschmutzung egal. Sie haben ihr sogar Vorschub geleistet. Es gab kein Kontrollsystem, keine Regelungen, die Industrien zur Rechenschaft verpflichteten.

GroundWork konnte 2004 immerhin ein neues Gesetz zur Luftverschmutzung durchzusetzen. Das war das erste Gesetz, das Emissionsstandards einführte und Kontrollen erlaubte. Anfang 2000 konnten wir erfolgreich die schlimme Verschmutzung ins Blickfeld der Regierung bringen. Aber in den letzten fünf Jahren ist die Bereitschaft, sich dem Problem weiter zu stellen, deutlich zurückgegangen. Die Behörden auf allen Ebenen Bis hinunter zu den Gemeinden unternehmen nichts.

Dabei messen sie z.B im Highveld im Nordwesten der Provinz Mpumalanga Rekorde an Luftverschmutzung. Dort gibt es Hunderte von Kohlegruben. Hier arbeiten zehn der weltgrößten Kohlekraftwerke, deren Schadstoffausstoß seit mehr als fünf Jahren täglich die Standardgrenzen überschreitet. Dort werden sehr hohe Anteile von giftigen Substanzen in der Luft gemessen; hinzu kommt der Staub. Eine Studie der Regierung sagt dazu, dass die Schadstoffkonzentration so hoch ist, das sie den Messbereich der Instrumente überschreitet.

Monika Scheffler: Stimmt es, dass die Verschmutzung im Highveld die stärkste der Welt ist?

Bobby Peek: Ehrlich gesagt glaube ich, dass sie in der Mitte Chinas oder Südamerikas und in Teilen Osteuropas genau so schlimm ist. Aber dies für sich in Anspruch nehmen zu können, zeigt schon, wie gravierend die Lage in Südafrika ist.

Monika Scheffler: Ihre Organisation nennt sich groundWork, weil Sie mit Menschen von ganz unten arbeiten. Was sagen die Dorfgemeinschaften, mit denen Sie arbeiten, zu ihrer Lage?

Bobby Peek: Sie sind sich der Umstände sehr bewusst. Wir müssen ihnen nicht sagen, was sie denken sollen. Sie haben genaue Vorstellungen von dem, was geschehen muss. Es gibt genaue Konzepte von Umweltgerechtigkeit. Wir arbeiten mit den Gemeinden an den Deponien und im Umfeld der Kohlegruben im Highveld, im Vaal-Dreieck, in Süd-Durban und Lephalale im Norden der Provinz Limpopo, wo mit der Medupi-Anlage das größte Kraftwerk der Welt entstanden ist. Die Kommunen dort kennen die Probleme genau.

Unsere Aufgabe als "Friends of the Earth" ist es, sie in ihrem Bewusstsein und ihrer Auflehnung zu unterstützen. Als internationales Netzwerk verknüpfen wir den Widerstand in Südafrika mit dem in Nigeria, Guatemala, Sambia und Deutschland, damit daraus ein globaler Widerstand wird.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
42. Jahrgang, Nr. 4, August/September 2013, S. 35 - 36
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2013