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CHEMIE/034: Neues Quecksilber-Abkommen verabschiedet (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013
Holzplantage oder Ökosystem? - Wälder unter Nachfragedruck

Neues Quecksilber-Abkommen verabschiedet
Jetzt beginnt eine neue Phase

Von Elena Lymberidi-Settimo



Die Minamata-Konvention zu Quecksilber wurde im Oktober 2013 in Japan verabschiedet. Sie enthält eine Mischung verbindlicher und freiwilliger Elemente. Die Umsetzung des Abkommens geht jedoch nicht schnell genug vonstatten, um die wichtigsten Ursachen der Quecksilberverseuchung zu reduzieren. Dennoch setzt sie die richtigen Marktsignale. Jetzt beginnt eine neue Phase: die Vorbereitung für die Ratifizierung und Umsetzung. Staaten weltweit sollten die Dynamik des momentan existierenden Diskurses nutzen und das globale Abkommen ratifizieren sowie Maßnahmen ergreifen, um die Quecksilberverseuchung umgehend zu verringern.


Nach mehr als einem Jahrzehnt der Diskussionen und Verhandlungen wurde am 10. Oktober 2013 in der Nähe von Minamata in Japan die Minamata-Konvention zu Quecksilber verabschiedet. Dort starben vor mehr als 50 Jahren etwa 2000 Menschen, weil sie quecksilberverseuchten Fisch aus der Meeresbucht gegessen hatten. Das Abkommen ist ein echter Erfolg, wenn man bedenkt, dass in den vergangenen zehn Jahren kein anderes multilaterales Umweltabkommen unterzeichnet wurde.

Ziel der Konvention ist es, die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor durch den Menschen verursachten Quecksilberemissionen zu schützen. Das Abkommen enthält eine Mischung aus verbindlichen und freiwilligen Elementen und strenge ebenso wie einige schwache Vorschriften. Zwar ist das Abkommen zu schwerfällig, um die größten Verschmutzungsquellen zu reduzieren, setzt aber nichtsdestotrotz weltweit die richtigen Marktsignale.


Quecksilberhaltige Produkte vom Markt nehmen
Die Vorschriften für das Auslaufen von Produkten sind beispielsweise verhältnismäßig streng. Spezielle quecksilberhaltige Produkte müssen bis 2020 vom Markt genommen werden. Dies gilt für Batterien (außer für Silberoxid- und Zink-Luft-Batterien), hautaufhellende Seifen und Cremes, Biozide (mit Ausnahme von Impfstoffen), Pestizide, Antiseptika zur lokalen Anwendung, Barometer, Hygrometer, Manometer, Thermometer und Blutdruckmanschetten. Für einige Unterkategorien gibt es Ausnahmen, ebenso für die Kalibrierung und wissenschaftliche Forschung und bestimmte Ersatzanwendungen. Für einige Lampenkategorien wird ein Maximal-Quecksilbergehalt festgelegt, und es werden Maßnahmen verlangt, um die Anwendung von Amalgam einzuschränken.

Die Auslaufphasen für Produkte können verlängert werden, wenn ein Land um eine Ausnahme bittet. Die erste Genehmigung für eine Verlängerung um fünf Jahre ist einfach zu bekommen. Die zweite, letzte Verlängerung um fünf Jahre erfolgt auf Grundlage einer Überprüfung und muss von allen Vertragsstaaten der Konvention genehmigt werden. Des Weiteren sollen auf der Basis der Quecksilberzellentechnologie arbeitende Chloralkalianlagen bis 2025 geschlossen werden. Andere Verarbeitungsprozesse sollen ebenfalls eingeschränkt werden.


Reduzierung von Quecksilberemissionen aus der Industrie
Besonders bedeutend ist die Reduzierung von Quecksilberemissionen aus der Industrie. Emissionen aus Kohlekraftwerken, Industriekesselanlagen, Schmelzöfen für Nichteisenmetalle, Zementöfen und Müllverbrennungsanlagen sind durch das Abkommen abgedeckt. Für bereits vorhandene Anlagen müssen zehn Jahre nach Inkrafttreten der Konvention in einem Land Kontrollen erfolgen. Unter Berücksichtigung der Bedingungen in dem entsprechenden Land werden dann gegebenenfalls noch weitere regulatorische Maßnahmen ergriffen. Bei neuen Anlagen, die nach Inkrafttreten des Abkommens in Betrieb genommen werden, müssen Kontrollen zur Quecksilberverseuchung fünf Jahre später erfolgen. Die Vertragsvorschriften hätten in Bezug auf die Industrie allerdings noch strenger ausfallen und eine größere Bandbreite von Industriezweigen abdecken müssen.


Quecksilbernutzung im handwerklichen Goldabbau
In den Vertragsbestimmungen sind ferner eine Reduzierung des Quecksilberhandels und das schriftliche Einverständnis des Importlandes vorgesehen.

Quecksilberbergbau an Primärlagerstätten wird verboten; wenn ein solcher Bergbau jedoch bereits existiert, kann er noch bis maximal 15 Jahre nach dem Inkrafttreten der Konvention fortgeführt werden. Während dieses Zeitraums kann das Quecksilber jedoch nicht für handwerklichen Goldabbau (artisanal and small scale gold mining, ASGM) genutzt werden. Quecksilberemissionen aus ASGM sind nach der globalen Quecksilberbewertung des UNEP aus dem Jahr 2013(1) weltweit am höchsten. Etwa 15 Millionen Menschen, darunter drei Millionen Frauen und Kinder, sind in 70 Ländern in der ASGM-Industrie beschäftigt. In nationalen Aktionsplänen wird zwar eine Reduzierung der Quecksilbernutzung im ASGM unterstützt und für ASGM-Praktiken wird kein Quecksilber mehr zur Verfügung stehen. Eine Schwäche der Minamata-Konvention ist aber, dass keine Bestimmung für das etwaige Ende dieser Verseuchungspraxis formuliert wurden.

In dem Abkommen ist ein finanzieller Mechanismus vorgesehen, der auch mit der künftigen Einhaltung der Bestimmungen durch die Mitgliedstaaten verbunden ist. Eine solche Kombination hat es bisher bei globalen Konventionen noch nicht gegeben. Über diesen Mechanismus sollen Entwicklungs- und Übergangsländer dabei unterstützt werden, ihren Verpflichtungen aus der Minamata-Konvention nachkommen zu können.


Wie geht es weiter?
Fünfzig Länder müssen die Konvention ratifiziert haben, bevor sie in Kraft treten kann. Jetzt beginnt eine neue Phase - die Vorbereitung für die Ratifizierung und Umsetzung der Konvention. Um weiterhin zu einem erfolgreichen, wirkungsvollen Abkommen beizutragen, hat die Arbeitsgruppe der Zero Mercury Working Group (Null-Quecksilber-Kampagne, ZMWG), einer internationalen Koalition gegen die Nutzung von Quecksilber, nun zwei zentrale Forderungen aufgestellt:

Erstens - Staaten weltweit sollten den Zeitpunkt ausnutzen und das Abkommen so schnell wie möglich ratifizieren. 50 Länder müssen die Konvention bis 2015 ratifizieren, damit der Vertrag dann in Kraft treten kann. Zweitens - Für die Übergangszeit bis die Konvention in Kraft tritt, müssen kurzfristige Maßnahmen zur Quecksilberreduzierung ergriffen werden. Die ZMWG hat deshalb für einige Länder eine Liste empfohlener Maßnahmen entwickelt, welche zu bedeutenden Quecksilberreduktionen führen können. Regierungen und andere Akteure sollten kurzfristige Prioritäten identifizieren und aktiv werden. Folgende Maßnahmen sind möglich: den Quecksilberhandel und -nachschub ins Visier nehmen, Produkte und Verarbeitungsprozesse auslaufen lassen, wenn effektive und effiziente Alternativen bereits seit Jahren existieren, Emissionen reduzieren sowie Aktionspläne für ASGM entwickeln und umsetzen.


Die Quecksilberverseuchung wartet nicht bis das Abkommen in Kraft tritt. Sie ist schon jetzt Realität.
Die Regierungen der Welt haben entschieden, dass Quecksilber ein globales Problem ist, das sofortiges und langfristiges Handeln auf internationaler Ebene erfordert. Kein Land kann die Quecksilberkrise allein bewältigen - koordiniertes Vorgehen ist notwendig. Das neue Quecksilberabkommen bietet trotz seiner Mängel eine reelle Möglichkeit für Regierungen, Industrie, Zivilgesellschaft und alle betroffenen Akteure, auf eine deutliche Reduzierung von Quecksilber weltweit hinzuarbeiten. Das kann irgendwann einmal zu einer Welt führen, in der jeder Mensch wieder sorglos Fisch essen kann.


Autorin Elena Lymberidi-Settimo ist Projektmanagerin der Zero Mercury Campaign beim Europäischen Umweltbüro und Internationale Koordinatorin der Zero Mercury Working Group (ZMWG).


(1) http://www.unep.org/PDF/PressReleases/GlobalMercuryAssessment2013.pdf


Die ZMWG ist eine internationale Koalition von NGOs aus dem Umwelt- und Gesundheitsbereich, die sich dafür einsetzt, dass die Quecksilberversorgung und -nachfrage sowie Quecksilberemissionen aus allen anthropogenen Quellen gestoppt werden. Ziel ist, Quecksilber in der Umwelt weltweit auf ein Minimum zu reduzieren.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013, S. 28-29
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2014