Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

ARTENSCHUTZ/081: Leiser Jäger im Unterholz - Tigerschutz-Projekt des NABU in Indien (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 2/12
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Leiser Jäger im Unterholz
Tigerschutz-Projekt des NABU in Indien

von Britta Hennigs



Der Valmiki-Nationalpark ist eines der bedeutendsten Tiger-Refugien. Das 800 Quadratkilometer große Reservat liegt am Fuße des Himalajas in der Tiefebene des Ganges. Die Lebensräume in Valmiki reichen von fruchtbaren Auen und subtropischen Laubwäldern bis hin zu Sümpfen und Gebirgsformationen. Neben Tigern leben hier auch andere bedrohte Arten wie Leopard, Bengal- und Fischkatze, Lippenbär und Rhesusaffe. Außerdem gilt Valmiki als wichtiges Vogelschutzgebiet.

Doch der Nationalpark findet nur allmählich zu seiner einstigen Blüte zurück. Bevor das Gebiet vor zwölf Jahren unter Schutz gestellt wurde, wurde es fast drei Jahrzehnte lang für die Produktion hochwertiger Hölzer genutzt. Wiesen und Mischwälder wurden großflächig zerstört und mit handelsüblichen Holzarten wie Teak bepflanzt. Das machte Weideland für große pflanzenfressende Huftiere wie Hirsche - die Hauptbeutetiere der Tiger - knapp.

Ohne Beutetiere keine Tiger

Die einzelgängerisch lebenden Großkatzen sind auf ausgedehnte und ungestörte Rückzugsgebiete mit einem hohen Beutetiervorkommen angewiesen. Ihre Reviere können eine Größe von bis zu 450 Quadratkilometer erreichen. Lebensraumverlust und das damit einhergehende Verschwinden der Beutetiere ist eine der Hauptgefährdungsursachen des Tigers. In Valmiki führte dies zwischenzeitlich zum Bestands-Zusammenbruch.

Gemeinsam mit dem vor Ort agierenden Wildlife Trust of India (WTI) arbeitet die "NABU International Naturschutzstiftung" daran, die natürlichen Bedingungen im Nationalpark wiederherzustellen und das Gebiet wieder zu einem sicheren, lebenswerten Rückzugsort für Tiger und andere Tiere zu machen.

Viehherden verdrängen Wildtiere

"Die Unterstützung der lokalen Bevölkerung ist dafür unerlässlich", sagt Artenschutzexpertin Barbara Maas, die das Projekt für die Stiftung betreut und das Gebiet bereiste. Das Reservat ist von 142 Dörfern mit insgesamt 80.000 Einwohnern umgeben. Die Menschen sind in vielerlei Hinsicht vom Wald abhängig, leben gleichermaßen von und in ihm. Sie roden den Wald, um Brennholz, Baumaterial und Weideflächen zu gewinnen. Maas erklärt, welche Probleme das mit sich bringt: "Die Viehherden verdrängen die Wildtiere und infizieren sie mit ansteckenden Krankheiten. Durch die Brandrodung breiten sich feuerresistente Pflanzen wie Phoenix-Palmen aus, die die natürliche Regeneration des Waldes behindern."

Um die Lebensgrundlage nicht nur des Tigers, sondern auch der Menschen zu sichern, haben der WTI und NABU International gemeinsam mit der Bevölkerung und der Nationalparkleitung einen nachhaltigen Managementplan erstellt. Indem die Lebensbedingungen für die Menschen im Reservat verbessert werden, verringert das Modell den Bevölkerungsdruck auf das Reservat und unterstützt die Vegetation dabei sich zu regenerieren - die Basis für eine überlebensfähige Tigerpopulation.

Alternativen schützen den Wald

"Die Dorfbewohner haben ein großes Interesse daran, kostengünstige Alternativen zum Abholzen des Waldes zu finden. Teil des Projektes ist es daher, die Abhängigkeit von den Erzeugnissen des Waldes zu verringern", erklärt Maas. Zu diesen Alternativen zählen mit Kuhdung betriebene Biogasanlagen, Kocher, die mit Reisspelzen statt mit Holz befeuert werden, und holzsparende Öfen. Dies sind kleine, aus Ton hergestellte Küchenherde. Zusammengenommen senken diese Maßnahmen den Brennholzverbrauch um 77 Prozent.

Begleitet werden diese Bemühungen durch Wiederaufforstung auf privaten wie öffentlichen Grundstücken, um alternative Nahrungs- und Brennholzquellen zu erschließen. Zugleich stärken Workshops und Filmvorführungen das Bewusstsein für Naturschutz in der Bevölkerung des Valmiki-Reservates und tragen nachhaltig zum Schutz der Biodiversität und damit auch der letzten frei lebenden Tiger bei.

Ein Anfang ist gemacht

Tiger haben erst dann eine Chance, wenn bei den Menschen ein Umdenken stattfindet. Die wertvollen Lebensräume dürfen nicht ausgebeutet, sondern müssen nachhaltig genutzt werden. Dass die bisher ergriffen Schutzmaßnahmen ein guter Anfang sind, zeigen die jüngsten Zahlen: In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Tiger in Indien erstmals wieder angestiegen. Zwischen 2006 und 2011 gab es einen Anstieg von etwa 20 Prozent von 1.411 auf 1.706. Die indische Regierung plant nun, das NABU-Pilotprojekt in Valmiki dank seines Erfolges auch auf andere Gebiete und Dörfer auszuweiten.

Ausführliche Infos zum Projekt gibt es unter
www.NABU-International.de.

Die letzten 4000

Für den Königstiger gehört Indiens Wildnis zu den letzten Rückzugsgebieten. Ihr Schutz ist entscheidend für das Überleben dieser Art. Während vor hundert Jahren noch etwa 100.000 frei lebende Tiger weite Teile Asiens durchstreiften, sind heute durch den Druck der wachsenden Bevölkerung über 90 Prozent ihres einstigen Lebensraumes verloren. Die Wilderei auf Beutetiere und den Tiger selbst hat ihr Übriges getan. Heute gibt es nur noch rund 4000 der größten Katzen der Erde. Sie leben größtenteils in isolierten Schutzgebieten über 13 Länder verstreut. Von ursprünglich neun Unterarten sind drei, der Javatiger, der Balitiger und der Kaspische Tiger, bereits ausgestorben.

http://www.nabu.de/nabu/nh/2012/2/14893.html#header

*

Quelle:
Naturschutz heute - Heft 2/12
(Text in der Internet-Fassung)
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-1500, Fax: 030/284984-2500
Hausanschrift: Charitéstraße 3, 10117 Berlin
E-Mail: naturschutz.heute@nabu.de
Internet: www.naturschutz-heute.de
Herausgeber: NABU, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-0, Fax: 030/284984-2000
E-Mail: nabu@nabu.de
Internet: www.NABU.de
 
"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2012