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ARTENSCHUTZ/026: Philippinien - Artenvielfalt im 'Korallendreieck' kaum erforscht, stark gefährdet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Juni 2011

Philippinien: Fantastische Artenvielfalt in 'Korallendreieck' - Kaum erforscht und stark gefährdet

Von Kara Santos und Julia Barthel


Batangas (Philippinen), Berlin, 7. Juni (IPS) - Die Unterwasserwelt zwischen den Philippinen, Indonesien und Papua-Neuguinea gilt als die artenreichste Meeresregion der Erde. Wissenschaftler sind derzeit vor Ort, um eine Bestandsaufnahme im sogenannten 'Korallendreieck' vorzunehmen.

Mindestens 500 Korallenarten, sechs von sieben weltweit existierenden Spezies von Meeresschildkröten und über 3.000 Fischarten sind in den Gewässern anzutreffen. Zusammen mit einer großen Vielfalt an Seepferdchen, Haien und unzähligen anderen Meeresbewohnern machen sie diesen Teil des indopazifischen Ozeans zum Epizentrum marinen Lebens.

Doch das Naturparadies ist in Gefahr. Die unkontrollierte Überfischung der Region ist nur eines von vielen Problemen, das hier von Menschenhand gemacht wurde. Grund genug, um den Artenreichtum vor Ort zu dokumentieren, damit Strategien zur Rettung des Korallen-Dreiecks erarbeitet werden können.

Die 'California Academy of Sciences' ist eines der zehn größten Naturkundemuseen der Welt und unternimmt mit der Untersuchung der Biodiversität auf den Philippinen seine bisher größte wissenschaftliche Expedition. Terrence Gosliner ist Meeresbiologe und unter anderem zuständig für die Forschungssammlung des Museums. Er leitet die Forschungsreise und beschreibt die Vielfalt des marinen Lebens im Umkreis der Philippinen als "scheinbar endlos". Obwohl er seit über 20 Jahren immer wieder in diese Region kommt, entdeckt er nach wie vor bei jedem Tauchgang mindestens eine neue Lebensform.

"Viele Menschen sind der Ansicht, das 'Great Barrier Reef' in Australien sei das artenreichste Korallenriff der Welt, aber das stimmt so nicht", sagt Gosliner. "Tatsächlich liegen die Riffe mit der größten Biodiversität im Korallen-Dreieck zwischen Indonesien, Malaysia, Papua-Neuginea und den Salomoninseln. Allein in den ersten drei Wochen der Expedition konnten wir neue Spezies von jeder Tierart entdecken, die wir hier erforschen."

Goslines Team bereitet sich derzeit darauf vor, die Verde-Island-Passage zu erkunden. Die Wasserstraße liegt zwischen der philippinischen Hauptinsel Luzon und Mindoros. Das Seegebiet hat eine Größe von 1,14 Millionen Hektar und umschließt das kleine Eiland Verde Island ('Grüne Insel').


Aufklärungsarbeit ist lebenswichtig

Schon frühere wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Region das Zentrum der weltgrößten Vielfalt verschiedener Arten von Küstenfischen ist. Dennoch sei ein Großteil der Artenvielfalt dort noch unerforscht, berichtet Gosliner. Er weist aber auch darauf hin, dass ein Großteil der Korallenriffe inzwischen stark angegriffen ist. Das rücksichtslose Ernten von Korallen, Verschmutzung, steigende Wassertemperaturen und die Übersäuerung des Meeres bedrohen den Bestand dieses einzigartigen maritimen Lebensraums.

Noch während die Wissenschaftler der Expedition dabei sind, neue Arten zu sichten, warteten die Medien mit erschütternden Nachrichten auf. Vor der Küste der südlichen Provinz Cotabato auf der Insel Mindanao wurde ein ganzer Riffkomplex von Wilderern zerstört. Die philippinische Tageszeitung 'Philippine Daily Inquirer' berichtet, dass bei dem Raubzug mehr als 21.000 Stöcke der Schwarzen Koralle herausgerissen wurden. Den Schätzungen zufolge benötigen Korallen mindestens 25 Jahre, um ihre endgültige Größe zu erreichen. Sie wachsen nur einen Zentimeter im Monat.

Bei dem Raubzug wurden zudem 161 als gefährdet eingestufte Meeresschildkröten getötet. Eines der Reptilien hatte zwischen 80 und 100 Jahre im Ozean gelebt. Auch andere marine Lebewesen wie Muscheln fielen den Wilderern zum Opfer. Das zerstörte Riff war zweimal so groß wie die Fläche der philippinischen Hauptstadt Manila.

Die derzeitige Expedition zur Erforschung der Artenvielfalt auf den Philippinen ist die erste umfassende Untersuchung der terrestrischen und marinen Artenvielfalt dieses Ökosystems. Noch bis Ende Juni werden Botaniker, Entomologen (Insektenkundler) und Meeresbiologen nach neuen Lebensformen Ausschau halten und den Artenreichtum vor Ort dokumentieren. Dabei erforschen sie die Flachwasser-Riffe, die Tiefsee und die Süßwassersysteme ebenso wie die terrestrischen Biotope.

Die Erkundung soll helfen, den Bestand an Lebensformen besser einschätzen zu können, um in Zukunft den Naturschutz effektiver zu gestalten. Zu diesem Zweck arbeitet die California Academy of Sciences mit der philippinischen Regierung, Umweltschutzorganisationen und Schulen zusammen.

Das Besondere an dieser Expedition ist aber das direkte Engagement des wissenschaftlichen Teams. Dem Meeresbiologen Gosliner zufolge werden die Forscher ihre Anwesenheit auf den Philippinen auch für Aufklärungsarbeit nutzen. Sie organisieren Veranstaltungen, um Schülern, Lehrern und Gemeindepolitikern zu vermitteln, wie wichtig der Erhalt der Artenvielfalt für ihre Zukunft ist.


Massentourismus und Verschmutzung im Naturparadies

Wilfredo Licuanan ist Professor an der Universität De La Salle in Manila und an der Expedition beteiligt. Auch er betont, wie wichtig es ist, die bereits schwindende Artenvielfalt auf den Philippinen noch rechtzeitig zu studieren. Auf einer kleinen Insel zeigt er ein trauriges Beispiel für den gedankenlosen Umgang mit der Natur: "Dieser Tauchplatz liegt in der Nähe von Stadtgebieten, in denen der Müll nicht vernünftig entsorgt wird", erläutert er. Die Küste ist übersät mit Bonbonpapier, alten Gummischuhen und anderem Unrat.

Wie Licuanan betont, ist es auch nicht ungewöhnlich, bei Tauchgängen auf Plastiktüten und alte Windeln zu stoßen, die sich um die Korallen wickeln. Außerdem würden auf dem Meeresboden oft Haushaltsbatterien liegen und sich dort auflösen. Zu allem Überfluss ist das artenreiche Ökosystem der Verde-Island-Passage gleichzeitig eine der meist befahrenen Seefahrtrouten der Philippinen. Industrielle und kommerzielle Schiffe sowie Passagierfähren fahren dort regelmäßig durch, um von den südlichen Inseln zur philippinischen Hauptstadt Manila zu gelangen.

Wilfredo Licuanan warnt: "Stellen Sie sich nur vor, es käme in diesem Gebiet zu einer Ölkatastrophe." Im Augenblick verfügen die Philippinen nicht über die nötige Ausrüstung, um eine Verschmutzung mit Öl oder Chemikalien effektiv bekämpfen zu können. Die Bucht von Batangas ist jedoch dabei, sich zu einem Zentrum für Ölraffinerien, Benzinherstellung und Chemieverarbeitung zu entwickeln. In anderen Ländern sind Meeresschutzgebiete in der Regel unbewohnt. Hier jedoch reiht sich an der Küste ein Tauchresort an das andere. Selbst auf den kleinsten Inseln gibt es groß angelegte Ferienorte und Privathäuser für Urlauber.


Aufklärungsarbeit

Wegen der allgegenwärtigen Gefahren für das Naturparadies im Korallendreieck arbeitet die Umweltorganisation 'Conservation International' (CI) mit den Landesregierungen und Gemeinden vor Ort zusammen, um die natürlichen Ressourcen der Verde-Island-Passage zu erhalten. "Es ist uns gelungen, entlang der Küste neue Meeresschutzgebiete zu schaffen", berichtet Romeo Trono, der Leiter des Philippinen-Büros der Gruppe.

CI konnte in den Gemeinden Leute ausbilden, damit sie sich in Arbeitsgruppen für die Überwachung der Schutzmaßnahmen engagieren. In vielen Kommunen im Umfeld der Verde-Island-Passage gibt es jetzt die 'Bantay Dagat'-Gruppen, auch bekannt als 'Sea Watch'. Sie kümmern sich darum, dass die gesetzlichen Bestimmungen für das empfindliche Ökosystem auch eingehalten werden.

Trono zufolge hat sich die Situation im Vergleich zu den 1980er Jahren schon deutlich verbessert. Damals war das Meeresgebiet ein Brennpunkt der illegalen Fischerei. Dieses Problem konnte man inzwischen eindämmen. Heute stellt der Tourismus eine große Bedrohung für die Natur dar. Daher bemüht sich CI jetzt verstärkt darum, die Tauchresorts und andere touristische Einrichtungen zu einer umweltfreundlichen Abfallentsorgung zu bewegen.

Romeo Trono erklärt: "Es ist eine echte Herausforderung, den Menschen klar zu machen, wie wichtig es ist, die Artenvielfalt zu erhalten und für ein gesundes Ökosystem zu kämpfen. Wir wollen ihnen zeigen, wie sie durch den Schutz der Umwelt dazu beitragen können, die natürlichen Ressourcen für die Zukunft zu sichern." (Ende/IPS/jb/2011)


Links:
http://www.calacademy.org/
http://www.inquirer.net/
http://www.dlsu.edu.ph
http://www.conservation.org/Pages/default.aspx
http://www.coraltrianglecenter.org/
http://www.southcotabato.gov.ph/scweb2/index.php
http://ph.news.yahoo.com/coral-reefs-twice-size-manila-destroyed-071002394.html

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 7. Juni 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2011