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ASIEN/029: China - Volksrepublik setzt auf Atomstrom, 13 Reaktoren in Betrieb, 25 im Bau (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. November 2010

China: Volksrepublik setzt auf Atomstrom - 13 Reaktoren in Betrieb, 25 im Bau

Von Taro Ichigawa


Tokio, 26. November (IPS) - China entwickelt sich im Bereich Nuklearenergie rasch zum Selbstversorger, wie aus einer Studie des Weltnuklearverbands WNA mit Sitz in London hervorgeht. Demnach sind in der Volksrepublik bereits 13 Atomkraftwerke in Betrieb, 25 befinden sich im Bau.

Darüber hinaus seien weitere Kraftwerke geplant, die mit den fortschrittlichsten Technologien arbeiten sollten, heißt es in dem Report. Peking will damit seine Produktionskapazitäten verzehnfachen. Im Jahr 2020 sollen bis zu 80 und 2030 bereits 200 Gigawatt Atomstrom erzeugt werden. Ein Gigawatt entspricht einer Milliarde Watt. Bis zum Jahr 2050 soll die Menge dann auf 400 GW gesteigert werden.

Im Vergleich dazu betrug die installierte Leistung von Windenergieanlagen in Deutschland im vergangenen Jahr 25,8 GW und in den USA 35,2 GW. Die größten zwei Anlagen des belgischen Nuklearkraftwerks Doel erreichten Produktionsspitzen von jeweils 1,01 GW.

In China wird der Großteil der Energie aus fossilen Brennstoffen generiert, wobei Kohle mit 80 Prozent den Löwenanteil ausmacht. Erdöl schlägt mit zwei Prozent und Erdgas mit einem Prozent zu Buche. Hinzu kommt der Strom aus zwei riesigen Wasserkraftprojekten, dem Drei-Schluchten-Kraftwerk (18,2 GW) und dem Kraftwerk am Gelben Fluss (15,8 GW).

Laut dem WNA-Bericht hat die rasant gestiegene Energienachfrage in der Volksrepublik bereits zu Engpässen geführt. Der schwerpunktmäßige Einsatz fossiler Brennstoffe hat zudem die Umweltprobleme verschärft. Die Weltbank beziffert die wirtschaftlichen Verluste infolge der Luftverschmutzung mit fast sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).


Versorgungsengpässe im Landesinnern

Im vergangenen Jahr waren vor allem zentralchinesische Provinzen wie Hubei von den Lieferengpässen betroffen. Der größte Energieversorger 'Central China Grid Co' registrierte im Dezember 2009 eine Spitzenbelastung von 94,6 GW.

Insgesamt wurden in dem Land im vergangenen Jahr mit rund 3,6 Billionen Kilowattstunden Strom sechs Prozent mehr Elektrizität als 2008 erzeugt. Auch im Vergleich zum Vorjahr war eine deutliche Steigerung um 5,8 Prozent zu beobachten. Bis Ende dieses Jahres wird die Produktion von rund 3,8 Billionen Kilowattstunden erwartet. Die installierte Gesamtleistung hatte sich bis Ende 2009 auf 874 GW erhöht. Dies war ein Anstieg um 10,2 Prozent im Verhältnis zum Vorjahr.

Nach Einschätzung der WNA werden die Kapazitäten in der Zukunft allerdings langsamer wachsen und 2020 etwa 1.600 GW erreichen. Bei Untersuchungen war Ende 2007 ermittelt worden, dass maximal 554 GW aus fossilen Brennstoffen, 145 GW aus Wasserkraft, neun GW aus Atomkraft und vier GW aus Windenergie erzeugt werden konnten. Im folgenden Jahr kamen 20,1 GW aus Wasserkraftwerken, 65,5 GW aus Kohlekraftwerken und 4,7 GW aus Windenergieanlagen hinzu.

Experten sind über diese Zuwächse erstaunt, denn China musste eine Reihe kleinerer und ineffizienter Kohlekraftwerke schließen. Nach dem Stand vom vergangenen Jahr waren damit seit 2006 rund 60 GW weggefallen. Die jährliche Kohlenutzung sank um 69 Millionen Tonnen und die CO2-Emissionen gingen um 139 Millionen Tonnen zurück.

Das staatliche Energieversorgungsnetz gilt als hochentwickelt und vergrößert sich rasch. Mit Hilfe von Ultrahochspannung (UHV) soll das Netz bis 2020 auf etwa 300 GW ausgebaut werden. Diese Strommenge soll das Rückgrat des Versorgungssystems bilden. Hinzu kämen weitere 400 GW aus umweltfreundlichen Energieträgern, davon 78 GW aus Wasserkraft. Die Produktionskapazität von Windenergie soll bis 2020 auf 100 GW gesteigert werden.

Die Regierung in Peking hatte Ende vergangenen Jahres beschlossen, 600 Millionen US-Dollar in die Modernisierung des Stromnetzes zu investieren. Der größte Produzent Huaneng Power erzeugte 2009 etwa 203 Milliarden Kilowattstunden, gefolgt von Datang Power mit rund fast 150 Milliarden Kilowattstunden. Hudian Power lieferte 107,5 Milliarden und CPI Development etwa 44 Milliarden Kilowattstunden.


Kohle aus Umwelt- und Logistikgründen keine Option mehr

Die Verwendung von Kohle zur Energieerzeugung ist laut dem WNA-Bericht nicht nur aus Umweltgründen problematisch. Der Transport aus den Bergbaugebieten im Norden und Nordwesten stellt die Industrie außerdem vor enorme logistische Schwierigkeiten. Fast die Hälfte aller Schienenverbindungen in der Volksrepublik werden zurzeit für die Beförderung von Kohle genutzt.

Auf der internationalen Liste der Klimasünder hat China mit seiner CO2-Bilanz die USA bereits überholt. Nach offiziellen Schätzungen aus den USA wird der Anteil der Volksrepublik an den weltweiten durch Kohle verursachten Schadstoffemissionen jährlich um wahrscheinlich 2,7 Prozent steigen, von 4,9 Milliarden Tonnen im Jahr 2006 auf 9,3 Milliarden Tonnen in 2030. Dies würde dann mehr als der Hälfte aller prognostizierten Emissionen entsprechen.

Der gesamte CO2-Ausstoß Chinas dürfte sich nach Berechnungen von Experten von 6,2 Milliarden Tonnen 2006 auf 11,7 Milliarden Tonnen in 2030 erhöhen. Damit wäre die Volksrepublik in 20 Jahren für 28 Prozent aller globalen Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich. Der CO2-Ausstoß der USA wird wahrscheinlich um 0,3 Prozent jährlich auf 7,7 Milliarden Tonnen 2030 anwachsen.


Hohe Investitionen in Nuklearstromsektor geplant

Der WNA zufolge kommt dem Ausbau der Atomstromindustrie deshalb eine wichtige Rolle zu. Wichtig sei Atomstrom vor allem für die Küstenregionen Chinas, in denen die Wirtschaft boomt. Der Bau der ersten Nuklearkraftwerke begann in dem Land bereits 1970. Die entsprechenden Technologien wurden vor allem aus Frankreich, Kanada und Russland importiert. Wie die Zeitung 'China Daily' im September berichtete, will die Regierung bis 2020 umgerechnet etwa 120 Milliarden Dollar in Nuklearenergieprojekte investieren. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.world-nuclear.org/info/inf63.html
http://www.indepthnews.net/news/news.php?key1=2010-11-22%2023:05:33&key2=1


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. November 2010