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ASIEN/012: Indien - Wunderpflanze mit Tücken, Erwartungen an Jatropha haben sich nicht erfüllt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. September 2010

Indien: Wunderpflanze mit Tücken - Erwartungen an Jatropha haben sich nicht erfüllt

Von Manipadma Jena

Die Jatropha-Pflanze enthält 30 bis 40 Prozent Öl - Bild: © Manipadma Jena/IPS

Die Jatropha-Pflanze enthält 30 bis 40 Prozent Öl
Bild: © Manipadma Jena/IPS

Hyderabad, Indien, 22. September (IPS) - Die indische Wirtschaft verschlingt immense Treibstoffmengen, weswegen der Subkontinent jährlich Erdöl in zweistelliger Milliarden-Dollar-Höhe importieren muss. Spätestens 2017 will Indien jedoch mit selbst produziertem Biosprit mindestens 20 Prozent des nationalen Energiebedarfs decken. Dazu lässt die Regierung großflächig Jatropha anbauen. Doch die Wunderpflanze hält nicht, was sie verspricht.

Seit sieben Jahren wird die Pflanze aus der Familie der Wolfsmilchgewächse gezielt für die Biosprit-Produktion in Plantagen beworben. Die Regierung geht davon aus, dass sich mit dem großflächigen Jatropha-Anbau die benötigten 13 Millionen Tonnen des 'grünen' Treibstoffs am schnellsten generieren lassen. Die Menge würde das derzeitige Produktionsvolumen um das 30fache übersteigen.

Doch selbst Umweltgruppen reagieren auf die Pläne mit erheblicher Skepsis. "Biotreibstoffe sind eine Enttäuschung. Die Raffinerien in Indien kommen kaum an die Rohstoffe heran und müssen zudem viel für deren Lagerung zahlen", kritisierte Suneel Parasnis, der Asien-Koordinator des multilateralen Netzwerks für private Finanzberatung (PFAN).

Experten machen für den bisherigen Biosprit-Flop vor allem unzureichende Vorbereitungen verantwortlich. Viele Bauern sehen sich zudem dadurch getäuscht, dass ihnen profitgierige Pflanzenzüchter Samen und Setzlinge verkauften und völlig unrealistische Erträge versprachen.

Auf den ersten Blick scheint die Jatropha-Pflanze tatsächlich das Wundermittel für die nachhaltige Treibstofferzeugung in Entwicklungsländern zu sein. Sie wurde dafür gepriesen, auch auf wenig fruchtbaren Böden zu gedeihen. Eine Konkurrenz zwischen dem Anbau von Lebensmitteln und Rohstoffen für den Energiesektor sollte damit von vornherein ausgeschlossen werden.

Die eiförmigen Jatropha-Samen enthalten außerdem einen stattlichen Ölanteil von 40 Prozent. Überdies ist der Biodiesel aus Jatropha CO2-neutral. Das bedeutet, dass er bei der Verbrennung so viel Kohlendioxyd abgibt, wie die Pflanze im Verlauf ihres Wachstums aufgenommen hat.

Wie aus einem Bericht einer staatlichen Planungskommission von 2003 hervorgeht, sind 36 Millionen Hektar in Indien für den Anbau der Jatropha-Pflanzen geeignet. Größtenteils handelt es sich dabei um ungenutztes öffentliches Land und Waldgebiete.

Staatliche Anreize wie Steuervergünstigungen zeigten bald Wirkung. 2006 pflanzten bereits zahlreiche Farmer und Ölproduzenten Jatropha an. Inzwischen mussten sie jedoch erkennen, dass die Regierung ihnen zuviel versprochen hat. Die Pflanze bringt nur auf fruchtbarem, bewässertem und gedüngten Land lohnenswerte Erträge.

K. Koteshwar Rao von dem Biosprit-Unternehmen 'Nandan Biomatrix' in Hyderabad sieht eines der größten Probleme darin, die Bauern davon zu überzeugen, Jatropha nur bis zur ersten Fruchtperiode im dritten Jahr anzubauen. Seine Firma rate den Farmern zu Mischkulturen, um die Zeit bis zur ersten Gewinnung von Ölsamen zu überbrücken, erklärte Rao. 'Nandan Biomatrix' erwarb kürzlich internationale Patente für einen Jatropha-Typ, der besonders viel Öl hervorbringt.

Rao wies auch darauf hin, dass ein ausgewachsener Jatropha-Strauch von etwa drei Metern Höhe an trockenen Tagen bis zu zwei Liter Wasser benötigt, um zu überleben. Ein tiefer Brunnen würde zur Bewässerung einer 50 Hektar großen Plantage ausreichen, sagte er. Außerdem seien mindestens 200 Kilo Düngemittel erforderlich.

Der Experte warnte davor, eine Plantage ohne spezielle Vorkenntnisse über die Pflanze zu bewirtschaften. Die Forschungen über genetische Verbesserungen von Jatropha sollten weiter in den Vordergrund rücken, meinte er.


Regionale Projekte stagnieren

Auch die Regierungen mehrerer Bundesstaaten, die vor einigen Jahren vehement für Jatropha-Kulturen eintraten, sind inzwischen ernüchtert. 2005 bereitete sich der zentrale Bundesstaat Chhattisgarh darauf vor, Indiens Hauptanbaugebiet für Jatropha zu werden. Auf der Website der Behörde für die Entwicklung von Biosprit wurden seit 2007 jedoch keine Fortschritte auf dem Gebiet mehr eingetragen.

Großinvestoren setzen dagegen weiterhin auf Jatropha. Umweltaktivisten werfen ihnen vor, ohne jegliche Skrupel auf ihre Profitziele hinzuarbeiten. Vor allem in dem armen ostindischen Staat Orissia und im Zentrum des Landes hätten sich Unternehmer ohne Rücksicht auf Verluste Grundstücke angeeignet, sagte Puspanjali Satpathy von der Naturschutzorganisation 'Vasundhara'.

In diesem Jahr haben private Firmen Bauern in Orissa zudem mit Kreditangeboten dazu gebracht, Jatropha-Samen und Setzlinge zu kaufen. Den Farmern wurde versprochen, dass sie die Darlehen in Höhe von umgerechnet 175 US-Dollar durch die Ernteeinahmen rasch abzahlen könnten. Die Investoren spekulierten aber offensichtlich darauf, dass die Bauern ihr Land bis zum Zeitpunkt der ersten Ernte nach drei Jahren verloren haben werden. Auf ihren Grundstücken ist ein Bewässerungsprojekt geplant.

Selbst Biosprit-Befürworter wie Sreenivas Ghatty, der inzwischen als Berater in Australien arbeitet, sind frustriert. Umweltfreundliche Energien müssten weiterentwickelt werden, sagte er. 'Grüner' Treibstoff sei die billigste und nachhaltigste Alternative. Die Richtlinien für Grasswurzel-Energiesicherheit müssten allerdings klarer definiert werden. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.cti-pfan.net/
http://www.nandan.biz/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52890

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2010