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ARTENRAUB/298: Nach kläglicher Jagdsaison ist die Zukunft von Norwegens Walfang ungewiss (OceanCare)


OceanCare - Medienmitteilung, 2. Oktober 2019

Nach kläglicher Jagdsaison ist die Zukunft von Norwegens Walfang ungewiss

Neue Umfrage bestätigt geringe Nachfrage nach Walfleisch


Wädenswil/München, 1. Oktober 2019: Die norwegische Regierung hat die diesjährige Waljagd-Saison vergangene Woche offiziell für beendet erklärt. Mit insgesamt 429 Tieren wurden 2019 weniger Zwergwale getötet als in den vergangenen Jahren. OceanCare und Pro Wildlife und eine internationale Koalition aus Wal- und Tierschutzorganisationen (s.u.) zeigen sich erleichtert, dass in dieser Saison nicht noch mehr Wale den Harpunen zum Opfer fielen.

"Allerdings ändern die sinkenden Tötungszahlen und die fallenden Walfleischpreise nichts daran, dass die norwegischen Walfänger seit einigen Jahren mehr Tiere töten als die beiden anderen Walfangnationen Japan und Island", so Dr. Sandra Altherr von der Münchner Artenschutzorganisation Pro Wildlife. "Angesichts der Diskrepanz zwischen Quoten und tatsächlichen Tötungszahlen sowie der sinkenden Nachfrage nach Walprodukten wäre es die logische Konsequenz, dass Norwegen diese unnötige, grausame und unrentable Jagd beendet", ergänzt Fabienne McLellan von der Schweizer Meeresschutzorganisation OceanCare.

In der diesjährigen Jagdsaison tötete Norwegen insgesamt 429 Zwergwale und somit 25 Tiere weniger als im vergangenen Jahr und deutlich weniger als die eigenmächtig beschlossene Quote von 1.278 Tieren. Seit dem Höhepunkt 2014 mit 736 Walen nimmt die Zahl der von Norwegen getöteten Meeresriesen ab, auch aufgrund der schwindenden Nachfrage nach ihrem Fleisch. Norwegen ignoriert mit seinen selbst gesetzten Quoten das von der Internationalen Walfangkommission (IWC) beschlossene, weltweite Verbot des kommerziellen Walfangs. Seit dessen Inkrafttreten 1986 starben mehr als 14.000 Zwergwale durch norwegische Harpunen. Nur Island und Japan betreiben ebenfalls noch kommerziellen Walfang, aber in geringerem Umfang. Norwegen ist seit einigen Jahren deutlich die Walfangnation Nummer 1.

"Die internationale Kritik fokussiert sich zwar auf Japan, besonders seit es die IWC verlassen hat. Aber die Waljagd in europäischen Gewässern darf darüber nicht vergessen werden, vor allem weil Norwegen das kommerzielle Fangverbot der IWC missachtet", betont Vanessa Williams-Grey von der Whale and Dolphin Conservation (WDC).

Die meisten Norweger haben kaum Interesse an Walfleisch auf ihrem Teller. Dies zeigte sich in einer neuen Umfrage, die von einer Koalition aus Wal- und Tierschutzorganisationen in Auftrag gegeben und vom norwegischen Meinungsforschungsinstitut Opinion AS durchgeführt wurde. Einige Ergebnisse der Umfrage:

  • Insgesamt gaben nur vier Prozent der befragten Norweger an, Walfleisch "oft" zu essen, während zwei Drittel nie oder "schon lange nicht mehr" Walfleisch zu sich nehmen.
  • Besonders die Jüngeren sind kaum am Verzehr von Walen interessiert. In der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen isst niemand "oft" Walfleisch und nur 21 Prozent essen es "selten". Demgegenüber halten sich 75 Prozent schon immer oder seit langem vom Fleisch der Meeressäuger fern.
  • Der höchste Walfleischkonsum ist in der Gruppe der Über-70-Jährigen anzutreffen, von denen 42 Prozent Walfleisch zumindest gelegentlich essen. Neun Prozent geben an, dass sie Walfleisch oft essen.

Angesichts der rasch schwindenden Nachfrage nach Walfleisch beendeten viele Fischer ihre Jagd schon früh in der Saison. Dies zeigt sich auch darin, dass von 14 Fischerbooten mit Walfanglizenzen seit Ende Juni nur ein bis vier Schiffe pro Woche ausgelaufen waren. "Da das Bewusstsein in Norwegen für den Tierschutz wächst, finden qualvolle Tötungen von Walen wenig Unterstützung. Zudem ist immer mehr Norwegern der Schutz ihrer Natur und Tierwelt wichtig und viele sind mit dem gegenwärtigen Schutzstatus ihrer Wildtiere unzufrieden", sagte Siri Martinsen, Direktorin der norwegischen Tierschutzorganisation NOAH.

Norwegens Regierung hat die Walfangindustrie jahrzehntelang subventioniert, um den Walfleischkonsum zu fördern. Erst im vergangenen Jahr unterstützte sie das Zwergwalfleisch-Marketing mit einer halben Million Kronen (ca. 50.000 Euro), um mit neuen Produkten wie Wal-Burger oder Nahrungsergänzungsmittel aus Wal die Nachfrage zu steigern und so die Verkaufszahlen in die Höhe zu treiben. Die darbende Industrie hat zudem zusätzliches Geld eingenommen, indem sie Pelztierfarmen belieferte, wo das Fleisch als Futter verwendet wird. Diese Einnahmenquelle wird jedoch schon bald versiegen, da mittlerweile ein Verbot der Pelztierhaltung in Norwegen beschlossen wurde.

Ein Bericht, den die norwegischen Behörden 2018 der IWC vorlegten, bestätigte zudem die enorme Grausamkeit der Zwergwaljagd. Viele Wale sterben einen langsamen, qualvollen Tod. Der Bericht enthüllte, dass fast 20 Prozent der Wale, die mit Explosionsharpunen geschossen wurden, sechs bis 25 Minuten leiden mussten, bis sie schließlich ihren schweren Verletzungen erlagen. Ein weiterer Kritikpunkt ist der Abschuss so vieler trächtiger beziehungsweise säugender Weibchen.

Die Umfrage in Norwegen erfolgte im Auftrag einer Koalition der folgenden Organisationen, die im Walschutz zusammenarbeiten: Animal Welfare Institute (USA), Environmental Investigation Agency, Humane Society International, NOAH (Norwegen), OceanCare (Schweiz), Pro Wildlife (Deutschland) sowie Whale and Dolphin Conservation (UK/Deutschland).



Weitere Informationen:

Bericht "Frozen in Time: Wie das moderne Norwegen am Walfang festhält":
www.oceancare.org/frozen-in-time
Referenzierung: Altherr, S., O'Connell, K., Fisher, S., Lüber, S. (2016). Frozen in Time. Report by Animal Welfare Institute, OceanCare and Pro Wildlife. 23 pp.
Informationen über den norwegischen Walfang, das Walfangverbot und die IWC:
https://www.oceancare.org/de/unsere-arbeit/tierschutz/wale/walfang/
Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Opinion AS:
http://www.oceancare.org/wp-content/uploads/2019/09/Opinion-AS-survey-into-attitudes-towards-whaling-and-whalemeat-consumption-in-Norway-2019.pdf

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Quelle:
Medienmitteilung vom 2. Oktober 2019
Herausgeber: Verein OceanCare
Oberdorfstr. 16, Postfach 372, Ch-8820 Wädenswil
Tel.: +41 (0) 44 780 66 88, Fax: +41 (0) 44 780 66 08
E-Mail: info[at]oceancare.org
Internet: www.oceancare.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2019

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