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ARTENRAUB/176: Asien-Pazifik - Massiver Artenschwund in bevölkerungsreichster Region (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Oktober 2014

Asien/Pazifik: Massiver Artenschwund in bevölkerungsreichster Region - Staaten müssen handeln

von Kanya d'Almeida


Bild: © Kanya D'Almeida/IPS

Ein Kuh auf einem ausgedorrten Feld im Bezirk Jaffna in Sri Lanka
Bild: © Kanya D'Almeida/IPS

Colombo, 9. Oktober (IPS) - Im asiatisch-pazifischen Raum leben mehr als 4,2 Milliarden Menschen. Die Biodiversitätsanforderungen, die sich künftig an die bevölkerungsreichste Weltregion stellen, sind immens.

Laut Scott Perkin, Leiter der Naturressourcengruppe des Asien-Büros des Weltnaturschutzverbandes (IUCN-Asien), kann die Region mit Blick auf die Aichi-Biodiversitätsziele durchaus einige Erfolge vorweisen. 2010 hatte sich die internationale Gemeinschaft im japanischen Nagoya auf insgesamt 20 Strategieziele verständigt.

"Eine Mehrheit der Länder hat ihre Nationalen Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne (Ziel 17) überarbeitet und gestärkt", so Perkin in einer E-Mail an IPS. Darüber hinaus hätten viele Staaten das Nagoya-Protokoll (Ziel 16) ratifiziert.

Dennoch stehen die asiatisch-pazifischen Staaten seiner Meinung nach unter einem enormen und stetig wachsenden Druck, den Artenschwund aufzuhalten. "Die Geschwindigkeit, in der Bevölkerung und Wirtschaft zulegen, befeuert nach wie vor die Zerstörung der natürlichen Habitate. Es bedarf größerer Anstrengungen, um das fünfte Ziel zu erreichen, die Entwaldungsrate und die Geschwindigkeit, in der die Habitate zerstört werden, bis 2020 zu halbieren."


Indonesien sticht Brasilien bei der Waldvernichtung aus

Allein Indonesien sah sich im Zeitraum 2000 bis 2003 mit einer jährlichen Entwaldungsrate von einer Million Hektar konfrontiert. Eine neuere Studie zeigt, dass das Land im Jahr 2012 aller Wahrscheinlichkeit nach 840.000 Hektar Primärwald abgehackt hat. Damit hat das südostasiatische Land sogar Brasilien übertrumpft, das im gleichen Jahr 460.000 Hektar abholzte.

Perkin zufolge stellt auch der illegale Handel mit Wildtieren eine weitere Herausforderung für Asien/Pazifik dar, um das zwölfte Aichi-Ziel zu erreichen: die Ausrottung bekannter Arten zu verhindern. Dabei lässt sich gerade anhand dieser Region gut aufzeigen, dass sich Artenvielfalt und Wirtschaftlichkeit bedingen können. So geht aus dem am 6. Oktober veröffentlichten Globalen Biodiversitätsüberblick 4 (GBO-4) hervor, dass die Verringerung der Entwaldungsraten Einnahmen in Höhe von jährlich 183 Millionen Dollar in Form von Ökosystemleistungen generiert.

Das gleiche Muster ist im gesamten asiatisch-pazifischen Raum erkennbar. Besonders deutlich zeigt es sich dort, wo Regierungen die Ausbeutung der Meeresressourcen durch Schutzvorkehrungen ersetzt haben. Im westpazifischen Inselstaat Palau hat die Entscheidung, den kommerziellen Fischfang zu verbieten, dem Ökotourismus und dem Artenschutz Auftrieb gegeben. Hatte ein toter Hai, dessen Flossen in Ostasien eine begehrte Delikatesse sind, dem Staat einst mehrere hundert US-Dollar eingebracht, sind es nun 1,9 Millionen Dollar, wenn die Spezies am Leben bleibt.

In Indonesien hat die Einrichtung des größten Schutzgebietes für Teufelsrochen das Wirtschaftspotenzial des Meeresgetiers von 500 Dollar (als Fleisch- und Medizinlieferant) auf mehr als ein Million Dollar (als Tourismusmagnet) erhöht, wie Bradnee Chambers, Exekutivsekretär des Übereinkommens zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten der Vereinten Nationen (CMS), betonte.

Doch um den Artenschutz zu gewährleisten, bedarf es weitaus umfassenderer Maßnahmen. "Es geht um mehr als um die bloße Frage, wo wir unsere Straßen und Autobahnen bauen", meinte David Ainsworth, Pressesprecher des Sekretariats der Artenvielfaltskonvention (CBD). "Es geht um die fundamentale Frage, wie wir uns mit Blick auf Natur und Artenvielfalt sozial und wirtschaftlich positionieren werden."

Bisher jedoch fallen Natur und Artenvielfalt in der Regel wirtschaftlichen Interessen zum Opfer - mit verheerenden Folgen für die biologische Vielfalt, wie der neue WBO-4 verdeutlicht. Demnach hat die Welt in den vergangenen 40 Jahren 52 Prozent ihrer wildlebenden Tiere eingebüßt und in den zurückliegenden 50 Jahren 17 Prozent ihrer Wälder gefällt. Die Gewässer wiederum wurden seit 1970 drei Viertel ihrer tierischen Bewohner beraubt, während Verschmutzung, Küstenentwicklung und Überfischung inzwischen 95 Prozent aller Korallenriffe bedrohen.

Eine Flut von internationalen Konferenzen und Abkommen in den letzten Jahren hat versucht, die Bremse zu ziehen, um diesen scheinbar unaufhaltbaren Zug zum Stehen zu bringen. Es wurden konkrete Ziele abgesteckt und Gesetze erlassen, um die letzten Ökosysteme zu retten, in denen die Menschheit noch nicht ihren tödlichen Fußabdruck hinterlassen hat.


Welt hängt ihren Aichi-Zielen hinterher

Dazu soll auch der Strategieplan Artenvielfalt 2011 bis 2020 mit seinen Aichi-Zielen beitragen. Obwohl seine Bedeutung in den letzten vier Jahren immer wieder von der UN-Vollversammlung und auf dem Rio+20-Erdgipfel in Brasilien bekräftigt wurde, ist das Ausmaß des Artenschwunds größer als die Erfolge, ihn aufzuhalten.

Nach wie vor werden Wälder niedergemäht, Müll in den Meeren entsorgt und Wildtierhabitate kurzlebigen wirtschaftlichen Profitinteressen geopfert. Die Bemühungen der letzten vier Jahre, diesem Trend Einhalt zu gebieten, sind derzeit Gesprächsthema der COP12 vom 6. bis 12. Oktober im südkoreanischen Pyeongchang.

Dem Revisionsbericht GBO-4 zufolge ist es an der Zeit, "die Triebfedern des Artenschwunds auszumustern, die fest in unseren Systemen der politischen Entscheidungsfindung, der Kostenaufstellungen, der Produktions- und Konsummuster verankert sind".

Die internationale Umweltorganisation WWF hat in ihrem letzten Living-Planet-Bericht kritisiert, dass die Menschen die Geschenke der Natur so stark überstrapazierten, "als stünde uns mehr als eine Erde zur Verfügung".

Der Living-Planet-Index des WWF zeigt anhand von 10.000 Wirbeltieren wie Säugern, Vögeln, Reptilien, Amphibien und Fischen den Zustand der weltweiten biologischen Vielfalt auf. Demnach geht die Ausbeutung der Wildtiere in den letzten 40 Jahre zu 37 Prozent auf das Konto der Menschen, zu 31 Prozent auf die Degradierung der Habitate, zu 13 Prozent auf den Verlust der Habitate und zu sieben Prozent auf den Klimawandel zurück.

Der gleiche Bericht kommt ferner zu dem Schluss, dass die von Menschen verursachten Folgeerscheinungen wie erhöhte Verschmutzung und Bauprojekte weitgehend für den Niedergang der Wildarten- und Frischwassersysteme verantwortlich sind. So verhinderten 45.000 Großstaudämme (von mehr als 15 Metern Höhe) den freien Fluss einiger der weltgrößten Flüsse zu Lasten des Artenreichtums.

Die Meerespopulationen sind um 40 Prozent zurückgegangen, wodurch die Dringlichkeit, angemessene Meeresschutzgebiete einzurichten, unterstrichen wird. Dem GBO-4 zufolge "sind in mehr als der Hälfte der Meeresgebiete keine fünf Prozent des Areals geschützt".


Verschwendung in der Nahrungskette einstellen

Ainsworth zufolge sind Landwirtschaft und Ernährungssicherheit sicherlich die größten Herausforderungen für die Menschheit. "Wohlwissend, dass wir mit einem substanziellen Bevölkerungswachstum bis Ende des Jahrzehnts konfrontiert sind, das mit Änderungen der Ernährungsweisen wie einer Zunahme des Fleischkonsums einhergehen wird, geraten wir allein schon im Zusammenhang mit unserer landwirtschaftlichen Situation unter einen unerhörten Druck."

Ein Teil dieses Drucks ließe durch einen Wandel im Umgang mit den Nahrungsproduktionssystemen abbauen. So müsse der Verschwendungskreislauf im Umgang mit Nahrungsmitteln auf allen Ebenen durchbrochen werden. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/10/humanity-failing-the-earths-ecosystems/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 9. Oktober 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2014