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ARTENRAUB/085: Folgen des Handels mit "exotischen Haustieren" für die Biodiversität (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2012
Biodiversität - Mehr Kröten für den Artenschutz

Aus der Wildnis ins Wohnzimmer
Folgen des Handels mit »exotischen Haustieren« für die Biodiversität

von Dr. Sandra Altherr



Das Meerschweinchen hat ausgedient; stattdessen boomt die Nachfrage nach ungewöhnlichen Haustieren: Flughunde aus Ägypten, Frösche aus Paraguay oder Igel aus Madagaskar sind auf Börsen oder über das Internet für jedermann erhältlich. Dieser unkontrollierte und dennoch weitgehend legale Handel gefährdet die Biodiversität - nicht nur in den Herkunftsländern, sondern auch hierzulande.


Nasenbären, Königskobra oder Netzpython: Der Handel mit Wildtieren für die Privathaltung hat in den letzten 20 Jahren erschreckende Ausmaße angenommen - sowohl was die Anzahl der Tiere als auch das Artenspektrum angeht. Zwischen 440.000 und 850.000 lebende Reptilien sowie bis zu 380.000 Süßwasserzierfische werden jährlich allein nach Deutschland importiert. Hinzu kommt eine unbekannte Anzahl Amphibien, nicht-heimischer Säugetiere, Meerwasserzierfische und Wirbelloser, deren Importe für den hiesigen Heimtiermarkt das Bundesamt für Statistik nicht gesondert erfasst. Noch immer wird ein Großteil dieser Tiere aus der Wildnis gefangen, meist in Entwicklungsländern; der Handel ist weitgehend unkontrolliert, jedoch legal. Denn viele Arten, die in deutschen Käfigen, Terrarien oder Aquarien enden, sind international nicht geschützt. Und dieser Handel treibt immer neue Arten an den Rand der Ausrottung.

Ausverkauf der Natur

Wildtierhalter argumentieren gerne, ihr Hobby sei ein wichtiger Beitrag zum Artenschutz. Doch für viele Arten ist die Privathaltung nicht Lösung, sondern Ursache des Problems: Renommierte Wissenschaftler warnen inzwischen sogar davor, bei Erstbeschreibungen neu entdeckter Artenschutz die genauen Fundorte zu veröffentlichen. Denn wiederholt nutzten die Tierfänger just solche Quellen, um die Wildbestände solcher begehrter Neuheiten gezielt absammeln zu können - so geschehen beim Warzenmolch aus Laos (Laotriton laoensis) oder dem seltenen Chinesischen Leopardgecko (Goniurosaurus luii).

Jüngstes Beispiel für die Artenschutzrelevanz des Heimtierhandels ist der türkise Zwerggecko (Lygodactylus williamsi). Im Sommer 2012 wurde er auf der Roten Liste der internationalen Union für die Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources - IUCN) als vom Aussterben bedroht eingestuft. Diese Echse kommt nur in einem kleinen Waldgebiet in Tansania vor und tauchte 2005 erstmals im deutschen Heimtierhandel auf, für wenige Euro wird er auf Reptilienbörsen angeboten. Zwar hat Tansania für diese Art keine Exporte genehmigt, jedoch haben Artenschutzbehörden keine Handhabe, um hierzulande angebotene Exemplare zu beschlagnahmen, solange die Art nicht international durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen CITES (siehe Kasten) geschützt ist.

Wie schwer eine internationale Unterschutzstellung oftmals ist, zeigt das Beispiel des Banggai-Kardinalbarsches (Pterapogon kauderni), der nur in einem winzigen Verbreitungsgebiet vor der indonesischen Insel Sulawesi vorkommt: Seit Mitte der 1990er Jahre wurden jährlich hunderttausende der attraktiven Fische für den internationalen Aquaristik-Markt gefangen. Trotz lokaler Bestandsrückgänge um bis zu 89 Prozent scheiterte 2007 die Listung in CITES Anhang II und damit eine Beschränkung des internationalen Handels am Widerstand von Indonesien. Laut der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN ist die Art inzwischen als stark gefährdet eingestuft, dennoch importierte allein Deutschland nach Auskunft des Bundesamtes für Naturschutz jährlich noch immer mehrere tausend Tiere.

Heimtierhandel als Ursache für Faunenverfälschung

Zu der Artenschutzproblematik in den Herkunftsländern kommt ein bislang unterschätztes Risiko für die heimischen Ökosysteme - nämlich dann, wenn exotische Tiere hier entkommen oder von überforderten beziehungsweise verantwortungslosen Haltern ausgesetzt werden: Bekanntestes Beispiel ist die Rotwangenschmuckschildkröte (Trachemys scripta elegans) aus Nordamerika, die in den 1970ern und 1980ern zu tausenden als winzige Jungtiere hierzulande verkauft wurden. Inzwischen haben sich diese Reptilien an unzähligen Teichen und Tümpeln in ganz Deutschland angesiedelt, wo sie wichtige Brut- und Sonnenplätze der heimischen europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) besetzen. In diesem Fall reagierte die Politik vergleichsweise zeitnah, jedoch leider nur halbherzig: Der Import von Rotwangenschmuckschildkröten ist seit 1997 laut EU-Artenschutzverordnung verboten, Haltung, Zucht und Verkauf jedoch nicht - zudem ist die Einfuhr und Verbreitung der eng verwandten Gelbwangenschmuckschildkröte (Trachemys scripta scripta) und anderer Taxa, die ähnliche ökologische Nischen besetzen (beispielsweise Höckerschildkröten: Graptemys spp.), weiterhin uneingeschränkt möglich.

Obwohl beliebte exotische Heimtiere wie Guppy oder Goldfische bereits in der IUCN-Liste der »100 schlimmsten Invasoren« zu finden sind, gibt es auch hier bislang keine politischen Konsequenzen. Aktuell diskutiert die EU erneut Maßnahmen, um die Ausbreitung invasiver Arten besser zu bekämpfen. Als wahrscheinlich gilt eine »schwarze Liste«, die den Import potentiell invasiver Arten unterbinden soll. Der Erfolg einer solchen Liste steht und fällt jedoch damit, ob nur solche Arten verboten werden, deren Ausbreitung in Langzeitstudien belegt wurde - wie es derzeit unzureichende Praxis ist und wo gerade bei kleineren, unauffälligen Arten entsprechende Studien fehlen. Weitaus sinnvoller wäre es, Arten zu listen, die sich bereits in anderen Ländern als invasiv erwiesen haben beziehungsweise deren biologische Eigenschaften ein hohes Anpassungspotential nahelegen. Dies wäre ein Ansatz, der nicht erst das Eintreten und die Dokumentation einer ökologischen Schädigung abwartet, sondern präventiv agiert. Noch besser wäre eine »weiße Liste«, die nur den Import solcher Spezies zulässt, die als unbedenklich einzustufen sind. Doch eine solch konsequente und präventive Entscheidung der EU ist kaum wahrscheinlich.

Handelsbeschränkungen sind überfällig

Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (englisch CITES) ist zwar das wichtigste internationale Tool gegen den Handel mit bedrohten Arten - aber oft scheitert eine Unterschutzstellung am Widerstand der Handelslobby oder an den mangelnden Populations- und Handelsdaten (siehe Kasten). Sinnvoller wäre deshalb eine Umkehr der Beweislast: Der Handel mit Wildtieren sollte demnach nur möglich sein, wenn die Naturentnahmen nachweislich ökologisch unbedenklich sind beziehungsweise es sich zweifelsfrei um Nachzuchten handelt. Ob eine solche Wende international möglich ist, ist zweifelhaft. Deshalb wäre es dringend geboten, dass die Gesetzgeber in Deutschland zumindest den Handel mit Wildtieren innerhalb Deutschlands stark einschränken und sich auf EU-Ebene gegen den Massenimport von Wildfängen einsetzen. Dies ist unabdingbar, um die Biodiversität in den Herkunftsländern zu schützen, aber auch die Risiken der Einschleppung und Ausbreitung invasiver Arten in einem dem Klimawandel unterliegenden Europa zu mindern.

Autorin ist Diplom-Biologin und Mitbegründerin von Pro Wildlife.


CITES - ein Artenschutztool mit Grenzen
Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (englisch CITES: Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora) regelt den Handel mit Tier- oder Pflanzenarten, die durch den internationalen Handel bedroht sind: Für Arten in CITES Anhang II wird der internationale Handel - zumindest in der Theorie - auf ein nachhaltiges Level beschränkt, für Arten in Anhang I ist der kommerzielle Handel hingegen verboten. Für alle anderen Arten bleibt der länderübergreifende Handel jedoch uneingeschränkt möglich. Um eine Art nach CITES schützen zu lassen, muss eine akute Bedrohung durch den Handel dezidiert, inklusive Bestandsrückgängen und Handelsdaten, nachgewiesen werden. Und hierin liegt ein Grundproblem: Solange die Arten nicht CITES-geschützt sind, wird der internationale Handel nicht registriert, was wiederum entsprechende Schutzanträge sehr erschwert. Dennoch nimmt CITES regelmäßig Tiere in seine Anhänge auf, die durch den Heimtierhandel bedroht sind, wie beispielsweise Rotaugenlaubfrösche aus Lateinamerika, Zagrosmolche aus dem Iran, Gelbwangenkakadus aus Indonesien oder Spinnenschildkröten aus Madagaskar. Doch diese Maßnahmen sind immer nur eine Reaktion auf eine bereits erfolgte Naturplünderung - und sie führen immer wieder zu einer Verlagerung des Marktes auf weiterhin ungeschützte Arten.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2012, S. 22-23
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2012