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VERPACKUNG/239: Streit um die Biotüte - Vorteile für die Umwelt oder Verbrauchertäuschung? (aid)


aid-Newsletter Nr. 16 vom 18. April 2012

Streit um die Biotüte

Vorteile für die Umwelt oder Verbrauchertäuschung?



(aid) - Die Handelskonzerne Aldi und Rewe haben in ihren Filialen als ökologisch beworbene Einkaufstüten im Angebot und sind deshalb heftig von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) kritisiert worden. Nun hat Rewe den Verkauf vorläufig eingestellt.

Die Deutsche Umwelthilfe hatte Rewe und Aldi vorgeworfen, mit den Tüten aus Bioplastik den Verbraucher zu täuschen. Die Einkaufstaschen seien weder umweltfreundlich, noch werden sie in Deutschland kompostiert. Rewe unterstreicht, dass der Konzern mit dem Angebot der "Biotüte" vor allem einen Beitrag zur Schonung der fossilen Ressourcen leisten möchte. Denn die Tüten bestehen zu dreißig Prozent aus pflanzenbasierten Rohstoffen wie Maisstärke. Sie entsprechen der europäischen DIN EN 13432 - gekennzeichnet durch das grüne Keimling-Logo. Nun soll geprüft werden, ob die Kompostierbarkeit der Tüten nach dieser Norm in Deutschland umfassend gewährleistet ist.

Für ihre Recherche hatte die Deutsche Umwelthilfe bei der chemischen Industrie, bei Plastiktütenherstellern, Handelsunternehmen, Kompostierern und Entsorgern nachgefragt, was die Biotüte wirklich leisten kann. Offenbar wird sie in industriellen Kompostieranlagen gemeinsam mit herkömmlichen Plastiktüten aussortiert, um Plastikreste im Kompost zu vermeiden. Eine Umfrage unter mehr als 80 deutschen Kompostierungsanlagen zeige, dass eine Kompostierung biologisch abbaubarer Kunststoffe wie der Biotüte praktisch nicht stattfindet.

Nach der DIN-Norm müssen die Taschen innerhalb von zwölf Wochen unter bestimmten Vorgaben und Faktoren wie Feuchtigkeit, Temperatur und Sauerstoff in industriellen Kompostierungsanlagen zu mindestens 90 Prozent zersetzt sein. Deutsche Anlagen arbeiten in der Regel aber mit kürzeren Verweilzeiten von höchstens acht Wochen. In vielen deutschen Kommunen ist die Entsorgung von Bioplastiktüten über die Biotonne daher laut DUH verboten.

Die Deutsche Umwelthilfe fordert eine Umstellung auf umweltfreundlichere Alternativen wie Mehrwegtaschen. Rewe hat die Biotüte vorerst aus dem Sortiment genommen. "Mit diesem Schritt wollen wir dafür sorgen, dass es bei unseren Kunden nicht zu Verunsicherung über die tatsächliche Umweltverträglichkeit dieser Tragetaschen kommt", erklärt Rewe-Unternehmenssprecher Martin Brüning. Bei Aldi ist die Biotüte weiterhin erhältlich. Aldi Süd weist in einer Stellungnahme den Vorwurf der vorsätzlichen Täuschung des Kunden zurück und versichert, dass die Biotüte auch durch die Einsparung petrochemischer Stoffe Umweltvorteile gegenüber herkömmlichen Plastiktüten biete. Nach Aussagen des europäischen BioPlastic-Verbands können die Tragetaschen in den meisten deutschen Kompostierungsanlagen vollständig abgebaut werden. Zudem seien die Produkte noch in der Entwicklung, denn speziell bei Biokunststoff gäbe es noch großes Potenzial.

Der aid infodienst rät: Das Nachdenken über die richtige Wahl der zu bezahlenden Tüte an der Kasse kann man vereinfachen, wenn man Mehrwegtaschen oder einfach einen Einkaufskorb zum Einkauf im Supermarkt mitbringt.

Heike Kreutz, www.aid.de

Weitere Informationen:
Deutsche Umwelthilfe (DUH): www.duh.de

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Quelle:
aid-Newsletter 16/12 vom 18.04.2012
Herausgeber: aid infodienst
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2012