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STÖRFALL/040: Shell-Raffinierie Wesseling - Eine Mio. Liter Kerosin versickert (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1063, vom 02. Mai 2015 - 34. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Shell-Raffinierie Wesseling: Eine Mio. Liter Kerosin versickert


Dass vor drei Jahren im Februar 2012 in der Shell-Raffinerie Wesseling (südlich von Köln) zunächst unbemerkt eine Millionen Liter Kerosin versickert sind, wird jetzt in einem Sicherheitsgutachten auf Schlamperei bei der Erfüllung der Prüfpflichten für unterirdische Rohrleitungsanlagen zurückgeführt. Dem massiven Grundwasserschadensfall waren weitere Störfälle gefolgt: Tragisch war eine Verpuffung im Jahr 2013 mit zwei Schwerverletzten sowie ein Brand Anfang des Jahres 2014. Wegen der Häufung der Unfälle hatte die Bezirksregierung Köln die Erstellung eines Sicherheitsgutachtens angeordnet. Die beauftragten Experten kamen zum Ergebnis, dass es für die Häufung der Betriebsstörungen keine Hauptursache geben würde, dass aber insgesamt die "Sicherheitskultur" in der Rheinland-Raffinerie von Shell "zu wenig robust" ausgelegt gewesen sei. U.a. wurde festgestellt, dass die in der Verordnung über den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (VaWS) in § 12 (4) festgeschriebenen Prüfpflichten für unterirdische Rohrleitungsanlagen im Unternehmen zwar bekannt gewesen seien - dass man den Prüfpflichten aber zu nachlässig nachgekommen sei. Dass die Prüfpflichten für die korrodierenden Rohrleitungen "nicht in vollem Umfang erfüllt" worden seien, sei auch dem mit den Prüfungen beauftragten TÜV Rheinland nicht aufgefallen. Zu dem Korrosionsschaden in der Kerosin-Pipeline sei es vermutlich dadurch gekommen, dass die Pipeline von einer Trinkwasserleitung gekreuzt wurde. Beim kathodischen Korrosionsschutz beider Leitungen sei es zu negativen Interaktionen gekommen. [Dass es bei sich kreuzenden Leitungen zu Korrosionsschäden kommen kann, ist ein seit langem bekannter Sachverhalt; Anm. BBU.]

Die Autoren des Sicherheitsgutachtens hatten weiterhin festgestellt, dass insbesondere die Verschärfungen in der VAwS durch eine Neufassung der Verordnung in der Raffinerie nicht genügend berücksichtigt worden seien. Nach dem Motto »Dumm gelaufen« ergab sich daraus folgender Missstand: "Den ersten Messpunkt für die Korrosionsrate hat Shell für diese Leitungen beim Turnaround im Jahr 2007 ermittelt. Der zweite Wert für die Korrosionsrate wäre im Turnarount 2012 gemessen worden, aber bevor die Messungen durchgeführt werden konnten, gab es bereits Leckagen (S. 122).

In einer Pressemitteilung des Düsseldorfer Umweltministeriums zur Veröffentlichung des Sicherheitsgutachtens werden dem nordrhein-westfälischen Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) mahnende Worte in den Mund gelegt:
"Wenn die defekte Kerosinleitung nach dem heutigen Stand der Technik betrieben worden wäre, wäre der Schaden sehr viel früher entdeckt worden. Dieses Beispiel ist uns als Landesregierung Warnung genug gewesen, um die gesetzlichen Anforderungen an Störfallanlagen genauer unter die Lupe zu nehmen und auf den Prüfstand zu stellen."

In der Pressemitteilung vom 16.04.15 wird zudem darauf hingewiesen, dass "bereits im Jahr 2013 (...) der Bundesrat auf Initiative von NRW eine Entschließung verabschiedet" habe, "mit der die Bundesregierung aufgefordert wurde, für bestehende Rohrfernleitungsanlagen die Möglichkeiten einer Nachrüstung zur Anpassung an den Stand der Technik zu prüfen. Damit hätten Behörden die Möglichkeit, für die zum Teil Jahrzehnte alten Rohrleitungen einen besseren Stand der Technik zu verlangen". Es scheint so, dass man in der Rheinland-Raffinerie von Shell inzwischen aus dem Schaden klug geworden ist. Die ehemals unterirdisch geführten Leitungen und Pipelines werden jetzt oberirdisch verlegt, so dass Korrosionsschäden leichter erkannt werden können. Interessant in dem Gutachten sind nicht nur die Kapitel zur Verbesserung der "Sicherheitskultur", sondern auch die Passagen, in denen auf die in der Vergangenheit schlechte Krisenkommunikation der Raffinerie eingegangen wird. Das Gutachten enthält Vorschläge für die Gestaltung einer proaktiven Krisenkommunikation gegenüber Nachbarn, Behörden und Umweltverbänden.

Das Sicherheitsgutachten (166 S.), das federführend vom Prof. Dr. Christian Jockum (Mitglied der Kommission für Anlagensicherheit - s. RUNDBR. 966/3-4), von dem Zertifizierungsunternehmen DNV GL und vom Darmstädter Öko-Institut erstellt worden ist, kann unter [1] als pdf-Dokument abgerufen werden.

Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht

Dass man bei Shell nicht erkannt hat, dass die periodischen Prüfpflichten verschärft worden sind, habe u.a. daran gelegen, dass die für den rechtssicheren Betrieb zuständige Stabsstelle von Shell in Hamburg "proportional geschrumpft" (S. 114) worden sei. Somit würde es bei Shell "nur noch wenige Mitarbeiter" geben, die die Änderungen bei Gesetzen und Verordnungen zeitnah verfolgen würden. Diese Schludrigkeit fördert bei uns den Eindruck, dass die "Sicherheitskultur" in der deutschen Industrie eher ab- als zunimmt. Unter dem Rationalisierungs- und Kosteneinspardruck werden die Umweltabteilungen eingedampft. Damit korrespondiert auf Behördenseite unter dem Motto "Schlanker Staat" ebenfalls eine ständige Reduktion des Personalbestandes (vgl. RUNDBR. 970/3). Irgendwann wird eine kritische Grenze unterschritten. Die Folge können dann eine Million Liter Kerosin im Grundwasser sein. -ng-


[1] https://www.umwelt.nrw.de/pressebereich/detail/new s/2015-04-16-experten-legen-gutachten-zum-sicherheitsmanagement-der-rheinland-raffinerie-vor/?tx_news_pi1[controller]=News&tx_news_pi1[action]=detail&cHash=8f3d64668e8ce22550ae60533d 2fc43f

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1063
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2015

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