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ROHSTOFFE/061: Holz - die neue Kohle? Warum Europa immer mehr Wälder aus aller Welt verfeuert (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2021

Holz - die neue Kohle?
Warum Europa immer mehr Wälder aus aller Welt verfeuert

von Jana Ballenthien und Kenneth Richter


Bäume erzeugen mit ihrem Holz einen genialen, nachhaltigen Rohstoff: Man kann sie ernten und es wachsen neue nach. Doch die Illusion vom immerwährenden, sich selbst erneuernden Rohstofflager löst sich mehr und mehr auf. Spätestens seitdem in Europa die Idee Schule macht, Holz als die "neue Kohle" in Großkraftwerken zu verbrennen, wachsen Zweifel. Was wir hier beobachten, ist ein weiteres trauriges Kapitel einer Scheinlösung, mit der Regierungen ihre Ziele für erneuerbare Energien nur auf dem Papier erreichen. Die Realität sieht anders aus: Das Klima wird geschädigt, das rasante Artensterben wird weiter beschleunigt und Schadstoffe belasten unsere Gesundheit.

Welche Energieformen in der EU förderungswürdig zur Erreichung der Klimaziele sind oder nicht, regelt in erster Linie die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (Renewable Energy Directive - kurz RED). In der RED wird die Verbrennung von Holz oder Holzbiomasse als "erneuerbar" und "klimaneutral" gewertet, die Emissionen werden nicht auf die Klimabilanz angerechnet und die Mitgliedstaaten werden so ermächtigt, die teure Verbrennung von Holz zu subventionieren. 52% von dem, was Finnland als "erneuerbare Energie" bezeichnet, stammen aus der Verbrennung von Biomasse (hauptsächlich Holz). In Schweden sind es sogar 60% des Energiebedarfs, der darüber gedeckt wird. Auch die Niederlande hatten bis jetzt ein riesiges Programm zur Holzverbrennung in Kraftwerken, jährlich subventioniert mit mehreren 100 Millionen Euro. Im Februar 2021 stimmte das holländische Parlament für ein Auslaufen der Subventionen für Holzverbrennung. Zudem wurde die Genehmigung weiterer Subventionen für die Holzverbrennung gestoppt, bis ein adäquater Ausstiegsplan vorliegt.

Waldzerstörung par excellence

Europas Wälder sind durch Schadstoffe, intensive Forstwirtschaft und die neuen klimabedingten Veränderungen wie Dürreperioden, Stürme, andere Extremwetterereignisse und der daraus resultierenden Anfälligkeit für Schadinsekten schon massiv geschädigt. Nur 14% der Wälder sind in einem guten Erhaltungszustand. Nach offiziellen Vorhersagen werden im Jahr 2025 die Wälder der EU 18% weniger Kohlenstoff speichern als noch in den frühen 2000er-Jahren. Allein zwischen 2000 und 2018 stieg die Menge an Energieholz, das in europäischen Wäldern geschlagen wurde, um 47%. Kahlschläge nahmen in dieser Zeit um 30% zu. Inzwischen wird die Hälfte der europäischen Holzernte verbrannt. Die Industrie rechnet damit, dass die Nachfrage über die nächsten fünf Jahre um weitere 30 bis 40% wächst.[1] Der weltgrößte Pelletproduzent Enviva bezieht nachweislich regelmäßig Holz aus Kahlschlägen artenreicher Laubholz-Feuchtwälder, aus einem weltweit einzigartigen Biodiversitätshotspot im Südosten der USA, - einem Lebensraum von Pflanzen, Amphibien und andere Arten, von denen mindestens 1.500 endemisch sind. Auch im waldreichen Baltikum nimmt die Intensität des Holzeinschlags stark zu. Selbst in den Wäldern des Natura-2000-Netzes findet regelmäßig intensiver Holzeinschlag statt (siehe Beitrag v. Norbert Panek, Anm. d. Red.)[*]

Todesursache Luftverschmutzung

Im Jahr 2018 führte Feinstaub der Partikelgröße PM 2,5 zu bis zu 379.000 Todesfällen in der EU und auch die Pelletproduktion verursacht erhebliche Luftverschmutzung.[2] Die Subventionierung der Holzverbrennung untergräbt die Bemühungen der EU-Mitgliedstaaten die vorgeschriebenen Ziele zur Verringerung der Luftverschmutzung zu erreichen. Die Verringerung der Holzverbrennung in Haushalten und Kraftwerken wäre der einfachste und schnellste Weg zu gesünderer Luft. Holz in Großkraftwerken zu verbrennen, ist hingegen der schnellste Weg, die Luftverschmutzung noch um ein Vielfaches zu steigern.

Klimaneutral? Was sagt die Wissenschaft?

Die Bewertung der Holzverbrennung als "erneuerbar", also als CO2-neutral, führt zu immer mehr Subventionen dieser Praxis durch die Mitgliedstaaten. Dies geht auf die vereinfachte Vorstellung zurück, dass dieselbe Menge Kohlenstoff, die bei der Verbrennung eines Baumes in die Luft geblasen wird, wieder aus der Atmosphäre aufgenommen wird, wenn ein neuer Baum wächst. Im Januar 2021 veröffentlichte der Gemeinsame Forschungsrat der Europäischen Kommission (Joint Research Center, JRC) einen warnenden Bericht zur Verbrennung von Holzbiomasse: In der EU werden mehr als 350 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr durch Verbrennung von Holzbiomasse emittiert, die über Jahrzehnte oder Jahrhunderte in der Atmosphäre verbleiben. Denn Bäume wachsen zu langsam, um den Kohlenstoff, der bei der Verbrennung frei wird, durch Zuwachs in einem Zeitraum aufzunehmen, der mit den Emissionsreduktionszielen der EU vereinbar ist. Von den 24 Bioenergie-Szenarien, die in dem JRC-Bericht bewertet wurden, stellen 23 zudem ein Risiko für das Klima, die Biodiversität oder beides dar. Die meisten nationalen Energie- und Klimapläne der EU-Mitgliedstaaten enthalten zudem keine angemessene Bewertung der potenziellen Auswirkungen einer Ausweitung der Holzeinschläge für Waldbiomasse auf Kohlenstoffsenken, Biodiversität, Wasser und Luftverschmutzung.

Energie, die aus der Verbrennung von Holzbiomasse gewonnen wird, darf nicht mehr positiv in den Klimabilanzen verbucht werden.

Holzverbrennung in Deutschland

Angesichts des geplanten Kohleausstiegs in Deutschland hoffen immer mehr Energieunternehmen, ihre fossilen Kraftwerke mit Holz am Laufen zu halten. Die weltgrößten Pelletkonzerne Enviva und Granuul Invest lassen schon verlauten, Deutschland sei ihr nächster großer Markt. Einige Energiekonzerne wie EnBW führen bereits Gespräche mit Pelletproduzenten und auch der Energiekonzern STEAG spricht über Umrüstungspläne.[3] Vom Bundeswirtschaftsministerium erhält man die knappe Aussage, dass Vorschläge erarbeitet würden, wie die Umstellung bestehender Kohlekraftwerke auf hocheffiziente und flexible Gas- oder Biomasseverstromung unterstützt werden könne.

Doch kleine Lichtblicke gibt es: SpitzenpolitikerInnen der Grünen formulierten, dass die Verfeuerung von Holz in Kohlekraftwerken "klima- und ressourcenpolitischer Irrsinn, der keine Förderung verdient", sei und auch das Bundesumweltministerium gibt zu bedenken, dass bei unangepasster Holzernte eine Gefährdung und ein Rückgang der biologischen Vielfalt drohen könne und die Funktion des Waldes als CO2-Senke gemindert würde. Das Umweltbundesamt (UBA) schließt sich dieser Einschätzung an, gibt aber zugleich zu, dass der Nachweis, dass es sich um nicht weiter stofflich verwendbares Rest- und Altholz handle, nicht leicht zu führen sei. Eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder EU-weit oder weltweit sicherzustellen, sei nicht möglich. Von einer vermeintlich CO2-neutralen Nutzung könne, unter Freisetzung immenser Mengen an Treibhausgasemissionen, nicht mehr ausgegangen werden. An einigen Orten scheint sich diese Einschätzung durchzusetzen: Während in Hamburg die Umweltbehörde (BUKEA) ihre Pläne zur Umrüstung eines ihrer Kraftwerke auf namibische Büsche nach massiven Protesten der Zivilgesellschaft einstweilen auf Eis legte, entschieden sich die BürgerInnen des niederbayerischen Ortes Kösching aktiv gegen den Bau eines Holzkraftwerkes für die Wärmeversorgung des ansässigen Audi-Konzerns.

Jetzt muss diese Einstellung nur noch auf Bundes- und EU-Ebene ankommen. Subventionen und andere Anreize für die industrielle Verbrennung von Holzbiomasse müssen eingestellt und das Geld in die Förderung von Energieeffizienz und in den Ausbau tatsächlich klimafreundlicher und emissionsfreier Energiequellen umgelenkt werden. Energie, die aus der Verbrennung von Holzbiomasse gewonnen wird, darf nicht mehr positiv in den Klimabilanzen verbucht werden.

Jana Ballenthien ist Waldreferentin der gewaltfreien Aktionsgemeinschaft ROBIN WOOD.
Kenneth Richter ist Referent für Bioenergie beim Naturschutzbund Deutschland (NABU).

Dieser Artikel ist eine gekürzte Version des Artikels, der im Kritischen Agrarbericht 2022 veröffentlicht wird.

Anmerkungen

[1] Factsheet der Waldnaturschutzorganisation Fern: Why bioenergy is not a climate solution. 2021
(www.fern.org/fileadmin/uploads/fern/Documents/2021/climate_facts_sheet_14062021.pdf).
[2] European Environmental Agency (EEA): Air quality in Europe - 2020 report. EEA report 09/2020. Luxembourg 2020
(www.eea.europa.eu/publications/air-quality-in-europe-2020report).
[3] So z. B. Kai Lobo, stellvertretender Leiter des STEAG Büro Berlin, mündlich auf einem öffentlichen Webinar "Holzverbrennung in deutschen Großkraftwerken", 2021

[*] Anmerkung der SB-Redaktion:
Im Schattenblick siehe unter Infopool → Umwelt → Landwirtschaft
WALD/262: Naturschutz im FFH-Wald? Wie die Forstwirtschaft die biologische Vielfalt schädigt (FUE Rundbrief)
www.schattenblick.de/infopool/umwelt/landwirt/ulawa262.html


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NGOs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

*

Quelle:
Rundbrief 3/2021, Seite 7-9
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 17 75 920
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 9. April 2022

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