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RECHT/139: Windkraft und Anwohnerschutz - Informationen zu rechtlichen Grundlagen (Solarbrief)


Solarbrief 2/2010
Zeitschrift des Solarenergie-Fördervereins Deutschland e.V.

Windkraft und Anwohnerschutz

Informationen zu rechtlichen Grundlagen

Von Horst Kluttig und Florian Pithan


Windenergie ist eine umweltfreundliche Möglichkeit, Strom zu erzeugen. Wir alle benötigen Strom in unserem Alltag und sind daher darauf angewiesen, dass, es genügend Kraftwerke gibt, ihn zu produzieren.

Selbstverständlich haben auch Windräder Einflüsse auf ihre Umgebung. Die Anwohner sind diesen jedoch nicht schutzlos ausgeliefert, denn in Deutschland gelten strenge Grenzwerte. Diese nachfolgenden Informationen legen dar, welche rechtlichen Grundlagen für Windanlagen gelten.


Geräusche

Das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BlmschG) und die Technische Anleitung Lärm (TA Lärm) regeln den Schutz der Anwohner vor schädlichen Geräuscheinwirkungen.

Für ein Dorf- oder Mischgebiet gilt außerhalb der Wohnungen ein Nachtgrenzwert von 45 dB(A). Das heißt, die Windanlagen sind im ungünstigsten, in der Praxis selten auftretenden Fall etwa so laut wie ein Kühlschrank, der vor dem Haus aufgestellt ist. In der Wohnung beträgt der Geräuschpegel dann bei gekipptem Fenster ca. 35 dB(A), bei weit geöffnetem Fenster 40 dB(A).


Geräuschart
Lautstärke dB(A)
Geräuschempfinden
Ticken einer leisen Uhr,
feiner Landregen, Flüstern
-
30

sehr leise
nahes Flüstern,
ruhige Wohnstraße
40

ziemlich leise
Unterhaltungssprache
50
normal
Unterhaltungssprache in 1m
Abstand, Bürolärm
60

normal bis laut
laute Unterhaltung, Rufen,
PKW in 10m Abstand
70

laut bis sehr laut
Straßenlärm bei starkem
Verkehr
80

sehr laut
laute Fabrikhalle
90
sehr laut
Autohupen in 7m Abstand

100
sehr laut bis
unerträglich
Kesselschmiede

110
sehr laut bis
unerträglich
Flugzeugtriebwerk

120
unerträglich bis
schmerzhaft

Nach Umweltbundesamt, http://www.bmu.de/laermschutz/ueberblick/was_ist_laerm/doc/41232.php


Erläuterung der Lautstärke-Angaben

Maßeinheit für die Lautstärke: Dezibel (dB)
d B(A): A-bewerteter Lautstärkepegel, entspricht etwa der menschlichen Empfindung
Beachte: Bei Verdoppelung der Schallintensität (Energie) erhöht sich die Lautstarke um 3 dB; zwei Autos in gleicher Entfernung sind 3 dB lauter als ein Auto.
Ab etwa 60 dB(A) treten beim durchschnittlich empfindlichen und verständigen Menschen physiologische Wirkungen (Schlafstörungen, Stress) auf.


Nachtgrenzwerte (dB(A)) für Windanlagen- bzw. Verkehrsgeräusche:

Windanlagen
Verkehr(*)
Gewerbegebiet
50    
59   
Kern-, Dörf- und Mischgebiet
45    
54   
allgemeines Wohngebiet
40    
49   
reines Wohngebiet
35    
49   
Kurgebiet, Krankenhaus
35    
47   

(*) Die Verkehrs-Grenzwerte gelten nur für den Neu- und Umbau von Verkehrswegen;
für vorhandenen Verkehr gibt es keine gesetzliche Lärmbeschränkung.


Verkehrslärm darf achtmal lauter sein als die Geräusche von Windanlagen (eine Zunahme um 9 dB entspricht einer Verachtfachung der Schallintensität).



Schattenwurf

Der sich bewegende Schatten der Flügel eines Windrads führt zu einem Hell-Dunkel-Effekt, der auf Menschen störend wirkend kann.

Wann tritt dieser Effekt auf?

Nur früh morgens oder spät abends sind die Schatten so lang, dass sie auch die Wohnbebauung treffen können. Dann, gilt: je weiter das Haus von dem Windrad entfernt ist, desto kürzer streift der Schatten das Haus, und desto schwächer wird er. Ab einer gewissen Entfernung ist schließlich der Kontrast so gering, dass der Schatten nicht mehr stört.

Medizinische Untersuchungen zeigen: bei durchschnittlich empfindlichen und verständigen Personen setzen Stresserscheinungen ein, wenn sie dem Rotorschatten einer (drehenden) Windanlage länger als eine Stunde am Stück ausgesetzt sind.

Deshalb gibt es zum Schutz der Anwohner folgende Vorschriften:
1. Kein Haus darf mehr als 8 Stunden pro Jahr vom Rotorschatten rotierender Windanlagen getroffen werden.
2. An keinem Tag darf mehr als 30 Minuten Beschattung durch rotierende Windräder auftreten.


Abstand zur Wohnbebauung

Einige Windkraftgegner fordern einen Mindestabstand von 1500 m zwischen Windanlagen und Wohnbebauung. Dann träten in der Tat auch bei sehr großen Windanlagen keinerlei Störungen durch Geräusche oder Schattenwurf auf. Allerdings gibt es in Deutschland kaum Standorte, an denen solche Abstände eingehalten werden können. Man male sich nur aus, welche Konsequenzen es hätte, wenn diese Forderung (1,5 km Mindestabstand zu jedem Wohnhaus) auch für den Straßenverkehr erhoben würde. Gelegentlich wird fälschlicherweise behauptet, im Windkraft-Erlass des Landes Nordrhein-Westfalen sei ein Mindestabstand von 1500 m bereits vorgeschrieben. Hierzu urteilt der Parlamentarische Beratungs- und Gutachterdienst des Landtages NRW:

"Insgesamt ist somit festzustellen, dass der WKA-Erlass keine pauschalen Mindestabstände zwischen Windkraftanlagen und schützenswerter Wohnnutzung verbindlich vorschreibt, sondern Raum für die erforderliche Prüfung des Einzelfall belässt. Die generelle Einführung eines Mindestabstands von 1.500 m stieße überdies auf rechtliche Bedenken."
(Aus: Aktuelle Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen, Information 14/127 des Landtages NRW, Wahlperiode 2005-2010


Wortlaut der einschlägigen Passage des Windkraft-Erlasses NRW:

8.1.1 Vorbeugender Immissionsschutz in der Planung

(...) Die Abstände können in Abhängigkeit von der Anlagenart, der Anlagenzahl und der Schutzwürdigkeit der betroffenen Gebiete (Richtwerte nach der TA Lärm) variieren. So ergibt sich unter Berücksichtigung der Prognoseunsicherheit für Windkraftanlagen z. B. ein typischer Abstand von 1500 m für ein Windfeld bestehend aus 7 Windkraftanlagen der Zwei-Megawatt-Klasse zu einem reinen Wohngebiet (Richtwert 35 dB(A)).

Das heißt im Klartext:
1. Jeder Einzelfall ist gesondert zu betrachten.
2. Die Abstände sind nach der Technischen Anleitung Lärm zu ermitteln.
3. Es ist ein Zuschlag in Höhe der Prognose-Ungenauigkeit zu berücksichtigen.
4. Wenn zum Beispiel sieben Windanlagen der 2-MW-Klasse im gleichen Abstand von einem Haus aufgestellt werden, das zur höchsten Lärmschutzkategorie zählt (z. B. Krankenhaus, Haus im Inneren eines reinen Wohngebiets), so ergibt sich unter Berücksichtigung großzügiger Sicherheitszuschläge ein Abstand von 1500 m.

Alle diese Regeln sind selbstverständlich. Sie gelten bundeseinheitlich und sind auch in NRW seit eh und je angewandt worden. Für ein Dorf- oder Mischgebiet führt das im Erlass genannte Beispiel (sieben 2-MW-Anlagen) zu Mindestabständen zwischen 420 m und 570 m.


Vogelschutz

Vor Errichtung eines Windparks werden regelmäßig umfangreiche Untersuchungen zum Naturschutz, insbesondere zum Vogel- und Fledermausschutz durchgeführt. Die Empfehlungen der Naturschutzbehörden und Fachgutachter sind bei der im Planungsprozess erforderlichen Güterabwägung zu berücksichtigen.

Was sagen die Naturschutzverbände zur Nutzung der Windenergie?

"Regelmäßige Untersuchungen an Windparks zeigen, dass es bei sensibler Standortwahl kaum negative Auswirkungen auf Vogelpopulationen gibt. Abgesehen von bestimmten Stellen, etwa in der Nähe von Gewässern, gibt es nur ganz selten Kollisionen, schätzungsweise 1 bis 2 pro Jahr und Windrad. Um diese Zahl einordnen zu können, sollte man sich vergegenwärtigen, dass jährlich Millionen von Vögeln Opfer des Straßenverkehrs werden." Deutscher Naturschutzring, "Windkraft im Visier"

"Der Schutz unseres Klimas ist vermutlich die größte umweltpolitische Herausforderung dieses Jahrhunderts und die Nutzung erneuerbarer Energien ist eine der wichtigsten Optionen hierfür. Auf die häufig umstrittene Windenergie können wir daher nicht verzichten...
Windkraftanlagen können negative Effekte auf Vögel haben, indem diese gestört bzw. vertrieben werden oder an ihnen verunglücken. Doch der Vogelschutz eignet sich nicht als generelles Argument gegen die Windenergienutzung..." Naturschutzbund Deutschland e. V. (früher: Deutscher Bund für Vogelschutz), "Was Sie schon immer über Windenergie und Vogetschutz wissen wollten"

"Bei der Umweltbewertung der Windenergie hat sich gezeigt, dass bis auf wenige besondere Orte und wenige besonders gefährdete Vogelarten die Konflikte mit dem Vogelschutz sehr gering sind. Der BUND hat sich in seiner Position Windenergie klar für den Ausbau der Stromproduktion aus Windenergie ausgesprochen und Anforderungen formuliert, wie bei diesem Ausbau der Umwelt- und Naturschutz berücksichtigt werden soll." Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e. V., (BUND),
http://www.bund.net/bundnet/themen_und projekte/ktima_energie/erneuerbare_energien/windenergie/

Autor
- Dr. Horst Kluttig, Physiker mit langjähriger Erfahrung
 bei der Planung und Umsetzung von Windenergieprojekten
- Florian Pithan, Greenpeace-Gruppe Aachen


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Windradführungen in Aachen

In Aachen besteht die Möglichkeit zum Aufstieg in einer 1,5 MW-Windanlage bis zu einer verglasten Plattform, vor deren Fenster die gewaltigen Flügel fast lautlos vorbeistreichen. Mehr Informationen und Anmeldung zur Windradbesteigung unter www.aachen-hat-energie.de


Viele Artikel aus dem Solarbrief befinden sich, neben der Möglichkeit, die Zeitschrift im PDF-Format vollständig herunterzuladen, auch als eigener Beitrag auf www.sfv.de. Da diese zum Teil ständig aktualisiert werden, empfiehlt sich bei Interesse ein zusätzlicher Blick auf die SFV-Website.


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Quelle:
Solarbrief 2/2010, Juli 2010, S. 28-30
Herausgeber:
Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV)
Bundesgeschäftsstelle
Frére-Roger-Straße 8-10, 52062 Aachen
Tel.: 0241/51 16 16, Fax: 0241/53 57 86
E-Mail: zentrale@sfv.de
Internet: www.sfv.de

Einzelpreis: 6 Euro
Erscheinungsweise: vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. August 2010