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FORSCHUNG/461: Die perfekte Welle - Radiowellen helfen bei der Sanierung kontaminierter Böden (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Oktober 2012: Chemikalien in der Umwelt

Die perfekte Welle

von Susanne Hufe



Die Sanierung von Böden, die mit Chemikalien kontaminiert sind, ist nach wie vor schwierig. Die einfachste Lösung ist so teuer wie aufwendig: den Boden samt Schadstoffen abbaggern und entsorgen. Weitaus eleganter ist es dagegen, den Boden während der Reinigung an Ort und Stelle zu belassen und in situ von den Verunreinigungen zu befreien. Doch die derzeit gängigen Methoden stoßen schnell an Grenzen, weil sie häufig nicht effektiv und universell genug einsetzbar sind. Das motivierte den Physiker Dr. Ulf Roland vor einigen Jahren, über Alternativen nachzudenken. Er wusste, dass Nachholbedarf vor allem für Verfahren bestand, mit denen die Bodentemperatur gezielt beeinflusst werden kann. Denn sie bestimmt eine Reihe von physikalischchemischen Parametern, die sowohl für den Schadstoffaustrag als auch die Effektivität von mikrobiologischen Abbauprozessen entscheidend sind.

Doch wo sollte man ansetzen? Heizlanzen, Wasserdampf, Strom - alles wurde schon probiert, oft mit nur mäßigem Erfolg. Schließlich brachten ihn und weitere Leipziger Kollegen amerikanische Wissenschaftler, die sich mit dem Aufschluss von Ölschiefern befasst hatten, auf den Gedanken, es mit einer speziellen Form von elektromagnetischen Wellen zu probieren, den Radiowellen. Sie funktionieren wie die "Küchen-Mikrowelle", können jedoch aufgrund ihrer größeren Wellenlänge viel tiefer ins Material eindringen.

Also experimentierte Ulf Roland in seiner Arbeitsgruppe mit Radiowellen und wies im Labor nach, dass sie so viele positive Eigenschaften in sich vereinen, dass sie für die Sanierung kontaminierter Böden perfekt geeignet sind: Radiowellen gelangen sehr effektiv an die zu erwärmenden Stellen und arbeiten deshalb energiesparend und kostengünstig. Anders als bei der Mikrowelle funktioniert das praktisch in allen Böden - seien sie nun trocken oder feucht, sandig oder schluffig. Außerdem können Radiowellen große Volumina gleichmäßig bis in mehrere Meter Tiefe und in einem weiten Temperaturbereich von unterhalb 0 bis oberhalb 400 erwärmen. Diese Eigenschaften eröffnen eine Reihe von Optionen für die Bodensanierung. So kann der mikrobielle Abbau von Schadstoffen jahreszeitunabhängig bei optimalen 30 bis 40 thermisch unterstützt werden. Oder Schadstoffe werden bei Temperaturen bis zu 200 thermisch desorbiert und danach mit der Bodenluft abgesaugt. Bei Temperaturen über 400 können dagegen chemische Reaktionen initiiert werden, die ebenfalls zum Schadstoffabbau führen.

Den Weg in die Praxis hat das Verfahren längst gefunden, auch international. In Kopenhagen etwa testete man es auf dem Gelände einer chemischen Reinigung, um chlorierte Kohlenwasserstoffe zu beseitigen. In London wurden stark kontaminierte Bereiche eines Industriestandortes saniert und im britischen Manston eine Tankstelle mit einem Mineralölschaden.

Mit der Marktreife des Verfahrens für die Bodensanierung ist die Forschung in diesem Bereich weitestgehend abgeschlossen - nicht aber darüber hinaus. Denn "Radiowellen haben das Zeug zum Problemlöser in vielen Anwendungsbereichen", so Ulf Roland, "und da ist noch eine Menge Forschung gefragt".

Ein riesiger Markt wartet zum Beispiel im Bereich der Gebäudesanierung: Radiowellen können zur Trocknung, aber auch zur Beseitigung von Holzschutzmittel- oder Heizöl-Rückständen oder zur chemikalienfreien Bekämpfung von Holzschädlingen bzw. Hausschwamm eingesetzt werden. Zudem bieten sie sich an, verschiedene technologische Prozesse in der Industrie kostengünstiger und effektiver zu gestalten, beispielsweise bei der thermischen Regenerierung von sogenannten Schüttbetten. Das sind Sammler, über die in vielen chemischen Anlagen Abluft gereinigt wird und die bislang entweder entsorgt oder energieintensiv regeneriert werden. Auch bei der Aufbereitung von Rohbiogas, aus dem Wasser und Kohlendioxid entfernt werden, um Erdgasqualität zu erreichen, könnten Radiowellen helfen.

Für Ulf Roland und seine UFZ-Kollegen hat sich damit ein ganzes Spektrum an Möglichkeiten für den Einsatz von Radiowellen im Umweltbereich aufgetan, dem sie nun im Labor, im Technikum oder schon in der Anwendung gemeinsam mit Partnern aus der Industrie nachgehen. Dass sie das sehr erfolgreich tun, zeigt sich auch daran, dass ihnen kürzlich der Kurt-Schwabe-Preis 2012 durch die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig für hervorragende wissenschaftliche und technische Leistungen verliehen wurde.

UFZ-Ansprechpartner:
Dr. Ulf Roland
Dept. Technische Umweltchemie

e-mail: ulf.roland[at]ufz.de

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Dr. Ulf Roland experimentiert seit vielen Jahren mit Radiowellen. Er ist sich sicher, dass sie das Zeug haben, in vielen Anwendungsbereichen Probleme zu lösen: etwa bei der Boden- und Gebäudesanierung oder der Aufbereitung von Biogas.

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Quelle:
UFZ-Spezial Oktober 2012: Chemikalien in der Umwelt, S. 26
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2013