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ENERGIE/1487: Fracking - die Bundesländer müssen konsequent handeln (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 119/4.2013

Fracking - die Bundesländer müssen konsequent handeln

von Oliver Kalusch



Solange kein bundesweites Fracking-Verbot existiert, kommt den Bundesländern eine besondere Bedeutung bei der Verhinderung des Frackings zu. Ihre Praxis ist jedoch uneinheitlich. Die Umweltministerin von Hessen, Lucia Puttrich, hat erreicht, dass mit Hilfe eines detaillierten Prüfungsverfahrens ein Antrag zum Aufsuchen von Bodenschätzen in Nordhessen abgelehnt wurde. 120 Träger öffentlicher Belange, Fachbehörden und Gemeinden im Gebiet des geplanten Claims, erhielten die Antragsunterlagen und bekamen Gelegenheit zur Stellungnahme. Ihre Bedenken wurden ernst genommen, die gesamte Ausschlussfläche ermittelt und geprüft, ob überwiegende öffentliche Interessen die Aufsuchung auch im gesamten Feld ausschließen. Da auf ca. 80 Prozent der Fläche die beantragte Nutzung nicht möglich war, wurde der Antrag abgelehnt.

Schleswig-Holstein war nicht so konsequent. So gab es bisher keine umfassende Beteiligung der Gemeinden im Erlaubnisverfahren. Und während in Nordrhein-Westfalen zeitnah bekannt gemacht wird, dass ein Antrag eingegangen ist und die geographische Lage des Claims im Internet veröffentlicht wird, werden in Schleswig-Holstein nur bereits bewilligte Flächen veröffentlicht.

Für diese Defizite musste sich Umweltminister Robert Habeck Kritik des BBU und der örtlichen Anti-Fracking-Initiativen anhören. Der Protest zeigte Wirkung. Am 1.10.2013 erklärte Staatssekretärin Ingrid Nestle, dass in Zukunft für sämtliche bergrechtlichen Verfahren die Kreise und die betroffenen Gemeinden beteiligt werden. Die Bürgerinitiativen verlangen nun, dass dies für alle noch nicht abgeschlossenen Verfahren gilt bzw. nachgeholt wird. Zudem fordern sie von der Landesregierung eine klare Strategie zur Verhinderung von Fracking.

Eine derartige Strategie wird auch in Niedersachsen vermisst. Hier hat Umweltminister Stefan Wenzel ein "Fachgespräch Fracking - Umweltverträglichkeitsstudie" initiiert. Die Arbeitsgruppe besteht u.a. aus VertreterInnen von Bürgerinitiativen, Umweltverbänden, der Industrie und Landesministerien. Doch inzwischen stellt sich die Frage nach Sinn und Ziel des Fachgesprächs. Denn ein wichtiges Ergebnis der zweiten Sitzung war, dass durch eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) keine einzige zusätzliche Anforderung über die bereits bestehenden spezifischen fachgesetzlichen Anforderungen hinaus festgelegt werden kann. Somit ist die UVP ein Placebo, der nichts ändert. Zur Verhinderung von Fracking müssen andere Wege beschritten werden.

Beim Fachgespräch wurde die mangelhafte Auseinandersetzung der Gaswirtschaft mit dem Thema "Störfälle" deutlich. Es ist kein aussagekräftiges Konzept der Industrie zu erkennen, in dem geklärt ist, was ein Störfall in Bezug auf Fracking ist, welche Ereignisse in einer UVP betrachtet werden müssen und wie Störfälle verhindert werden können bzw. müssen. Damit fällt die Gasindustrie beim Fracking hinter die Standards zurück, die für Chemieanlagen seit über 30 Jahren durch die Störfall-Verordnung gesetzt werden.

Wie wichtig der Schutz vor Störfällen ist, die durch Naturkatastrophen hervorgerufen werden können, zeigte sich im September 2013 im US-Bundesstaat Colorado. Dort hatte ein Starkregen zu schweren Überschwemmungen geführt, die sich auch auf die vorhandenen Fracking-Anlagen auswirkten. In der betroffenen Region befinden sich zehntausende Bohrlöcher zur Öl- und Gasförderung. Augenzeugen berichteten von treibenden Tanks, die giftige, krebserzeugende oder umweltgefährliche Stoffe enthalten können. Schlagen sie Leck, gelangen diese Stoffe in die Umwelt und verteilen sich unkontrolliert. Auch Pipelines, die den Flowback transportieren, den gefährlichen Reststoff des Fracking-Verfahrens, können von den Überschwemmungen betroffen sein. Noch kann niemand das gesamte Ausmaß der Katastrophe abschätzen. Sicher ist nur eins: Da auch in Deutschland die Intensität der Starkregenfälle zunehmen wird, könnte auch hier ein Ereignis mit vergleichbaren Auswirkungen stattfinden.


Oliver Kalusch, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU)

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 119/4.2013, Seite 39
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2014