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ENERGIE/1468: Österreich will sich atomstromfrei machen (Solarzeitalter)


Solarzeitalter 2/2012
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien

Österreich will sich atomstromfrei machen

von Wolfgang Hein



Vertreter von Regierung, Umweltorganisationen und Elektrizitätsversorgern aus Österreich haben sich Mitte April in Wien darauf geeinigt, dass Österreich ab 2015 keinen Atomstrom mehr importieren wird. Die Belieferung von Haushaltskunden soll schon ab 2013 ohne Atomstrom erfolgen, für Betriebe soll dies ab 2015 gelten. Nach Angaben von Greenpeace Austria importierte Österreich noch 2011 etwa sieben Prozent seines Stromaufkommens aus Atomkraftwerken, 2012 sollen es nur mehr vier Prozent sein, nachdem weitere drei der neun Landesgesellschaften glaubwürdig gemacht haben, dieses Jahr keinen Atomstrom mehr zu beziehen. Nur die Kärntner Landesgesellschaft und die bundesweit tätige Verbundgesellschaft handeln noch mit Atomstrom. Schwierigkeiten gibt es naturgemäß mit Kunden, die ihren Strom ohne österreichischen Zwischenhändler bei ausländischen Versorgern kaufen

Das Problem ist nicht so leicht fassbar, wie es oberflächlich betrachtet zu sein scheint. Österreich hat wie die Schweiz viele alpine Speicherseen mit Pumpspeicherbetrieb und übernimmt in Schwachlastzeiten fossilen oder nuklearen Bandstrom aus Deutschland, Tschechien, Polen oder sogar Russland sowie bei Überschuss auch Wind- und Solarstrom aus Deutschland und liefert bei Bedarf Strom aus Speicherkraftwerken hauptsächlich nach Deutschland und in die Schweiz, die den Strom vermutlich auch nur durchleitet oder wieder für Pumpspeicherkraftwerke verwendet. Der Importstrom wird auch teilweise 3:1 oder 5:1 wieder exportiert, was zwar finanziell rentabel ist, aber zu einer negativen Import-Export-Bilanz führt. 2010 importierte Österreich etwa 20 TWh und exportierte 17,5 TWh physikalisch, während etwa 4,5 TWh Pumpstrom zu Buche stehen. Von den importierten 20 TWh waren rechnerisch etwa 5 TWh aus deutschen oder tschechischen / ukrainischen/russischen / slowakischen Atomkraftwerken, die Importe aus den anderen Nachbarländern waren gering.

Die österreichische Bundesregierung hat 2012 auch wieder neue Möglichkeiten für den Ausbau von Wind, Fotovoltaik, Biomasse und Geothermie für die Stromerzeugung geschaffen und angekündigt, dass Österreich ab 2015 netto keinen Strom mehr importieren wird. Damit wird auch das EU-Ziel von 85 Prozent erneuerbarem Strom 2020 erreicht werden.

2010 hatte Österreich einen Stromverbrauch von 69 TWh ohne Pumpstrom und es wurden im Inland 28 TWh aus Wasser-Laufkraftwerken, 2 TWh aus Windkraftwerken, etwa 4 TWh aus Biomasse und 23 TWh aus fossilen Wärmekraftwerken sowie 13,5 TWh aus Wasser-Speicherkraftwerken erzeugt. Österreich hat damit einen Anteil von fossil erzeugtem Strom von etwa 32%, wenn man einen kleinen Anteil des fossilen Stroms für den Pumpspeicher-Export kalkuliert.

Im Vergleich dazu stammten 2010 beim größenordnungsmäßig vergleichbaren Solarweltmeister Bayern nur etwa 34% des Stroms aus erneuerbaren Quellen und 66% aus nuklearen und fossilen Kraftwerken.

Abschließend noch eine Reflexion der internationalen Auswirkungen der österreichischen Volksentscheidung gegen die Nutzung der Atomenergie 1978: in der Folge entschied Italien 1980 für ein Moratorium, das erst 2011 durch einen Volksentscheid wieder aufgehoben werden sollte, was aber nach Fukushima nicht mehr möglich war. Auch Schweden begrenzte frühzeitig sein Ausbauprogramm auf 12 Reaktoren und wollte schrittweise aussteigen. Bisher wurden aber erst zwei Reaktoren stillgelegt, der 2010 diskutierte Neubau von Reaktoren wird nach Fukushima kaum möglich sein. Schließlich wurden die endgültigen Ausstiegsbeschlüsse in Deutschland und der Schweiz auch durch das österreichische Beispiel erleichtert.

Dipl.-Ing. Wolfgang Hein ist Vizepräsident von EUROSOLAR e.V

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Quelle:
Solarzeitalter 2/2012, 24. Jahrgang, Seite 73-74
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2013