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CHEMIE/300: Perfluorverbindungen - Praktisch, langlebig, giftig (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 3/2011
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Perfluorverbindungen
Praktisch, langlebig, giftig

von Heribert Wefers


Perfluorverbindungen sind im Haushalt und Freizeitbereich allgegenwärtig. Ihre Beständigkeit ist ein Teil des Problems: Inzwischen belasten sie überall auf der Welt die Umwelt und sind in Organen von Tieren und Menschen zu finden. Einige sind äußerst schädlich.

Perfluorverbindungen (PFC) scheinen Alleskönner zu sein: Sie machen Textilien, Leder, Möbelstoffe und Teppiche wasser- und schmutzabweisend, schützen Metalle vor Korrosion, bewirken einen Antihafteffekt bei Verpackungen und Papier, sind in Lacken, Wachsen und Polituren und in Reinigungsmitteln enthalten. Ob bei der Verchromung von Metall, bei der Halbleiterproduktion oder in der Luft- und Raumfahrt: PFC finden vielseitige Anwendung.

Bekannt ist vor allem ein Polymer: Unter dem Handelsnamen Teflon bewirkt es den Antihaft-Effekt von Küchengeräten, und als Goretex-Membran macht es Kleidung wasserdicht und atmungsaktiv. Charakteristisch für PFC sind wasserabweisende, fluorhaltige Molekülgruppen.


Gift reichert sich an

Die chemische Bindung des Fluors an Kohlenstoff ist so stabil, dass sie in der Umwelt kaum gespalten werden kann. Perfluorverbindungen sind somit persistent, also nicht oder nicht vollständig biologisch abbaubar. Substanzen wie die Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) reichern sich in der Nahrungskette an und können auch im Menschen nachgewiesen werden. PFOS schädigt die Leber und wirkt ähnlich wie ein Hormon. Es steht ferner im Verdacht, die Fruchtbarkeit von Tieren und Menschen zu verringern und Krebs auszulösen.

Inzwischen ist die Herstellung und Anwendung von PFOS weitgehend verboten. Oft aber wird es ersetzt durch ähnliche Stoffe, über deren Struktur und biologische Wirkung wir nur schlecht informiert werden. Das Polymer Teflon selbst schafft kaum gesundheitliche Probleme - solange es nicht stark überhitzt wird. Seine Vorprodukte sind allerdings toxisch.


Globale Umweltbelastung

2006 vergiftete die kriminelle Entsorgung PFC-haltiger Klärschlämme auf Äckern das Grundwasser und mehrere Flüsse im Gebiet von Möhne und Ruhr (NRW). Die Trinkwassergewinnung musste ausgesetzt werden, der PFC-Gehalt im Blut der Anwohner war signifikant angestiegen. Großräumige Belastungen von Boden, Grundwasser und Pflanzenkulturen wurden 2009 in Düsseldorf-Gerresheim festgestellt. Ursache war ein Löschmitteleinsatz bei einem Großbrand im Jahr 2001. Auch Altdeponien und Abwässer aus der Industrie sind Quellen für sehr lang andauernde Kontaminationen von Gewässern und Lebewesen.

Perfluorverbindungen verteilen sich weltweit. Selbst im Blut von Tieren der Arktis sind sie heute nachweisbar. Die langlebigen Substanzen werden auch dann noch biologisch angereichert, wenn ihre Freisetzung in die Umwelt längst eingeschränkt wurde.


Was tun?

Perfluorverbindungen sind ein Beispiel für Substanzen, die unser Leben »bequemer« machen sollen, deren Preis für Umwelt und Gesundheit uns aber verschwiegen wird. Wir sollten uns bewusst machen, dass diese naturfremden Stoffe langfristige Schäden hervorrufen - und nach Möglichkeit darauf verzichten. Als Alternative werden heute oft Nanomaterialien angeboten, etwa bei der Oberflächenbehandlung von Leder und Textilien. Doch auch hier gilt: Viele Fragen zum Gesundheitsrisiko sind ungeklärt. Der BUND fordert die Industrie und die Behörden auf, das Vorsorgeprinzip zu beachten und Verantwortung zu übernehmen. Gefährliche Perfluorverbindungen dürfen nicht durch Substanzen mit ähnlichen Eigenschaften ersetzt werden, deren Risiken wir nur noch nicht kennen. Stoffe dürfen erst dann auf den Markt, wenn Gefahren für Umwelt und Gesundheit auszuschließen sind. Die Frage, ob der Nutzen bestimmter Substanzen die ökologischen und gesundheitlichen Kosten rechtfertigt, dürfen wir nicht künftigen Generationen überlassen.

Heribert Wefers ist der BUND-Experte für technischen Umweltschutz in der Bundesgeschäftsstelle.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Wasserabweisendes Blatt einer Kapuzinerkresse - ganz ohne Perfluorverbindungen.


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Quelle:
BUNDmagazin 3/2011, Seite 23
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
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Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2011