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ALTLASTEN/021: 25 Jahre Wismut GmbH (Strahlentelex)


Strahlentelex mit ElektrosmogReport
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Nr. 720-721 / 31. Jahrgang, 5. Januar 2017 - ISSN 0931-4288

Atommüll
25 Jahre Wismut GmbH


Vor 25 Jahren, am 20. Dezember 1991, wurde aus dem ehemaligen Uranproduzenten Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Darauf machte die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der Wismut GmbH in Chemnitz aufmerksam. Das neu gegründete Bundesunternehmen hatte fortan den Auftrag, die Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaus in Sachsen und Thüringen stillzulegen und zu sanieren. Bis heute hat die Bundesregierung 6,2 Milliarden Euro in die Sanierung dieser Hinterlassenschaften investiert.

Ein weiter Weg wurde zurückgelegt. 1990 war nicht klar, wie und wohin es mit dem Bergbaugiganten gehen sollte. Nicht nur für die unvorstellbaren Umweltschäden mußten Lösungen gefunden werden, es galt auch, mit der Sowjetunion übereinzukommen und an die rund 30.000 Beschäftigten zu denken.

Mitte 1990 wurde innerhalb der Bundesregierung das Ende des Uranbergbaus in Sachsen und Thüringen sowie der Umgang mit dessen Hinterlassenschaften und über Möglichkeiten zur Lösung der Probleme diskutiert. Da es sich bei der SDAG Wismut um keinen volkseigenen Betrieb, sondern um ein spezielles zweistaatliches Rechtsgebilde handelte, waren für die Verhandlungen zum Einigungsvertrag auch umfangreiche rechtliche Aspekte zu beachten.

Zuletzt war das DDR-Wirtschaftsministerium für die administrative Verwaltung der SDAG Wismut zuständig. Deshalb gingen die 50 Prozent der deutschen Beteiligung mit der Wiedervereinigung auf das Bundesministerium für Wirtschaft über und fiel nicht unter die Treuhandverwaltung. Ende 1990 wurde im Bundeswirtschaftsministerium eine Arbeitsgruppe gebildet, die alle Aufgaben im Zusammenhang mit der Stilllegung der Bergwerke und Sanierung der Hinterlassenschaften innerhalb der Bundesregierung koordinieren sollte.

Es wurden viele Varianten für eine Lösung des Wismut-Uranbergbaus diskutiert. Ein Ende durch ein Konkursverfahren mit Bildung einer Auffanggesellschaft war eine mögliche Lösung. Es fehlten jedoch Rückstellungen für die Stilllegung. Zudem hätte dies die neu aufzubauenden Länderverwaltungen Sachsens und Thüringens damals vor erhebliche administrative und finanzielle Probleme gestellt. Aus Erfahrung wusste man, daß unternehmerische Aufgaben effizienter durch flexiblere privatrechtliche Strukturen bewältigt werden können, als durch schwerfällige Verwaltungsapparate. Eine mehrjährige Denk- und Planungspause zur Vorbereitung der Stilllegungs- und Sanierungsarbeiten wäre aus ökologischen und finanziellen Gründen nicht möglich gewesen, die Betriebe hätten kostenträchtig weitergeführt werden müssen und die Umweltsituation hätte sich über Jahre hinaus nicht verbessert. Auch ein sozialverträglicher Personalabbau wäre auf diese Weise nur schwer realisierbar gewesen.

Schließlich wurde ein Weg gewählt, der einen nahtlosen Übergang von der Uran-Produktion in die Stilllegungsphase ermöglichen sollte. Zentraler Bestandteil dieser Strategie war die Umstrukturierung der SDAG Wismut in eine privatrechtliche Gesellschaft deutschen Rechts, deren Rückstellungsverpflichtung von der Bundesregierung mit Mitteln des Bundeshaushaltes übernommen wurde.

Voraussetzung für deutsche gesetzliche Regelungen war eine Übereinkunft mit dem sowjetischen Vertragspartner. Ein halbes Jahr lang wurde verhandelt. In den Gesprächen wurden Einzelheiten diskutiert, zum Beispiel der sowjetische Wunsch nach einer abschließenden "Gewinnverrechnung", die Abfindungszahlungen für sowjetische Wismut-Mitarbeiter und die Übergabe von Archivdaten. Am 16. Mai 1991 konnte schließlich ein deutsch-sowjetisches Abkommen, unterzeichnet werden. Hauptregelung ist die Übertragung des sowjetischen Anteils auf die Bundesrepublik Deutschland sowie die Freistellung der sowjetischen Seite von der Verpflichtung zur Beteiligung an Kosten für die Stilllegungs- und Sanierungsarbeiten. Die sowjetische Seite übertrug ihren Aktienanteil von 50 Prozent in Form des mobilen und immobilen Vermögens der Gesellschaft Wismut unentgeltlich auf die deutsche Seite. Die "Gegenleistung" für diese unentgeltliche Übertragung enthält Artikel 3 des Abkommens: "Beide Vertragsparteien verzichten auf jedwede völkerrechtliche, zivilrechtliche oder sonstige Ansprüche gegeneinander ..."

In den Verhandlungen war dieser Punkt besonders umstritten. Für die deutsche Seite bedeutete die Formulierung den Verzicht auf eine finanzielle sowjetische Beteiligung an den Stilllegungs- und Sanierungsarbeiten, deren Kosten bereits damals auf einen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt wurden. Eine finanzielle Beteiligung der Sowjetunion war aber aufgrund der von der DDR eingegangenen verbindlichen Verpflichtungen nicht durchsetzbar. Außerdem wurde die Höhe der Kosten von sowjetischer Seite massiv in Zweifel gezogen. Aussicht auf eine Einigung über die Notwendigkeit der Sanierung und über Umweltstandards 'westlicher Prägung' bestand nicht.

Parallel zum deutsch-sowjetischen Abkommen wurde 1991 das Wismut-Gesetz erarbeitet. Der Bundestag stimmte dem Wismut-Gesetz im Oktober zu, das am 18. Dezember 1991 in Kraft trat. Nach der Übergabe der Ratifizierungsurkunde war das Abkommen mit der Sowjetunion am 20. Dezember 1991 gültig, nur wenige Tage später zerfiel die Sowjetunion.

Seither wird die Sanierung der vom Uranerzbergbau geschädigten Regionen in Sachsen und Thüringen betrieben. Die Sanierung am ehemaligen Wismut-Standort Gittersee in der Nähe von Dresden wurde 2016 abgeschlossen. Die Arbeiten am Standort Pöhla sind ebenfalls 2016 beendet worden. Jedoch ist eine langfristige Nachsorge notwendig. Hier betreibt die Wismut für die kommenden Jahrzehnte noch die Wasserbehandlung und Überwachung der sanierten Objekte.

Auch an den anderen sächsischen Standorten, in Königstein, Crossen und Bad Schlema konzentriert sich die Wismut GmbH heute mehr und mehr auf die Zukunft. Auf 210 Hektar sanierter Haldenflächen werden Langzeitaufgaben zum Erhalt des Sanierungserfolges durchgeführt.

In Königstein laufen derzeit die Vorarbeiten zum Umbau der Aufbereitungsanlage für Flutungswasser sowie für den Bau eines Funktionsgebäudes. In Crossen steht der Neubau der Wasserbehandlungsanlage Helmsdorf auf dem Plan, um die gefassten Wässer der sanierten Absetzanlage langfristig stabil und kostengünstig zu behandeln. An den thüringischen Standorten dienen die Anlagen Ronneburg und Seelingstädt der Reinigung der kontaminierten Wässer. Die Arbeiten auf dem ehemaligen Tagebaugelände sowie die Sanierung des Gessentales sind fortgeschritten. Noch im Dezember 2016 wurde hier der letzte Schacht der Grube Ronneburg geschlossen. An dem bis 2028 am längsten dauernden Großprojekt, der Absetzanlage Culmitzsch, wurde im Becken A als Teil der Zwischenabdeckung das Einbringen der sogenannten Vertikaldränagen abgeschlossen. Im Becken B hat man bereits mit der Endabdeckung begonnen.

Mit den sogenannten Langzeitaufgaben begibt sich das Unternehmen auf eine neue lange Wegstrecke. Im 2015 aktualisierten Sanierungsprogramm ist festgeschrieben, daß die Überwachung und Nachsorge an den sanierten Hinterlassenschaften über Jahrzehnte weitergeführt werden muß. Für 2017 stellt die Bundesregierung Mittel in Höhe von 128 Millionen Euro zur Verfügung. Schwerpunkte dieses Jahres sollen neben der Fortsetzung der Sanierungsarbeiten vor allem der Bau der geplanten neuen Anlagen und Gebäude in Königstein sowie nach 20 Jahren Betriebszeit die Demontage des 2 Kilometer langen Pipe Conveyors am Standort Crossen sein. In Seelingstädt werden die Konturierung und Endabdeckung der Absetzanlage Culmitzsch forciert. Die Maßnahmen zur sicheren Flutung der Grube Ronneburg werden wie geplant fortgeführt und die Anlagen zur Wasserfassung und -ableitung weiter vervollständigt. Die Wasserbehandlungsanlagen Ronneburg und Seelingstädt müssen einer Generalinstandsetzung unterzogen werden.


Vergl. hierzu den Beitrag von Frank Lange, Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg: 25 Jahre Wismut GmbH, in Strahlentelex 710-711 vom 4. August 2016, S. 9-11,
www.strahlentelex.de/Stx_16_710-711_S09-11.pdf


Der Artikel ist auf der Website des Strahlentelex zu finden unter:
www.strahlentelex.de/Stx_17_720-721_S06-07.pdf

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Quelle:
Strahlentelex mit ElektrosmogReport, Januar 2017, Seite 6 - 7
Herausgeber und Verlag:
Thomas Dersee, Strahlentelex
Waldstr. 49, 15566 Schöneiche bei Berlin
Tel.: 030/435 28 40, Fax: 030/64 32 91 67
E-Mail: Strahlentelex@t-online.de
Internet: www.strahlentelex.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2017

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