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VERKEHR/1044: Lehren aus dem Abgasskandal - Typzulassung von Pkw reformieren und reale Emissionen messen (NABU)


Gemeinsame Pressemitteilung NABU, BUND, DUH, VCD - 17. DEZEMBER 2015

Lehren aus dem Abgasskandal: Typzulassung von Pkw reformieren und reale Emissionen messen

Umweltverbände legen Konzept für ein modernes Typzulassungsverfahren vor


Berlin - Als Reaktion auf die von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt vorgestellten Maßnahmen zur Reformierung des Typzulassungsverfahrens für Pkw haben führende Umwelt-, Verkehrs- und Verbraucherschutzverbände heute ein gemeinsames Konzept zur Modernisierung der Genehmigungspraxis vorgestellt. Die Vertreter von BUND, Deutscher Umwelthilfe, Greenpeace, NABU und VCD betonten, dass der gegenwärtige Abgasskandal nicht nur Ausdruck mutwilliger Täuschungsabsichten auf Seiten der Hersteller sei. Der Skandal zeige auch, dass das bisherige Typzulassungsverfahren seiner Aufgabe nicht gerecht werde und die behördlichen Kontrollinstanzen insgesamt versagt hätten. Das Konzept der Verbände zur Zulassung von neuen Fahrzeugmodellen sieht in Anlehnung an das US-amerikanische Modell eine Kombination aus Herstellererklärung, unabhängigen Kontrollmessungen im realen Fahrbetrieb und empfindlichen Sanktionen bei Verstößen vor. Dieses Modell der Typzulassung sollte die Voraussetzung dafür sein, dass Automobilhersteller neue Fahrzeugmodelle in Serie produzieren und auf den europäischen Markt bringen können.

Dietmar Oeliger, Leiter Verkehrspolitik des NABU: "Das Typzulassungsverfahren für Neufahrzeuge muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Es macht überhaupt keinen Sinn, weiterhin an der momentanen Praxis festzuhalten und mit einem riesigen Aufwand Fantasiewerte auf dem Prüfstand zu erzeugen, die keinerlei Aussagegehalt für den realen Schadstoffausstoß auf der Straße haben. Uns interessiert einzig die tatsächliche Emissionsminderung der Fahrzeuge." Es sei daher unabdingbar, den realen Schadstoffausstoß von auf dem Markt befindlichen Fahrzeugen mittels sogenannter PEMS-Messungen, einer mobilen Messtechnik zur Auswertung der Abgaswerte, als "Real Driving Emissions (RDE)" zu erfassen. Selbiges gelte auch für die Erfassung des realen Kraftstoffverbrauchs.

Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung der Deutschen Umwelthilfe (DUH), forderte solide Kontroll- und Sanktionsmechanismen, um die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben zu garantieren. "Die Einhaltung geltender Grenzwerte darf nicht länger dem Zufall überlassen werden. Zu viele Städte und damit die Menschen leiden unter anhaltend hoher Luftbelastung mit giftigen Stickoxiden. Allein in Deutschland verursacht das Jahr für Jahr mehr als 10.000 vorzeitige Todesfälle. Die Technik zur wirksamen Begrenzung der Emissionen in allen normalen Fahrzuständen ist längst vorhanden. Es gibt keinen Grund, länger auf deren verbindlichen Einsatz zu warten."

Michael Müller-Görnert vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD) machte deutlich, dass das neue System auch ein höheres Maß an Transparenz benötige: "Die Kluft zwischen Test- und Realemissionen ist in den letzten Jahren auch deshalb immer größer geworden, weil zu viel hinter verschlossenen Türen gemauschelt wurde. Wir fordern, dass künftig sämtliche Daten, die die Hersteller für die Typgenehmigung ihrer Fahrzeuge angeben, über eine öffentliche Datenbank kostenlos zugänglich gemacht werden. Nach dem Motto: Wer nichts zu verbergen hat, braucht sich nicht zu verstecken. Damit wäre auch die Grundlage dafür gelegt, dass die EU-Kommission die Arbeit der nationalen Zulassungs- und Prüfbehörden kontrollieren und zu diesem Zwecke eigene Messungen vornehmen kann."

Werner Reh, Leiter Verkehrspolitik beim BUND, erinnerte eindringlich an die Notwendigkeit, die tatsächliche Luftschadstoffbelastung, insbesondere in den Städten und Ballungsräumen zu senken: "Zu viele Städte überschreiten nach wie vor die bestehenden Luftqualitätsgrenzwerte; besonders bei den gesundheitsschädlichen Stickoxiden. Die im Schnitt siebenfache Überschreitung der gesetzlichen Stickoxidgrenzwerte im Realbetrieb bei modernen Diesel-Pkw mit Euro 6-Motor führt nicht zu einer Entschärfung der Situation in den Städten, wie mit Einführung der Abgasnorm ursprünglich erwartet. Wenn die Hersteller den Schadstoffausstoß ihrer Fahrzeuge nicht tatsächlich auf das Niveau der Euro-Abgasnormen absenken, sehe ich keine andere Möglichkeit, als Fahrverbote in dicht besiedelten Gebieten auszusprechen. Nur so wäre dann das massive Abgasproblem vor allem beim Diesel in den Griff zu bekommen." Geschehe das nicht, seien die Luftreinhaltepläne der Städte Makulatur.

Die Umweltverbände gehen davon aus, dass ein solches Typzulassungsverfahren sowohl die Kosten der Hersteller als auch die der Behörden reduzieren werde. Denn das jetzige Verfahren sei nicht nur wirkungslos, sondern auch ausgesprochen teuer. Darüber hinaus hätten sowohl Volkswagen, als auch PSA Peugeot Citroën angekündigt, unabhängige Abgasmessungen bei ihren Modellen im Realbetrieb vornehmen zu lassen.


Das Konzept der Umweltverbände finden Sie unter folgendem Link:
https://www.nabu.de/downloads/presse/zukunft-zulassungsverfahren.pdf

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Quelle:
Gemeinsame Pressemitteilung
NABU, BUND, DUH, VCD, 17.12.2015
Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)
Pressestelle
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Tel.: 030/284 984-1510, -1520, Fax: 030/284 984-84
E-Mail: presse@NABU.de
Internet: www.NABU.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2015

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