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ÖKOSYSTEME/042: Wer gräbt wem das Wasser ab? (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
8. Jahrgang. Ausgabe 1. November 2012

Wer gräbt wem das Wasser ab?
Dem Wasser auf der Spur mit stabilen Isotopen

von Christiane Werner und Birgit Thies



Wasser oder H2O ist ein kleines Molekül aus zwei Wasserstoff- und einem Sauerstoffatom - es ist die Basis des Lebens auf der Erde und kommt flüssig, gasförmig oder auch als Eis in fast allen Teilen unserer Umwelt vor. Soviel Wissen haben die meisten aus der Schule ins Leben mitgenommen.

Wie aber lassen sich die Wege des Wassers innerhalb eines Ökosystems im Detail nachvollziehen? Für diese Frage setzen Forscher dem Wasser auf seinen Wegen durch Boden oder Bäche gerne ungiftige, meist farbige "Tracer" zu. Diese Methode hilft jedoch nicht weiter, wenn der Durchgang des Wassers durch lebende Organismen oder ganze Pflanzengemeinschaften gefragt sind. Hier greifen die Wissenschaftler - in der Ökosystemforschung wie auch in der Kriminalistik - auf "stabile Isotope" zurück.

Die Arbeitsgruppe Ökosystemforschung von Prof. Dr. Christiane Werner untersucht die Wege des Wassers sowie weitere biogeochemische Kreisläufe dort, wo Wasser Mangelware ist: in den Korkeichen- und Kiefernwäldern am Mittelmeer sowie in den Dünen an den Küsten Portugals. Das Verständnis dieser Ökosysteme soll helfen, sie mit Blick auf den erwarteten Klimawandel zu schützen und zu nutzen.


Analysewerkzeuge

Isotopenanalysen werden inzwischen in den verschiedensten Disziplinen der ökologischen Forschung eingesetzt. Am Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung gibt es daher ein eigenes Labor für Isotopen-Biogeochemie. Das Team von Prof. Dr. Gerhard Gebauer analysiert für die BayCEER-Arbeitsgruppen die Isotopenhäufigkeit an speziell miteinander kombinierten Analysegeräten, deren Name die Komplexität der Materie verdeutlicht: "Elementaranalysator - Isotopenverhältnis-Massenspektrometer" ist hier nur ein Beispiel.

Prof. Werner bringt eine neue Analyseoption mit in den Bayreuther Forschungsbereich: Mit dem robusten Laserspektrometer lassen sich beispielsweise Wasserproben direkt "im Feld" auf ihre Isotopenzusammensetzung hin untersuchen.

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Dünen in Portugal: der Siegeszug der Gold-Akazie

Das Team um Prof. Werner untersuchte mit stabilen Isotopen (13C, 18O und 15N), wie die aus Australien eingeschleppte Gold-Akazie sich in mediterranen Dünen an der portugiesischen Küste ausbreitet. Die Gold-Akazie (Acacia longifolia) hat gegenüber anderen Pflanzen einen entscheidenden Vorteil: Sie kann den Nährstoff Stickstoff mit Hilfe von Knöllchenbakterien auch aus der Luft - statt nur aus dem Boden - aufnehmen. Dadurch wächst sie besser und gräbt anderen Pflanzen buchstäblich Nährstoffe und das wenige Regenwasser ab.

Mittels Raum- und Isotopenanalysen ("Isoscaping") kamen die Forscherinnen weiteren Auswirkungen auf die Spur: die stickstoffreichen Akazienblätter düngen beim Verrotten Pflanzen in bis zu acht Meter Entfernung vom Baum. Obwohl die Akazien nur auf einem Drittel der Fläche präsent sind, verändern sie so knapp zwei Drittel der Dünenflächen. "Dünen sind empfindliche Ökosysteme, die auf langsames Wachstum angewiesen sind", sagt Prof. Werner. Wachsen hier einige Pflanzenarten schneller als üblich, verbrauchen sie auch mehr Wasser. Der Boden wird trockener, andere Arten können sich nicht mehr durchsetzen und die Pflanzenvielfalt auf den Dünen nimmt ab. Die Gold-Akazie verändert so als einzelne eingeschleppte Art ein ganzes Ökosystem in den Dünen Portugals.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Die aus Australien stammende Gold-Akazie in den Dünen Portugals.
- Blühende Gold-Akazie. Die Bäume können Stickstoff aus der Luft aufnehmen und so schneller wachsen.

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Invasion im Unterholz: Kiefernwälder am Mittelmeer

Die Gold-Akazie macht sich auch im "Untergeschoss" von Kiefernwäldern im Mittelmeerraum breit - sie wächst zwar weniger hoch als die Kiefern, ist aber wegen ihrer Luft-Stickstoffnutzung durchaus konkurrenzstark.

Ändert sich durch den "Eindringling" die Wasser- und Kohlenstoffbilanz der Wälder? Da am Mittelmeer Wassermangel die Regel ist, wurde bisher angenommen, dass die Wälder dort bereits das verfügbare Wasser maximal ausnutzen und dieses Gleichgewicht durch eindringende "Neophyten" nicht verändert werden kann. Das Team um Prof. Werner fand hier ein Gegenbeispiel: Die mit Akazien unterwachsenen Wälder verdunsten insgesamt mehr Wasser als reine Kiefernwälder. Die Kiefern haben in Konkurrenz mit den Akazien bedeutend weniger Wasser zur Verfügung und sind im Wachstum gebremst. Dies wirkt sich negativ auf die Nutzung von Bauholz aus.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

- Portugal: australische Gold-Akazien graben den einheimischen Kiefern das Wasser ab.

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Wassernutzung in mediterranen Korkeichenwäldern

Um die Wassernutzung in einem mediterranen Korkeichenwald zu untersuchen, nutzen die Forscher 18O/16O-Isotopenverhältnisse, kombiniert mit 13C-Isotopen sowie Wasser- und Kohlenstoffflussmessungen. Damit kommen sie im DFG-Projekt WATERFLUX zu weitreichenden Aussagen über die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Teilen des Ökosystems - Bäume, Krautschicht, Boden - und der Atmosphäre. So trägt der Unterwuchs im Frühjahr zu 50 Prozent der Nettoprimärproduktion bei - und fixiert damit etwa die Hälfte des insgesamt vom System benötigten Kohlenstoffs.

Dieses Wissen ist bedeutsam, da Wälder die größten terrestrischen Kohlenstoffsenken sind und damit einen wichtigen Puffer für den Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre bilden. Die hier untersuchten savannenartigen Wälder werden zudem von den Menschen in Portugal zur Produktion von Kork und zur Beweidung genutzt. Zukünftig wird sich den Prognosen zufolge der Wassermangel gerade im Mittelmeerraum verschärfen: Es gilt zu verstehen, welche Risiken damit für die Korkeichenwälder und für die hier lebenden Menschen verbunden sind.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

- Korkeichenwälder "Montado" in Portugal.

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AUTORIN

Prof. Dr. Christiane Werner leitet seit Sommer 2012 an der Universität Bayreuth die Arbeitsgruppe Ökosystemforschung in Agrar- und natürlichen Systemen. Zuvor war sie an der Universität Bielefeld Juniorprofessorin für Pflanzenökophysiologie und leitete dort das Labor für Stabile Isotope.
Schon seit 2000 ist Prof. Werner ökologischen Fragen mittels stabiler Isotopen auf der Spur, durch ihre Teilnahme am Europäischen Research Training Netzwerk NETCARB (Network for Ecophysiology in Closing Terrestrial CARbon Budget).


INFO

Warum sind stabile Isotope spannend?

Von vielen Elementen wie Wasserstoff (H), Kohlenstoff (C), Stickstoff (N) oder Sauerstoff (O) existieren verschiedene stabile Isotope: Atome mit unbegrenzter Lebensdauer und gleicher Ordnungszahl, jedoch unterschiedlichen Kernmassen. Sie sind nicht radioaktiv und kommen mit geringen relativen Häufigkeiten in der Natur vor. Gemessen wird immer das Verhältnis des schweren zum leichten Isotop - beispielsweise 18O/16O - im Isotopenmassenspektrometer oder durch Laserspektroskopie. Spannend für die Wissenschaft werden stabile Isotope durch Fraktionierungsprozesse in der Natur: Die verschiedenen Isotope des jeweiligen Elementes werden hier mit verschiedenen Raten umgesetzt. Die leichten Isotope sind im allgemeinen flinker, sie reagieren und diffundieren schneller, gehen leichter Bindungen zu anderen Elementen ein, die auch schneller wieder gebrochen werden. Die schweren Isotope sind dagegen reaktionsträger. Dadurch unterscheiden sich die Ausgangssubstanzen von den Produkten einer Reaktion in ihrer Isotopenzusammensetzung: Es findet eine Fraktionierung statt. Diese Änderung in der Isotopenzusammensetzung gibt den Forschern Hinweise auf die zugrundeliegenden Prozesse.

Wenn Wolken und Feuchtigkeit sich mit dem Wind über den Landmassen verteilen, ergibt sich hierdurch ein charakteristisches Verteilungsmuster der Isotopen im Regenwasser, welches von Pflanze, Tier und Mensch aufgenommen wird. So lässt sich auch die Herkunft von Geweben aus Pflanzen und Tieren erschließen, da sie das ortstypische Isotopenmuster aus Regen- und Trinkwasser widerspiegeln.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Ein Blick ins Innere des Messcontainers mit laufenden Isotopenanalysen am Laserspektrometer.
- Simulierte Isotopenverteilung im Regenwasser in Deutschland (Programm: www.waterisotopes.org)

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Quelle:
spektrum, Ausgabe 1, November 2012, S. 32 - 35
Herausgeber: Universität Bayreuth
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2013