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FRAGEN/018: Klimainitiative wird Fachwissen bündeln (Umwelt Perspektiven)



Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ

Umwelt Perspektiven
Der UFZ-Newsletter - Dezember 2019

"Klimainitiative wird Fachwissen bündeln"

Interview mit Prof. Dr. Dr. hc. Georg Teusch

Die Klimainitiative der Helmholtz-Gemeinschaft "Mitigation und Adaptation" hat das Ziel, innerhalb von zwei Jahren Anpassungsmöglichkeiten an ein verändertes Klima (Climate Adaptation) und Strategien zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen (Mitigation) zu erforschen. Der Gesamtkoordinator der Initiative und Wissenschaftliche Geschäftsführer des UFZ, Prof. Dr. Georg Teutsch, erklärt Hintergründe und Ziele der Initiative, die im Juli gestartet ist.


Was gab den Anstoß für die Initiative?

Das Thema Klima hat in jüngster Zeit wieder deutlich an Sichtbarkeit gewonnen: Die Fridays for Future-Bewegung, das Pariser Klimaabkommen, die Berichte des Weltklimarats und auch die Hitze-Dürre-Sommer 2018/2019 haben die Aufmerksamkeit der Bevölkerung, der Politik, der Medien und anderer Bereiche wie Land-, Wasser- und Forstwirtschaft deutlich erhöht. Parallel dazu ist bei Helmholtz das Bewusstsein gewachsen, als größte deutsche Forschungsgemeinschaft auf Fragen zum Klima fundierte Antworten geben zu müssen. Zu den Themen Adaptation (Anpassung) und Mitigation (Vermeidung) macht Helmholtz hervorragende Forschung. Doch wir schöpfen unser Potenzial bei weitem nicht aus, weil Fachwissen und Forschungsarbeiten nicht Zentren übergreifend gebündelt werden. Das soll sich jetzt ändern.

Was sind die Alleinstellungsmerkmale?

Im Bereich Mitigation ist das Ziel, nationale Szenarien zu entwickeln und zu bewerten, wie man Netto-Null CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 erreichen kann. Viele der dafür notwendigen Technologien wie etwa CCS (Carbon dioxide Capture and Storage) oder auch die Optimierung der Energiesysteme bei den Erneuerbaren sind bekannt. Das Neue an unserem Ansatz ist, dass wir diese Technologien miteinander koppeln. Im Bereich Adaptation werden wir gemeinsam mit Stakeholdern beispielsweise in den Sektoren Energie- und Wasserwirtschaft, Land- und Forstwirtschaft, Stadtentwicklung, Wohnen und Bauen Handlungsoptionen erarbeiten, die wir mit Stakeholdern diskutieren, um daraus Innovationsbedarfe abzuleiten. Bisher wurden diese Sektoren oft nur einzeln gedacht, jetzt fügen wir sie zu einem Gesamtbild zusammen. Das ist neu. Darüber hinaus bieten wir Anpassungsoptionen an, die auch zur Reduktion von Emissionen führen.

Können Sie das veranschaulichen?

Im Bereich Mitigation geht es zum Beispiel darum, die Energieträger Wind, Photovoltaik, Wasserkraft und Biomasse zusammenzudenken. Bei zunehmender Häufigkeit heißer Sommer wird sich der Stromverbrauch durch den Einsatz privater Klimaanlagen deutlich erhöhen. Gleichzeitig werden die Blockwetterlagen, die zu diesen stabilen Hochs führen, im Norden eher mit Windflauten zusammenfallen, sodass die Windparks in der Nordsee und die Nord-Süd-Trassen für den Stromtransport in diesen Situationen nicht viel helfen. Das wird dazu führen, dass Photovoltaikanlagen oder andere dezentrale Solarkonzepte verstärkt genutzt werden. Wichtig wird auch die Energiespeicherung: Speichert man die Energie auf lokaler Ebene in teuren und bisher schlecht recycelbaren Lithium-Batterien oder setzt man auf größere Speichersysteme, die sich in Stadtquartieren einsetzen lassen? Da gibt es viele Ideen, auch mit innovativen Technologien, die wir verknüpfen können. Im Bereich Adaptation werden wir zum Beispiel Szenarien zur Jetstream-Stabilität entwickeln, die eine "worst case"-Betrachtung etwa zum Thema Extremdürre ermöglichen. Zudem wollen wir erstmals flächendeckend Deutschlands Oberflächen-Abflüsse in einer Auflösung von 1x1 km simulieren und dabei Szenarien für die Grundwasserneubildung und die Grundwassernutzung berechnen, in denen die Landwirtschaft in den Sommermonaten überwiegend künstlich bewässert wird. Dabei geht es auch um den sicherlich schärfer werdenden Konflikt der konkurrierenden Nutzung der Wasserressourcen zwischen Landwirtschaft und Trinkwasserversorgung. Auf dem Gebiet der Gesundheit werden wir umfangreiche lokale Datensätze, etwa aus der NAKO-Gesundheitsstudie, mit Umweltdaten zum Beispiel aus Stadtklimamodellen kombinieren. So werden wir den Einfluss des Klimawandels auf Herz-Kreislauf Erkrankungen, Infektionen und Allergien untersuchen.

Was erwarten Sie von den UFZ-Forschenden?

Das UFZ bringt seine Expertise im Bereich Mitigation etwa bei der Systemanalyse stark schwankender Energieträger und bei ökonomischen Fragestellungen wie dem Zertifikatehandel ein. In punkto Adaptation nutzen wir unsere Kompetenzen beispielsweise im Bereich der Landnutzung. In der Forstwirtschaft können wir dank unserer Modelle Empfehlungen aussprechen, wie Wälder künftig aufgebaut sein sollten, wie ein Waldmonitoring gestaltet werden sollte und wie dabei auch der Schädlingsbefall etwa durch Borkenkäfer besser bekämpft werden kann. Mithilfe hochauflösender Fernerkundungs-, Simulations- und Beobachtungsdaten sind wir am UFZ zudem in der Lage, Zusammenhänge zwischen Infrastruktur, Mobilität, Wohnen und Gesundheit sowie die Wirkung von Anpassungsmaßnahmen zu analysieren und zu modellieren.

Wie optimistisch sind Sie, dass diese Vorschläge auch umgesetzt werden?

Ich bin überzeugt, dass der Markt auf die sicher in Zukunft deutlich steigende CO2-Bepreisung reagieren und zum CO2-Sparen in allen Bereichen anregen wird. zudem bieten wir rechtzeitig Anpassungsmöglichkeiten an nicht als Ersatz für die notwendigen Vermeidungsmaßnahmen, sondern als Reaktion auf die zu erwartenden Veränderungen in einer Zwei-Grad-Welt. Denken Sie an die Abwassersysteme in Städten: Gehen die Niederschldge zurück, fließen überwiegend Abwässer durch die Kanalisation. Außerdem werden Starkregenereignisse zunehmen und die Verteilung von Niederschlägen verändert sich. Für all das braucht es flexible und dezentrale Speicher- und Infrastruktursysteme, die über Jahrzehnte im Voraus geplant werden müssen. Dafür werden sich Stadtwerke und Wasserversorger interessieren, da bin ich mir sicher.

Werden die Projekte nach zwei Jahren weitergefördert?

Wir werden sie im Oktober 2020 evaluieren lassen. Bei den Projekten, bei denen ein deutlicher Mehrwert und eine längerfristige Perspektive ersichtlich werden, bin ich überzeugt, dass es eine Fortsetzung geben wird.


Prof. Dr. Dr. hc. Georg Teutsch

geboren 1956 in Bukarest (Rumänien), ist seit 2004 Wissenschaftlicher Geschäftsführer des UFZ. Er studierte Geologie und Hydrogeologie an den Universitäten Tübingen und Birmingham (GB) und promovierte an der Universität Tübingen. Von 1993 an hatte er den Lehrstuhl für Angewandte Geowissenschaften/Hydrogeologie an der Universität Tübingen inne. Dort war er bis 2003 Direktor des Zentrums für Angewandte Geowissenschaften. Seit dem 1. Juli 2019 ist Georg Teutsch Gesamtkoordinator der Helmholtz-Klimainitiative Mitigation und Adaptation.

Das Interview führte Benjamin Haerdle

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Quelle:
Umwelt Perspektiven / Der UFZ-Newsletter - Dezember 2019, Seite 14-15
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2020

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