Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde - 31.07.2019
Mit dem Käfer in der Hand Freiräume entdecken
Anmeldung für Naturerfahrungsräume-Tagung läuft
Naturerfahrungsräume sind Entdeckeroasen für Kinder und Jugendliche. Die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) begleitet die Aktivitäten auf drei Pilotflächen in Berlin, um herauszufinden, wie das Zusammenspiel von Natur und kleinen Entdecker*innen sich entwickelt und welche Faktoren eine erfolgreiche Nutzung der Flächen ausmachen. Im Interview berichten Prof. Dr. Heike Molitor und Prof. Dr. Jürgen Peters über ihre Untersuchungen, die in dieser Form einmalig sind, und laden zur ersten Tagung am 12. September 2019 ein.
Wie definieren Sie Naturerfahrungsräume?
Prof. Dr. Jürgen Peters:
Naturerfahrungsräume (NER) sind geschützte naturnahe Flächen in der
Stadt,
die von Kindern und Jugendlichen genutzt werden können. Hier sollen
sie
die Gelegenheit haben, mit oder ohne Begleitung von Erwachsenen
Pflanzen
und Tiere zu beobachten, zu spielen oder zu toben. Das Besondere ist,
dass
es keine Verbote gibt, Pflanzen auch einmal zu pflücken oder einen
Käfer
in die Hand zu nehmen.
Prof. Dr. Heike Molitor:
Es sind natürliche Freiräume, die eigenständig von Kindern und
Jugendlichen erreicht werden können und in denen sie ohne vorgegebene
Spielelemente frei spielen, beiläufig lernen, Natur erfahren und sich
erholen können. Naturerfahrungen sind wichtig für die ganzheitliche
kindliche Entwicklung. In Naturerfahrungsräumen können die Kinder
Pflanzen
und Tiere beobachten und die Schönheit der Natur erfahren.
Naturerfahrungsräume widmen sich dem Ziel des freien und
selbstbestimmten
Spiels im Alltag.
Peters
Untersucht werden die drei Pilotflächen unter den Gesichtspunkten "Lebensqualität", "Planungsqualität" und "Ökologische Qualität" - welchen Fragestellungen gehen Sie nach?
Prof. Dr. Heike Molitor:
In dem Bereich Lebensqualität untersuchen wir, wie die
Naturerfahrungsräume angenommen werden und was die Kinder auf einem
Naturerfahrungsraum machen. In dem Bereich Ökologische Qualität
untersuchen wir, inwieweit sich die Flächen unter dem Kinderspiel
ökologisch verändern. Und in dem Bereich Planungsqualität schauen wir,
welche Planungswege und - instrumente hilfreich sind, um
Naturerfahrungsräume einzurichten.
Prof. Dr. Jürgen Peters:
Hierbei spielen auch gute rechtliche und planerische Bedingungen eine
Rolle, um noch mehr Flächen in Berlin oder anderen Großstädten
einzurichten. Dazu erstellen wir einen Leitfaden, der helfen soll,
Naturerfahrungsräume zu planen, umzusetzen und im Betrieb zu halten.
Gibt es bereits erste Ergebnisse?
Prof. Dr. Jürgen Peters:
Wir können jetzt schon sagen, dass die ökologische Qualität der
Flächen
nicht unter dem Spiel der Kinder gelitten hat. Das war am Anfang
durchaus
eine Sorge, dass eine zu intensive Nutzung der Fläche dazu führt, dass
die
wertvollen Vegetationsbestände zurückgehen. Die Kinder gehen
respektvoll
mit der Natur um. Die Trampelpfade in den Naturerfahrungsräumen sind
kein
Problem, es entstehen immer wieder neue Vegetationsbilder. Auch die
Brutvögel lassen sich von der Anwesenheit der Kinder kaum stören.
Prof. Dr. Heike Molitor:
Die Flächen werden in der Regel gut angenommen. Sie befinden sich in
der
Nähe von Wohngebieten, Kindertagesstätten und Schulen und liegen somit
im
fußläufigen Einzugsbereich. Zudem gibt es auf den Flächen einen
sogenannten Kümmerer, der diese Flächen in der Wohnumgebung bekannt
macht
und Ansprechpartner für Eltern, Erzieher*innen und Lehrkräfte ist.
Zudem
übernimmt er kleinere Pflegemaßnahmen und hat die Fläche über das Jahr
gut
im Blick. Das ist insofern wichtig, als dass in der Stadt auch andere
Personengruppen solche Freiflächen interessant finden und
Fremdnutzungen
die Flächen verändern können, zum Beispiel durch Müll.
Welche Bedeutung haben NER im Bereich der Umweltbildung?
Prof. Dr. Heike Molitor:
Da es sich um ein freies Spiel ohne pädagogische Betreuung handelt,
haben
wir eine vergleichende Untersuchung zwischen Naturerfahrungsraum und
Spielplätzen durchgeführt. Die Kinder spielen auf
Naturerfahrungsräumen
viel kreativer und vielfältiger. Sie machen vielfältigere
Möglichkeiten
der Naturerfahrung und nutzen diese auch. Sie gestalten den
Naturerfahrungsraum selber und entwickeln eigene Spiele. Diese
Möglichkeit
haben Sie auf einem klassischen Spielplatz so eher nicht.
Wie viele NER gibt es aktuell in Deutschland? Gibt es vergleichbare Flächen zu jenen in Berlin?
Prof. Dr. Jürgen Peters:
Es gibt insgesamt 30 NER in Deutschland. Jeder Naturerfahrungsraum ist
immer wieder etwas anders, je nachdem welche Grundstruktur vorzufinden
ist. Bisher gab es in so großen Städten wie Berlin kaum
Naturerfahrungsräume und so richtig Vergleichbares gibt es kaum.
Welche Hürden gibt es, NER zu schaffen? Welche Kosten sind damit verbunden?
Prof. Dr. Heike Molitor:
Das größte Problem ist es, NER dort einzurichten, wo sie eigentlich am
notwendigsten sind: im Zentrum der großen Städte. Dort ist jedoch die
Flächenverfügbarkeit schwierig, weil der Druck auf Freiflächen durch
den
Wohnungsbau aktuell sehr hoch ist. Deshalb ist es auch kein Zufall,
dass
die neu eingerichteten NER in Berlin allesamt eher in Stadtteilen, die
sich am Rande von Berlin (Buch, Spandau, Marzahn) befinden,
eingerichtet
worden sind.
Prof. Dr. Jürgen Peters:
Die Kosten der Einrichtung solcher Flächen hängen wesentlich davon ab,
welche Voraussetzungen die Flächen im Ausgangszustand bieten. Sofern
die
natürliche Entwicklung in den letzten Jahren durch Aufgabe der
früheren
Nutzung fortgeschritten ist, kann es genügen, einige Pfade zur
Erschließung der Flächen einzurichten und einzelne Gehölze
herauszunehmen,
dann sind die Kosten deutlich geringer, als bei der Einrichtung
klassischer parkähnlichen Grünflächen.
Was schätzen Sie persönlich an den NER?
Prof. Dr. Heike Molitor:
Als Projektleiterin der wissenschaftlichen Begleitung habe ich die
Gesamtkonzeption entwickelt und freue mich, dass unsere Überlegungen
vom
Anfang so gut aufgegangen sind. Insbesondere hinsichtlich der
Zielgruppe
von Naturerfahrungsräumen schätze ich sehr, dass Kindern Möglichkeiten
eröffnet werden, sich die Welt selber und frei zu erschließen ohne
(pädagogische) Vorgaben, in einem kreativen Miteinander. Diese Flächen
sind damit ein Beitrag zum gesunden Aufwachsen von Kindern in unseren
Großstädten.
Prof. Dr. Jürgen Peters:
Mein persönlicher Beitrag war es die planerischen und rechtlichen
Hürden
bei der Einrichtung von NER zu erkennen und Lösungsvorschläge zu
entwickeln. Ich hoffe, dass es den Stadtplanungsbehörden mit dem von
uns
entwickelten Leitfaden leichter fällt, solche Flächen neu
einzurichten.
Am 12. September 2019 werden Sie erste Ergebnisse Ihrer Arbeit im Rahmen einer öffentlichen Tagung präsentieren. An wen richtet sich das Format?
Prof. Dr. Jürgen Peters:
Die Zielgruppe für die Tagung sind in erster Linie Fachleute. Das sind
Behördenmitarbeiter*innen, Landschaftsplaner*innen,
Umweltpädagog*innen,
die ein Interesse haben, NER in ihrer Kommune einzurichten oder die
selbst
schon beteiligt sind an der Einrichtung oder den Betrieb von
Naturerfahrungsräumen. Andererseits sind auch Studierende, die sich im
Rahmen der Tagung Wissen zu diesem Thema komprimiert aneignen können,
sehr
willkommen.
Über die Tagung
Am 12. September 2019, 10 bis 17 Uhr, wird die Abschlusstagung zur
wissenschaftlichen Begleitung des Entwicklungs- und Erprobungvorhabens
"Naturerfahrungsräume in Großstädten am Beispiel Berlin" an der
Hochschule
für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, Schicklerstraße 5, 16225
Eberswalde, Stadtcampus, Haus 1, Hörsaal 1, stattfinden.
Anmeldungen sind möglich bis zum 22. August 2019.
Über das Projekt:
Die HNEE arbeitet im Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben
"Naturerfahrungsräume in Großstädten am Beispiel Berlin" mit der
Stiftung
Naturschutz Berlin zusammen. Diese ist für die Einrichtung der drei
Pilotnaturerfahrungsräume verantwortlich, die im Zeitraum von 2015 bis
2018 entstanden sind. Die HNEE übernimmt die wissenschaftliche
Begleitung
und ist ein unabhängiger Partner bei der Untersuchung, welche Faktoren
eine erfolgreiche Umsetzung von Naturerfahrungsräumen ausmachen. Das
HNEE-
Projekt wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt,
Naturschutz
und nukleare Sicherheit und dem Bundesamt für Naturschutz für die
Laufzeit
2015-2020 mit 1.072.448,08 Euro gefördert.
Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.hnee.de/K6490 Tagungsprogramm und Anmeldung
http://www.hnee.de/K5621 Zur HNEE-Projektseite
https://www.stiftung-naturschutz.de/naturschutzprojekte/naturerfahrungsraeume/was-sind-naturerfahrungsraeume
Infos zur Arbeit der Stiftung Naturschutz Berlin
Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news720031
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution419
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde - 31.07.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2019
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