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VIELFALT/193: TEEB - Ökonomie von Ökosystemen und Biodiversität (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2010
2010 Entscheidungsjahr für die Biologische Vielfalt

Ökonomie von Ökosystemen und Biodiversität

TEEB-Studie liefert in 2010 ihre zentralen Ergebnisse

Von Carsten Neßhöver


Intakte Ökosysteme und eine breite Artenvielfalt ermöglichen den Menschen ihr Wohlergehen: Wälder liefern uns lebenswichtigen Sauerstoff und sind gleichzeitig die "natürliche" Antwort auf den Klimawandel als wichtiger Speicher von Kohlenstoff. Bienen und andere Bestäuber garantieren ca. 30% des landwirtschaftlichen Ertrags, der knapp 7 Milliarden Erdenbürger ernähren muss. Mangrovenwälder und Korallenriffe schützen vor Flutwellen und sind somit oft Lebensretter für Tausende. Doch ohne den Wert dieses Schatzes, der so genannten Ökosystem-Dienstleistungen zu kennen, laufen wir Gefahr, ihn zu verlieren.

Die Entstehung der TEEB-Studie

Darum gaben EU Kommissar Stavros Dimas und Deutschlands Umweltminister Sigmar Gabriel im Rahmen der G8+5 Umweltministerkonferenz 2007 in Potsdam die Studie "The Economics of Ecosystems and Biodiversity" (kurz TEEB) in Auftrag. Die Studie betrachtet einerseits den wirtschaftlichen Nutzen von Ökosystemen und Artenvielfalt. Anderseits werden die Kosten und möglichen Folgen des Verlustes von Biodiversität und der anhaltenden Zerstörung von Ökosystemen genauer beleuchtet.

Der 2008 veröffentlichte TEEB-Zwischenbericht stellte ein "business-as-usual" Szenario vor, das zeigte, dass bis 2050 40% der heute extensiv genutzten Flächen in intensive umgewandelt sein könnten und aufgrund von Verschmutzung und Überfischung bis zu 60% der Korallenriffe verloren gehen. Besonders hervorzuheben ist jedoch die Abhängigkeit der Ärmsten des Planeten von den so genannten Ökosystemdienstleistungen. Forst- und Agrarwirtschaft sowie Ökotourismus, die stark an Artenvielfalt und intakte Ökosysteme gebunden sind, tragen in wenig entwickelte Ländern mit bis zu 70% zum Bruttonationalprodukts bei. Der Verlust der Biodiversität und die Zerstörung der Ökosysteme stellen für diese Länder und Menschen eine existenzielle Gefahr dar.

Ziel von TEEB ist es Handlungsempfehlungen, Anreize und Instrumente zu erarbeiten, die aktiv zum Erhalt von Ökosystemen und Artenvielfalt beitragen. Da dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt, erscheint der TEEB-Bericht maßgeschneidert für verschiedene "Endkunden": Neben einem wissenschaftlichen Fundament werden Politiker und Entscheidungsträger von der internationalen bis zur lokalen Ebene, Unternehmen und nicht zuletzt Bürger und Konsumenten mit jeweils einzelnen Berichten bzw. Produkten angesprochen. Möglich ist dies dank der engen und offenen Zusammenarbeit von Wissenschaftlern, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), internationalen Institutionen sowie Politik- und Medienprofis. Derzeit sind bereits über 500 Expertinnen und Experten aus der ganzen Welt an TEEB beteiligt.

Im November 2009 wurde der erste Hauptbericht, "TEEB for National and International Policy Makers", in Brüssel vorgestellt. Er entwickelt mit ökonomischen Argumenten Handlungsempfehlungen für die nationale und internationale Ebene. Neben der Empfehlung der Entwicklung neuer Schwerpunkte in der Umweltpolitik, etwa durch PES-Ansätze (Zahlungen für Ökosystemdienstleistungen, wie etwa in der Diskussion um ein REDD+ Regime) oder durch die Neubewertung ökologische Infrastrukturen und deren Erhalt und Restaurierung, werden auch bereits seit langem diskutierte Maßnahmen, wie etwa die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen, nachdrücklich betont. Im Laufe des Jahres 2010 werden weitere Berichte für lokale Entscheidungsträger, für Unternehmen sowie zur wissenschaftlichen Grundlage folgen.

Studie liefert Zusatzargumente für den Naturschutz

TEEB möchte ein globales Umdenken unterstützen und hat sich daher neben Nachhaltigkeit auch Begriffe wie Armutsbekämpfung und Gleichberechtigung auf die Fahnen geschrieben. Unser derzeitiges gesellschaftliches Modell unterstützt und belohnt gesteigerten statt besseren Konsum, privaten statt gesellschaftlichen Wohlstand und von Menschenhand geschaffenes statt natürliches Kapital. Die Expertinnen und Experten der TEEB-Studie zeigen Möglichkeiten auf, diesem "Marktversagen" zu begegnen und den Reichtum der Natur in den Bilanzen der Nationen und Konzerne abzubilden. TEEB möchte nun Instrumente und Maßnahmen vorstellen, die Politikern, Unternehmensführern und Kunden dabei helfen tätig zu werden und dem Umdenken auch ein Handeln folgen zu lassen. Die bisherige Diskussion der TEEB-Ergebnisse weltweit zeigt, dass der Ansatz in breiten Kreisen positiv aufgenommen wird- so werden z.B. ökonomische Argumente verstärkt in die Diskussion zur Weiterentwicklung des Übereinkommens zur Biologischen Vielfalt nach 2010 eingebracht. Wichtig Wichtig ist dabei zu betonen, dass TEEB Zusatzargumente für den Naturschutz liefern soll, nicht aber unsere ethische Verpflichtung zum Erhalt von Arten und Ökosystemen ersetzt: Bestehende Ansätze zum Naturschutz können durch ökonomische Ansätze gestärkt und vor allem die Verbindung mit Armutsaspekten besser herausgearbeitet werden - aber auch hier bildet die ethisch-moralische Verpflichtung zum Naturerhalt und dem Erhalt unserer Lebensgrundlagen die Basis für die Entwicklung neuer Handlungsoptionen.

Der Autor arbeitet im Department Naturschutzforschung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ).

Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ - www.ufz.de) in Leipzig ist von UNEP mit der wissenschaftlichen Koordinierung von TEEB beauftragt. Weitere Informationen zu TEEB und den bereits veröffentlichten Berichten unter www.teebweb.org


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2010, S. 23-24
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2010