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VERBAND/461: Naturschützer von der Pike auf - Der BUND im Osten (V) - Sachsen (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 1/2011
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

ZUR ZEIT
Der BUND im Osten (V)
Naturschützer von der Pike auf

Von Severin Zillich


Mit einem Porträt des BUND Sachsen endet unsere kleine Serie über die Landesverbände in Ostdeutschland. Noch einmal zeigt sich: Unter manchmal schwierigen Rahmenbedingungen hat ein kleiner Kreis von BUND-Aktiven in zwanzig Jahren viel aufgebaut.

Es muss nicht immer die Landeshauptstadt sein. Die Fäden des sächsischen BUND-Engagements laufen seit der Wende in Chemnitz zusammen. Auf dem Kaßberg, einer Villengegend am Rand der Innenstadt, dient eine Gründerzeitvilla als Umweltzentrum. Sie beherbergt die Landesgeschäftsstelle des BUND Sachsen, der hier mit Verbänden wie der Grünen Liga, dem ADFC und dem Flüchtlingsrat seit 1990 mietfrei logiert. Doch die Stadt Chemnitz muss sparen - und hat das sanierungsbedürftige Haus kürzlich dem Trägerverein überschrieben. Auch auf den BUND kommen damit viel Arbeit und höhere Kosten zu.

Noch ein weiteres Argument sprach einst dafür, die Arbeit des Landesverbandes von Chemnitz aus zu koordinieren: Nach der Wende schlossen sich im Raum Chemnitz/Vogtland besonders viele schon zu DDR-Zeiten aktive Naturschützer dem BUND an. Die Region einschließlich des Erzgebirges ist bis heute ein Schwerpunkt der sächsischen BUND-Aktivitäten. Doch verwaist ist die Hauptstadt Dresden deshalb nicht. Zum einen existiert hier eine starke Kreisgruppe des BUND, die regelmäßig an bundesweiten Aktionen teilnimmt, so an den großen Anti-Atom-Demos in Berlin oder an den Mahnfeuern gegen die Elbvertiefung. Zum anderen nimmt Landesgeschäftsführer Wolfgang Riether regelmäßig politische Termine in Dresden wahr.

Wildnis wagen

Während sich der BUND traditionell einem breiten Spektrum von Umwelt- und Naturschutzthemen öffnet, schlägt in Sachsen das Pendel von jeher in Richtung Naturschutz aus. Den festen Mitgliederstamm stellen ganz überwiegend »Naturschützer von der Pike auf«: Menschen wie Wolfgang Riether, der wegen seines kompromisslosen Einsatzes für die Natur lange Jahre von der Stasi überwacht und in der DDR mit Berufsverbot belegt wurde. Neue Mitglieder kommen aus den Bürgerinitiativen, die der BUND Sachsen im Kampf gegen Schweinemast- und Biogasanlagen oder Straßenprojekte unterstützt.

Doch das Herzstück seiner Arbeit bilden Kampagnen wie »Wildnis wagen«: der Schutz natürlicher Prozesse, Natur auch wirklich Natur sein lassen. Das allerdings sind Ziele, die sich im Freistaat Sachsen heute schwerer denn je umsetzen lassen. Die schwarz-gelbe Landesregierung unter Ministerpräsident Tillich sei geradezu stolz, in der Naturschutzpolitik bundesweit das Schlusslicht zu bilden, beklagt Riether. Einschnitte im Naturschutzrecht würden als »Sieg der Freiheit« verkauft, vor allem der kleine Koalitionspartner versuche sich damit zu profilieren. Doch die Sachsen seien nicht ohne Grund als »zänkisches Bergvolk« bekannt. Der sächsische BUND sei jedenfalls nicht bereit, durch fachliche Kompromisse klein beizugeben.

Empfindlich getroffen hat den Landesverband jedoch, dass das Landesumweltministerium Mitte 2010 die Kostenerstattung für die sehr aufwendigen Stellungnahmen ohne jede Ankündigung halbiert hat. Einem wichtigen Korrektiv staatlicher Planung wurde so mit einem Schlag die finanzielle Basis entzogen.


Befreite Flüsse

Ein besonderes Anliegen der Naturschutzarbeit in Sachsen sind die »befreiten Flüsse«. So engagiert sich der BUND in einem von der EU geförderten Schutzprogramm für die Elbe. An der Mulde, einem Nebenfluss, sind mehrere Renaturierungsprojekte in Vorbereitung.

Außerdem verteidigt der BUND den letzten Flussabschnitt, den noch die Naturgewalten des großen Elbehochwassers von 2002 schufen: Am Muldezufluss Flöha hat er einen Baustopp gegen eine geplante Brücke erwirkt. Denn die droht einen geschützten Erlen-Eschen-Auenwald zu zerstören, Lebensraum unter anderem von Eisvogel und Fischotter.


Rare Rückkehrer

Auch für zwei rare Säugetiere legt sich der BUND Sachsen ins Zeug. So hatte im Osterzgebirge das Ziesel ein historisches Vorkommen. Seit den 80er Jahren gilt es in Deutschland als ausgestorben. BUND-Aktive errichteten in seinem einstigen Lebensraum vor zehn Jahren ein Übergangsgehege. Inzwischen haben die ersten Ziesel das Terrain jenseits des Zaunes erobert und sich 2010 erstmalig im Freien fortgepflanzt. Mittelfristig sollen drei lebensfähige Populationen entstehen, in Kontakt mit den Zieseln, die auf tschechischer Seite bis heute überlebt haben.

Über 150 Jahre galt in Deutschland auch der Wolf als ausgestorben - bis im Jahr 2000 auf dem sächsischen Truppenübungsplatz Oberlausitz ein erstes Paar polnischer Einwanderer wieder Junge aufzog. Seitdem haben die Wölfe weitere Gebiete besiedelt, mehrere Rudel ziehen alljährlich Junge auf. Dennoch sind die faszinierenden Tiere unverändert auf Schutz angewiesen. So verschwindet ein Großteil der Jungen spurlos, illegale Abschüsse können nur im Einzelfall nachgewiesen werden. Jedes Jahr kommen Wölfe im Straßenverkehr um. Schließlich will die sächsische Jägerschaft (unterstützt von Umweltminister Frank Kupfer) den heute streng geschützten Wolf wieder zur jagdbaren Tierart erklären.

Der BUND Sachsen nimmt Partei für den Heimkehrer, fördert die öffentliche Akzeptanz für die scheuen Tiere und setzt sich dafür ein, dass der Wolf wieder zu einer dauerhaften Bereicherung unserer Tierwelt wird. Denn die Antwort auf die Frage, ob und wie wir Menschen bereit sind, unseren Lebensraum mit einer Art wie dem Wolf zu teilen, ist für den Landesvorsitzenden Hans-Udo Weiland von übergeordneter Bedeutung. Klärt sie doch auf darüber, inwieweit unsere Gesellschaft heute bereit ist, mit der Natur zu leben - und nicht gegen sie.

Kontakt: BUND Sachsen, Henriettenstraße 5, 09112 Chemnitz, Tel. (03 71) 30 14-77, bund.sachsen@bund.net, www.bund-sachsen.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

• Baumpflanzung zum 20. Geburtstag der Regionalgruppe Elstertal/Plauen. Unten: Treffen der Regionalgruppen im Mai 2010.

• Wolfsspur in der Lausitz.

• Seit vielen Jahren engagiert sich der BUND Sachsen für die Elbe - so auch vor zwei Jahren zum Schutz des (inzwischen aberkannten) Weltkulturerbes Dresdner Elbtal.


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Quelle:
BUNDmagazin 1/2011, S. 30-31
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
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Internet: www.bund.net

Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2011