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VERBAND/449: 20 Jahre GRÜNE LIGA und "DER RABE RALF" - Interview mit Leif Miller (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 159 - Dezember 2010/Januar 2011
Die Berliner Umweltzeitung

20 Jahre GRÜNE LIGA und "DER RABE RALF"

Interview mit dem Berliner Landesvorsitzenden der GRÜNEn LIGA und Gründungsmitglied Leif Miller


Leif Miller ist Gründungsmitglied der GRÜNEn LIGA und überzeugter Grünligist. Kaum jemand kann 20 Jahre GRÜNE LIGA Berlin so gut nachempfinden und -erzählen wie er. Schon seit seinem elften Lebensjahr engagiert er sich im Naturschutz, zunächst in der Station Junger Naturforscher, später in der Fachgruppe Ornithologie der Gesellschaft für Natur und Umwelt im Kulturbund der DDR. Bis 1998 war er Geschäftsführer der GRÜNEn LIGA Berlin. Heute ist er ist hauptamtlicher NABU-Bundesgeschäftsführer und ehrenamtlicher DNR-Vizepräsident (DNR: Dachverband der deutschen Umweltverbände mit fast 100 Mitgliedsverbänden, die 5,5 Millionen Einzelmitglieder vertreten) und in der GRÜNEn LIGA aktiv.

Warum ist der RABE RALF als mittlerweile einzige Berliner Umweltzeitung wichtig?

Ich denke nach wie vor, dass wir vor 20 Jahren mit der Erstausgabe des RABEN RALF eine Lücke füllten, die es auch heute immer noch gäbe. 1989/90 haben wir den RABEN ins Leben gerufen, weil es vor allem im Bereich der Informationsverbreitung und Transparenz große Defizite gab. Deshalb war es wichtig ein Medium zu haben, das Umweltinformationen überhaupt zugänglich macht und in die breite Öffentlichkeit trägt. Dass der RABE anfing zu fliegen, war natürlich auch von großer Bedeutung für die GRÜNE LIGA als ein Netzwerk ökologischer Bewegungen. Mit der LIGA konnten wir vielen Gruppen und Mitgliedern ein Podium und ein Dach über den Kopf mit Kopierer geben, mit dem RABEN konnten wir den Gruppen ein Medium geben, in dem über ihre Arbeit berichtet werden konnte und kann.

Demnach sind dies also die beiden zentralen Punkte: Verbreitung von Umweltinformationen und Vernetzung der vielen Gruppen, Initiativen etc. DER RABE RALF ist daher heute genauso wichtig wie vor 20 Jahren. Er ist eines der wenigen Medien im Umweltbereich, die in Berlin übriggeblieben sind.

Und: Wenn es den RABEN RALF nicht gäbe, so müsste man ihn neu erfinden!

Ein Motto der GRÜNEn LIGA ist "Kooperation statt Konfrontation". Trägt es auch heute noch zur Stärkung der Umweltbewegung bei? Was hat die GRÜNE LIGA in den letzten 20 Jahren erreicht?

Das Motto "Kooperation statt Konfrontation" ist ebenso wie der Grundgedanke des RABEN RALF eine Besonderheit in der Verbändelandschaft Deutschlands! Die GRÜNE LIGA ist eben anders als etablierte Umweltverbände. Sie hat wichtige Erfahrungen aus der Wendezeit (1989/90), aus der Zeit in der DDR, im Kulturbund, in Stadtökologiegruppen aber auch in der kirchlichen Bewegung gesammelt. Auch die Art des Umgangs miteinander führte letztlich zur Gründung einer "Grünen Liga" als Netzwerk ökologischer Bewegungen. Unter dem Dach der GRÜNEn LIGA in Berlin arbeiten große Verbände wie der NABU oder der ADFC genauso wie kleine Bürgerinitiativen, Gruppen oder Einzelaktive mit. Das genau macht unsere Stärke aus! Und das geht eben nur in einer sehr kooperativen Art und Weise und würde nicht funktionieren, wenn wir zum Beispiel unseren Mitgliedsverbänden Konkurrenz machten.

Wir versuchen, Gemeinsamkeiten auszuloten und herauszustellen. Das ist bei vielen Projekten sichtbar und eine Stärke der GRÜNEn LIGA im Unterschied zu anderen Verbänden.

Was waren die größten Erfolge, aber auch die Niederlagen?

Wenn man mich nach dem größten Erfolg der GRÜNEn LIGA fragt, dann ist das für mich das Umweltfestival-Europas größtes Umweltevent unter dem Dach der GRÜNEn LIGA! Wer hätte das 1995 gedacht! Damals gelang erstmals die Koordinierung der Umweltverbände auf internationaler, nationaler und lokaler Ebene im sogenannten "Klimaforum 95". Verbände, die im Bereich Klimaschutz aktiv waren, koordinierten sich während der ersten UN- Klima-Vertragsstaatenkonferenz auf deutschem Boden und schufen ein Rahmenprogramm- ein Modell der NGO- Zusammenarbeit, was letztes Jahr in Kopenhagen wie dieser Tage im mexikanischen Cancun funktioniert! Das KLIMAFORUM'95 wurde damals als verbandsübergreifendes Büro der Nichtregierungsorganisationen aus dem umwelt- und entwicklungspolitischen Bereich für den Berliner Klimagipfel gegründet. Das Büro, initiiert und getragen vom Deutschen Naturschutzring (DNR) und der GRÜNEn LIGA bot einen Rahmen für eine optimale Vorbereitung auf die wichtige politische Veranstaltung, koordinierte die Aktivitäten auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene und ermöglichte so eine wirkungsvolle Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit. Die Aktionen konnten so gebündelt und weitere Ereignisse initiiert werden. Und so fand als Abschluss der Fahrradsternfahrt "Berlin fährt Rad- Prima Klima mit dem Rad" am 2. April 1995 das erste Umweltfestival am Brandenburger Tor statt.

Niederlagen haben wir selbstverständlich auch immer wieder. Als Umweltverband hatte man in den letzten 20 Jahren nicht immer nur Grund zum Feiern. Aktuell ist hier der Flughafenausbau des BBI oder das Kohlekraftwerk in Jänschwalde zu nennen.

Wie siehst du die Jugend? Bekommt die Umweltbewegung genügend "Nachschub" und auch speziell die GRÜNE LIGA?

Nun ja, wir waren alle 20 Jahre jünger-die GRÜNE LIGA war eine junge Organisation. Selbst war ich zur Zeit der Gründung der GRÜNEn LIGA 22 Jahre alt und wurde mit 25 Geschäftsführer des Berliner Landesverbandes.

Wir haben von Anfang an auch auf Umweltbildung gesetzt. Unter anderem haben wir deshalb ein ehemaliges DDR-Kanuten-Trainingslager in Brückentin in der Nähe von Fürstenberg übernommen und zu einer Jugendnaturschutzakademie mit über 120 Betten und entsprechender Tagungslogistik aufgebaut. Auch dass zählt zu den Erfolgen der Ligaarbeit der letzten 20 Jahre. Jährlich verreisen tausende Kinder und Jugendliche mit unserem eigenen Reiseveranstalter NATOUR. Viele kommen gerne wieder und bleiben der Liga und ihren Inhalten verbunden.

Trotzdem hier noch mal der Aufruf, wer Lust hat, sich zu engagieren, der möge sich doch bitte in der Prenzlauer Allee 8 melden, um vielleicht die erneute Einrichtung einer Jugendgruppe wiederzubeleben.

Für die GRÜNE LIGA ist Umweltbildung also absolut wichtig, da wir in diesem Bereich viele Bewusstseinsveränderungen herbeiführen können. Daher bieten wir eben nicht nur NATOUR-Reisen sondern auch Hofbegrünungsaktionen auf Schulhöfen und Kindergärten oder unseren "Schulhofdschungel" an.

Gibt es ein Ereignis oder ein Projekt in den über 20 Jahren deines Engagements als Grünligist, an das du dich besonders gern erinnerst?

Darüber könnte ich sicherlich ein Buch schreiben. Ich möchte jetzt hier als Beispiel noch mal das "KLIMAFORUM '95" nennen. Dort sind wir sechs Jahre nach dem Gründungsaufruf als GRÜNE LIGA erstmals bundesweit in Erscheinung getreten und konnten unseren Netzwerkcharakter leben. Ich erinnere mich heute noch gerne an den Moment, wo mir in einem Wohnmobil am Pariser Platz über Funk mitgeteilt wurde, dass tatsächlich 150.000 Menschen an der von uns organisierten Fahrradsternfahrt auf das Brandenburg Tor zu radelten. Mir ist es ob dieser Zahlen kalt den Rücken heruntergelaufen und diese Menschen unterstützten ja auch das Motto "Prima Klima". Das war der Startschuss für die GRÜNE LIGA auf Bundesebene.

Du sprachst in einem früheren Interview im RABEN RALF von "euphorischer Wendestimmung". Was meintest du damit? Wie war das damals 1989/90? Und warum konnte diese ökologische Aufbruchstimmung vielleicht nicht richtig genutzt werden?

Natürlich gab es 1989/90 eine Aufbruchstimmung. Sie hat dazu geführt, dass wir in wenigen Monaten ein komplett neues Gesellschaftssystem bekommen haben. Man kann jetzt darüber streiten, ob es besser gewesen wäre, andere Wege zu gehen. Wir in der GRÜNEn LIGA waren uns aber sicher, dass wir nicht den Weg einer Partei gehen wollten. Wir verstanden und verstehen uns als parteiunabhängige Bürgerbewegung und Teil der Zivilgesellschaft. Natürlich kam irgendwann eine gewisse Ernüchterung, auch weil die Probleme von damals nach wie vor vorhanden sind, beziehungsweise heute sogar noch extremer ausfallen. Wenn man sich den Gründungsaufruf vom 18. November 1989 anguckt, sind viele Punkte aktueller denn je. Aus Sicht eines Umweltverbandes ist die Lage weiterhin unbefriedigend. Themen wie Klimaschutz und Energiepolitik mit der Verknüpfung zur Biodiversität wurden vor 20 Jahren zum Beispiel so gut wie überhaupt nicht gesellschaftlich diskutiert. Damals ging es um Themen wie Umweltverschmutzung und fehlende Umweltinformationen. Wir haben als GRÜNE LIGA einen Beitrag zur Ökologisierung der Gesellschaft, einem Ziel der Liga, geleistet und können inzwischen auf eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung bauen. Klimaschutz ist mittlerweile in aller Munde, dazu hat die Umweltbewegung maßgeblich beigetragen!

Wie läuft die Zusammenarbeit der GRÜNEN LIGA mit den anderen Umweltverbänden?

Unser Netzwerkcharakter unterscheidet uns von anderen Umweltverbänden. Bei uns kann jeder und jede mitmachen, ohne Mitglied zu sein. Deswegen haben wir auch viele bei uns, die sich zur GRÜNEn LIGA bekennen, aber nicht zwingend Mitglieder sind. Als Landesvorsitzender würde ich mir das natürlich manchmal anders wünschen...

Die Zusammenarbeit mit den anderen Verbänden läuft gut. Wir haben im bundesweiten Maßstab etliche Bereiche, in denen die GRÜNE LIGA Verantwortung trägt und mit anderen Organisationen beispielhaft kooperiert. Da ist einmal das Thema Wasser. Hier koordiniert die LIGA mit ihrer Bundeskontaktstelle Wasser die Aktivitäten der Verbände im DNR. Wir waren zentrale Anlaufstelle des erfolgreichen Wasservolksbegehrens in Berlin. Ein weiteres Beispiel ist unsere Bundeskontaktstelle Internationales, deren Schwerpunkt die Zusammenarbeit mit den mittel- und osteuropäischen Ländern ist. Wir haben zeitgleich vergleichbare Entwicklungen erlebt wie Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in diesen Ländern. Dadurch konnte sich die GRÜNE LIGA gut einbringen und ist immer noch ein gefragter und glaubwürdiger Partner. Gemeinsam mit dem NABU engagieren wir uns z.B. seit 15 Jahren im mittlerweile anerkannten UNESCO- Weltnaturerbe "Westkaukasus" für eine nachhaltige Regionalentwicklung. Und drittens ist es die Lokale Agenda. Die herausragenden Ereignisse sind hier jedes Jahr die Verleihung des Nachhaltigkeitspreises Zeitzeiche(N) und der Netzwerk21Kongress. Und: Wir sind und bleiben ein Ostgewächs.

Wir haben in dieser Ausgabe einen Artikel "Was lesen wir in 20 Jahren im RABEN RALF". Vielleicht ein paar realistische Stichwörter dazu von dir. Was werden wir aus deiner Sicht 2030 schreiben?

Den RABEN RALF wird es auf jeden Fall geben. Das steht fest! Und Schlagzeilen könnten vielleicht sein: Wohin mit dem Atommüll? Vollständige Versorgung mit Erneuerbaren Energien in 3 Jahren! Mehr als heiße Luft - Klimagipfel kann Resultate vorzeigen! 35. Umweltfestival am Brandenburger Tor!

Einen Rat für unsere Leser/-innen: Warum sollten sie auch in einigen Jahren noch den RABEN RALF abonnieren?

DER RABE RALF ist, nicht nur weil er die einzige Umweltzeitung für Berlin und Brandenburg ist, nicht mehr wegzudenken. Denn er behandelt Umweltfragen sehr übergreifend und interdisziplinär. Er fasst das Thema Umwelt sehr breit, wie die GRÜNE LIGA selbst, im Gegensatz zu den anderen Verbänden, übrigens auch. So gehört für uns zu den Themen Umweltschutz und Ökologie ein Engagement gegen den Krieg unmittelbar dazu. DER RABE RALF ist weder ein reines Naturschutzblatt noch ein reines Ökolandbaublatt, sondern er bringt von allem etwas. Die thematische Breite macht hier die Spannung, wie die Breite an Initiativen die Liga als Netzwerk ökologischer Bewegungen ausmacht. Außerdem gibt es in unserer Umweltzeitung spannende Serviceseiten.

Zum Schluss noch etwas Persönliches: Was ist aus dem "Vogelfritzen" Leif Miller geworden?

Der Vogelfritze Leif Miller ist nach wie vor überzeugter Grünligist und unglaublich stolz auf die LIGA. Beruflich bin ich Bundesgeschäftsführer des NABU und versuche hier, wie übrigens auch im DNR, meine ostspezifischen Erfahrungen einzubringen.

Privat ist der "Vogelfritze" viel zu wenig draußen in der Natur und würde gerne mal wieder einen Erstnachweis wie 1990 für die Doppelschnepfe führen. Ein bisschen versöhnt ihn seine Arbeit als Landwirt eines Biobauernhofes in der Nähe von Rheinsberg. Hier kann er sich den Ausgleich holen und privat das ausprobieren, was er im Beruf fordert.

Vielen Dank für das Interview!

Das Gespräch führte Felix Eick


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Leif Miller (Vorsitzender GRÜNE LIGA Berlin) vor dem eigenen Solardach
- 17.11.2010 - Leif Miller eröffnet den Runden Tisch der ostdeutschen Umweltbewegung


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Quelle:
DER RABE RALF - 21. Jahrgang, Nr. 159 - Dezember 2010/Januar 2011
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2011