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SCHADSTOFFE/269: Zelltoxische Wirkungen kleinster Schadstoffkonzentrationen (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1063, vom 02. Mai 2015 - 34. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Zelltoxische Wirkungen kleinster Schadstoffkonzentrationen


In der Öffentlichkeit und Wissenschaft wird derzeit intensiv diskutiert, ob Schadstoffe auch in sehr niedrigen Konzentrationen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen beim Menschen führen können. Deshalb werden vermehrt experimentelle Studien zur Prüfung solcher Effekte mit unterschiedlichen Chemikalien durchgeführt. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass schon geringe Mengen von Benzo[a]pyren Effekte auf das Proteinmuster und damit den Stoffwechsel und die Signalwege in einer Zelle ausüben, obwohl die Konzentration um das Hundertfache unter derjenigen liegt, die eine Zelle absterben lässt. Zu diesem Ergebnis kommen Untersuchungen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der Technischen Universität Dresden und des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), die jetzt im Journal of Proteome Research veröffentlicht wurden.

In einer gemeinsamen Pressemitteilung von UFZ und BfR vom 16.03.15 wird darauf hingewiesen, dass die Analyse von vernetzten Signalwegen unter Berücksichtigung verschiedener sogenannter "omics"-Technologien (abgeleitet von Toxicoproteomics) dabei deutlich besser zur Beschreibung und zum Monitoring von unerwünschten Wirkungen geeignet sei als die bisher verwendeten einzelnen Biomarker (einzelner Proteine). Beim Benzo[a]pyren würde es keine Dosis ohne Wirkung geben, d.h. dass jede Menge schädlich sein kann. In der Pressemitteilung wird deshalb angeraten, dass idealerweise Verbraucher mit solchen Stoffen überhaupt nicht in Kontakt kommen sollten. Die Gehalte der Substanz in einem Lebensmittel sind so weit zu minimieren, wie dies "vernünftigerweise" möglich ist ("as low as reasonably achievable"). Dieser Ansatz wird als ALARA-Prinzip bezeichnet. Benzo[a]pyren ist ein polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoff, der bei der unvollständigen Verbrennung von organischen Stoffen entsteht. Er ist daher weit verbreitet und zum Beipiel auch im Rauch von Zigaretten oder in gegrilltem Fleisch zu finden.

Toxicoproteomics: Dem Benzo[a]pyren auf der Spur

In der zuvor genannten BfR/UFZ-Pressemitteilung wird erläutert, wie man die zelltoxische Wirkung von Benzo[a]pyren detektieren konnte: Leberzellen der Maus wurden 24 Stunden lang einer toxischen Benzo[a]pyren-Konzentration ausgesetzt. Parallel dazu wurden die Zellen auch gegenüber einer Benzo[a]pyren-Konzentration exponiert, die deutlich unter einer Schwelle lag, bei der in der Regel Veränderungen in der Zellkultur festgestellt werden. Anschließend wurden die Veränderungen in den Proteinen und Stoffwechselprodukten der Zellen analysiert. Auf diese Weise wurden bei einer für die Zelle toxischen Konzentration 190 Proteine identifiziert, die sich unter Behandlung mit Benzo[a]pyren in ihrer zellulären Menge veränderten. Bei einer Konzentration von lediglich 50 Nanomolar (Nanomol pro Liter) Benzo[a]pryren waren es immerhin noch 150 veränderte Proteine. Die Wirkungen von in der Regel nicht zelltoxischen Konzentrationen waren im Falle des Benzo[a]pyrens deutlich nachweisbar und nicht durch Wirkungen von direkt toxischen Konzentrationen vorhersagbar.

Durch die Erfassung von tausenden Proteinen und hunderten Stoffwechselprodukten können die chemikalieninduzierten Prozesse in den Zellen im Detail beschrieben werden. Die große Anzahl von erfassten Molekülen erlaubt es, auf der Basis von bekannten funktionalen Zusammenhängen die zelluläre Reaktion auf der Ebene der physiologischen Signalwege zu erfassen. Da hierfür eine Vielzahl von verschiedenen Proteinen und Stoffwechselprodukten zusammengefasst werden, "wird die Aussage zu einem Signalweg deutlich robuster und verlässlicher, als dies die Messung eines einzelnen Proteins erlauben würde", heißt es in der BfR/UFZ-Pressemitteilung. Die Beschreibung der Wirkung von unerwünschten Stoffen mittels dieser Technik wird auch als Toxicoproteomics bezeichnet. Toxicoproteomics-Methoden sollen in Zukunft vermehrt auch für die Analyse der Wirkungen von ausgewählten Modellsubstanzen sowohl für Leber- als auch Immunzellen verwendet werden.

Weitere Auskunft:
Bundesinstitut für Risikobewertung
Dr. Suzan Fiack
10589 Berlin
Tel.: 030 1 8412-4300
E-Mail: pressestelle@bfr.bund.de
Internet: http://www.bfr.bund.de

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1063
Herausgeber:
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2015

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