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STADT/304: Umwelthauptstadt Hamburg - Chance vertan (BUND HH)


BUND-Landesverband Hamburg e. V. - 8. Dezember 2011

Umwelthauptstadt Hamburg - Chance vertan

Bei Luftbelastung und Klimaschutz keine Fortschritte / Trendwende beim Baumschutz erforderlich


Zum Ablauf des Green-Capital-Jahres in Hamburg zieht der BUND eine ernüchternde Bilanz. Die Stadt habe weder die im Rahmen der Bewerbung abgegebenen Zusagen für einen besseren Umweltschutz in Hamburg umgesetzt, noch habe sie es geschafft, die Ideen für eine ökologischere Lebensweise in der Bevölkerung zu platzieren. Das Motto "Die ganze Stadt macht mit!" sei auf ganzer Linie gescheitert.

"Hamburg hat die Chance vertan, den von der EU-Kommission vergebenen Titel mit Leben zu füllen. Vielmehr hat die SPD nach der Regierungsübernahme den Eindruck vermittelt, dass der Umweltschutz in Hamburg ein nachrangiges Politikfeld ist und im Zweifel wirtschaftliche Interessen vorgehen", fasst Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg, die Kritik seines Verbandes zusammen.

Als besonders gravierendes Bespiel nennt der BUND die zentralen Zusagen zum Klimaschutz und der Luft- und Lärmbelastung in Hamburg. Waren die Einführung der Stadtbahn und die Prüfung einer Umweltzone und City-Maut noch zentraler Bestandteil der Bewerbung um die Hauptstadttitel, hat der neue SPD-Senat genau diese Projekte abgeräumt - ohne echte Alternativen aufzuzeigen. "Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den in anderen Städten bewährten Instrumenten hat nie stattgefunden", so Manfred Braasch. Vielmehr habe der Bürgermeister seinen Wirtschaftssenator Werner Horch sofort "zurückgepfiffen", als dieser laut über geeignete Instrumente nachdachte, um die Problematik der Luftbelastung in Hamburg zu entschärfen. Auch beim größten Emittenten von Stickoxiden (NO2), dem Hamburger Hafen, ist der Senat deutlich im Verzug. Obwohl bereits seit Mitte Juli ein Gutachten des Germanischen Lloyd zur Realisierbarkeit einer Landstromanbindung für Kreuzfahrtschiffe vorliegt und sogar die Reedereien ihre Unterstützung anbieten, blieb der Senat bisher untätig. Die Folge sei, dass die Stadt aufgrund der hohen Grenzwertüberschreitungen bei Stickstoffdioxiden mit einem Vertragsverletzungsverfahren der EU rechnen müsse.

Weit entfernt von den Zusagen der Bewerbung ist die Stadt auch bei der Reduzierung der CO2-Emissionen. Hier hatte die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt explizit das Klimaschutzkonzept genannt, das vorgibt, von 2007 bis zum Jahr 2012 zwei Millionen Tonnen CO2 einzusparen. Nach einer Berechnung des BUND lag Hamburg Anfang 2011 erst bei einer Einsparung von 970.000 Tonnen, es somit unrealistisch, dass in nur zwei Jahren nochmals rund eine Mio. Tonnen CO2 eingespart werden.

Im Bereich des Naturschutzes sei die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt immerhin dabei, laufende Vorgänge abzuarbeiten. So habe die BSU das Naturschutzgebiet Rodenbeker Quellental um 37 Hektar erweitert und die Ausweisung der Elbinsel Wilhelmsburg als Landschaftsschutzgebiet soll mit 750 Hektar sogar üppiger ausfallen als in der Bewerbung angekündigt. Das Verfahren hierzu hat die Behörde im Sommer 2011 eröffnet.

Als grundsätzlich gutes und richtiges Projekt der Umwelthauptstadt sieht der BUND die Aktion "Mein Baum - meine Stadt" Allerdings verlöre die Stadt jährlich netto rund 2.000 Straßenbäume, die nicht nachgepflanzt würden, so dass das Projekt gerade mal den Verlust des Jahres 2011 ausgleichen konnte. Umso wichtiger sei es, hier endlich eine Trendumkehr einzuleiten und auch für die kommenden Jahre dafür zu sorgen, dass ausreichend Bäume nachgepflanzt werden.

Daneben gab es im Laufe des Jahres viele bunte Veranstaltungen, in denen Politik und Wirtschaft vorrangig versucht haben, ihr Umwelt-Image aufzupolieren. Selbst die aufwändig inszenierten Umweltdialoge hinterließen bislang keine sichtbaren Ergebnisse. Ob sich dies durch den für das Frühjahr 2012 geplanten "Auswertungs-Dialog" noch ändern wird, bleibt fraglich.

Dagegen wurde das direkte Engagement der Hamburger Bevölkerung für eine Energiewende in Hamburg nicht gewürdigt. Insbesondere der Erste Bürgermeister hat eines der erfolgreichsten Volksbegehren in der Geschichte Hamburgs ignoriert und vorläufig Fakten geschaffen. Heraus gekommen ist eine zweifelhafte Vereinbarung mit den derzeitigen Netzbetreibern E.on und Vattenfall, die auf jeden Fall dazu dienen wird, den beiden Unternehmen für die nächsten 20 Jahre den Markt abzusichern.

Insgesamt ist die Bilanz des Green-Capital-Jahres aus Sicht des BUND eindeutig negativ. "Die Aktivitäten im PR-Bereich stehen im krassen Missverhältnis zur Bereitschaft, die ernsten Probleme zum Beispiel in der Verkehrs- oder Klimaschutzpolitik anzupacken. Aus heutiger Sicht hat Hamburg den Preis nicht mehr verdient", so der Umweltverband.


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Quelle:
Presseinformation Nr. 64/11, 08.12.2011
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
BUND-Landesverband Hamburg
Lange Reihe 29, 20099 Hamburg
Tel.: 040/600 387-0, Fax: 040/600 387-20
E-Mail: bund.hamburg@bund.net
Internet: www.bund.net/hamburg


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2011